Wie war Wladimir Lenin als Mensch?

Nadeschda Krupskaja und Wladimir Lenin in Gorki, 1922. Die Kinder sind Lenins Neffe Wiktor und Wera, Tochter eines Arbeiters.

Nadeschda Krupskaja und Wladimir Lenin in Gorki, 1922. Die Kinder sind Lenins Neffe Wiktor und Wera, Tochter eines Arbeiters.

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Das Bild des unerbittlichen sowjetischen Führers verschlang den Menschen dahinter, aber außerhalb seines revolutionären Lebens war Lenin immer noch ein echter Mensch.

Für Historiker ist es sehr schwer, die wirkliche Persönlichkeit von Wladimir Lenin zu beschreiben, da er von seinen Biografen und Anhängern in den höchsten Tönen gelobt und gepriesen wurde. Die Beschreibung seiner Person wurde dermaßen überhöht, dass wir ihn uns kaum als lebende Person vorstellen können. Dieser Artikel basiert auf persönlichen Berichten von Menschen, die Lenin kennengelernt und beschrieben haben, wie er war.

Wie sah Lenin körperlich aus?

Als der Schriftsteller Alexander Kuprin Lenin 1919 kennenlernte, war der sowjetische Führer bereits kahl. „Aber die Reste von Haaren an den Schläfen sowie der Bart deuten noch darauf hin, dass er in seiner Jugend zum Äußerten entschlossen und feuerrot war“, schrieb Kuprin. „Er hat einen seltsamen Gang: Er watschelt von einer Seite zur anderen, als ob er auf beiden Beinen hinken würde... Er war klein, breitschultrig und hager.“

„Wladimir Lenin bei einem Subbotnik im Kreml, 1. Mai 1920“ von Michail Sokolow, 1936.

„Von kleiner Statur, ziemlich kräftig gebaut, mit leicht hochgezogenen Schultern und einem großen Kopf... Wladimir Uljanow hatte unregelmäßige, ich würde sagen, hässliche Gesichtszüge: kleine Ohren, auffallend hervorstehende Wangenknochen, eine kurze, breite, leicht abgeflachte Nase und dazu einen großen Mund mit gelben, kaum auseinander stehenden Zähnen“, beschrieb ihn Alexander Naumow, der zusammen mit Wladimir das Gymnasium besucht hatte. Doch „wenn man sich mit ihm unterhielt, schien all seine unscheinbare Erscheinung beim Anblick seiner kleinen, aber erstaunlichen Augen, die vor bemerkenswerter Intelligenz und Energie funkelten, zu verblassen.“

Wie große waren Lenins intellektuelle Fähigkeiten?

Alexander Naumow, der später Minister in der letzten zaristischen Regierung wurde, war nicht gerade begeistert von Lenin. Dennoch erkannte er die herausragenden intellektuellen Fähigkeiten des zukünftigen kommunistischen Führers an. „Er beteiligte sich nie an den üblichen Jugendstreichen und -belustigungen, sondern hielt sich von all dem fern und war ständig mit dem Lernen beschäftigt“, erinnerte sich Naumow. „Er hatte absolut außergewöhnliche Fähigkeiten, besaß ein phänomenales Gedächtnis, zeichnete sich durch unstillbare wissenschaftliche Neugier und außergewöhnliche Effizienz aus. Wahrlich, er war eine wandelnde Enzyklopädie.“

Wladimir Lenin in seinem Arbeitszimmer im Kreml, 1918.

Wladimir Uljanow schloss das Gymnasium mit einer Goldmedaille ab und schrieb sich an der Universität Kasan ein, wurde aber wegen seiner revolutionären Aktivitäten von der Universität verwiesen. Dennoch schloss er sein Jurastudium als externer Student ab und arbeitete eine Zeit lang als Anwalt. Lenins Intellekt blieb zeitlebens ausgeprägt – er war zum Beispiel berühmt für seine Fähigkeit, sich eine Textseite nach nur einmaligem Durchlesen zu merken.

Hat Lenin Sport getrieben?

Wladimir Lenin war kein Sportliebhaber im heutige Sinne, war aber körperlichen Aktivitäten nie abgeneigt. Er war ein begeisterter Jäger – während seines Exils in Schuschenskoje, Sibirien, jagte er mit seiner Frau Nadeschda Krupskaja Vögel und Hasen. Allerdings war er kein besonders treffsicherer Schütze.

Lenin beim Schachspielen in Italien, 1908.

Lenin fuhr viel mit dem Fahrrad. Sein Vertrauter Georgij Sinowjew schrieb: „[Lenin] fuhr mit uns 50-70 Werst (60-70 km) mit dem Fahrrad, nur um am malerischen Ufer eines schönen Flusses zu schwimmen und spazieren zu gehen.“

Was hat Lenin gerne gegessen?

Lenin blieb sein ganzes Leben lang körperlich fit und gesund. Er achtete nicht besonders auf seine Ernährung und scheute sich nicht vor einfachen Speisen. Während seiner ersten Jahre in der Emigration konnte er es sich nur leisten, einmal am Tag zu essen. In London fand er es billiger, in Pubs zu essen – er liebte Eier, Speck und Lagerbier. In Genf aßen Lenin und Krupskaja in einer Arbeiterkantine.

Allerdings verdienten die beiden kein Geld, um sich das Essen zu kauften – sie erhielten Unterstützung von ihren sozialistischen Freunden, während Lenin sich auf seine politische Arbeit konzentrierte. Nach der Revolution, als er im Kreml lebte, wurden Köche eingestellt, die für ihn, Krupskaja und seine Schwester Maria Uljanowa kochten. Lenin liebte Pilze, Auberginen, Pasteten und Bœuf Stroganoff. Er war sich jedoch bewusst, dass er in einem gewissen Wohlstand aufgewachsen war. Er erinnerte sich daran, wie er reagierte, als die Arbeiter in St. Petersburg vor der Revolution feststellten, er aber nicht, dass sich die Qualität des Brotes verbessert hatte: „An das Brot hatte ich, ein Mensch, der nie Not gekannt hatte, nicht gedacht. Das Brot stellte sich für mich irgendwie von selbst ein, etwa wie eine Art Nebenprodukt der schriftstellerischen Arbeit.“

„Lenin liest ein Buch“ von Pjotr Wassiljew, 1972.

Lenin schätzte den Tee sehr, weil er seine intellektuellen Fähigkeiten förderte und ihm half, lange aufzubleiben und zu arbeiten und mochte ihn deshalb sehr stark gebrüht. Eines der ersten Dekrete der Bolschewiki im Jahr 1918 befahl die Beschlagnahme aller Teelieferungen in Russland zugunsten des Staates.

Welche Persönlichkeit hatte Lenin?

„Die Nerven liegen blank, wir müssen uns aufrappeln, aufrappeln“, schrieb Lenin unmittelbar nach der Februarrevolution 1917 in Erwartung weiterer politischer Veränderungen. Er war so gut wie sein ganzes Leben lang ungewöhnlich nervös, angespannt und oft launisch.

„Jeder, der Wladimir Iljitsch kannte, erinnert sich an seine Stimmungsschwankungen. In einem Moment konnte er fröhlich sein, ansteckend lachen, wie ein Kind, den Gesprächspartner mit seinen rasanten Gedanken fesseln, endlose Witze reißen, bis zu Tränen. In einem anderen Moment war er düster zurückhaltend, streng, verschlossen, konzentriert, herrschsüchtig und warf mit kurzen, scharfen Sätzen um sich“, erinnerte sich Lenins Bruder Dmitriо Uljanow.

Wladimir Lenin während eines Gesprächs mit dem Korrespondenten der amerikanischen Zeitung „The World“ Lincoln Eyre in seiner Wohnung im Kreml, 1920.

Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass Lenins Gesprächsstil eher bissig war. „Bemerkungen in Gesprächen haben immer einen ironischen, herablassenden, geringschätzigen Ton – eine langjährige Angewohnheit, die er sich in unzähligen Wortgefechten angeeignet hat“, schrieb Alexander Kuprin. „In kameradschaftlichen Beziehungen war er äußerst verschlossen und kalt: Er war mit niemandem befreundet, und ich kann mich nicht erinnern, dass er sich jemals erlaubt hätte, wenigstens ein wenig offen mit mir zu sprechen“, schrieb Naumow.

Obwohl Lenin im Gespräch sehr angenehm und höflich sein konnte, war er oft wütend und rücksichtslos gegenüber seinen Feinden. Und natürlich wäre keine Beschreibung seiner Persönlichkeit vollständig ohne einen Blick auf seine Hinrichtungsbefehle. Einer davon, der 1918 erlassen wurde, lautete: „Einen gnadenlosen Massenterror gegen die Kulaken, Priester und ,weißenʻ Militärs durchführen! Die Zweifler in ein Arbeitslager außerhalb der Stadt sperren!“

Aufgrund der ständigen Sorgen und Gefahren, die Lenin seit Beginn seiner revolutionären Tätigkeit verfolgten, entwickelte er sich zu einem äußerst nervösen Menschen. Er wurde oft wütend auf seine Hausangestellten und Wachen und schlief fast immer sehr schlecht.

Welche Hobbys hatte Lenin?

Abgesehen von sportlichen Aktivitäten, täglicher Gymnastik und Billard, hatte Lenin nur zwei große Hobbys – Musik und Schach. Als Kind lernte er das Klavierspiel, hörte aber später auf zu üben, da er das Instrument für einen „Mädchenzeitvertreib“ hielt. Dennoch liebte er die Musik: „Wladimir Iljitsch sang oft zum Klavier mit [seiner Schwester] Olga Iljinitschna, die gut spielte, eine angenehme Stimme hatte und singen konnte“, erinnerte sich Bruder Dmitrij.

Lenin behielt seine Liebe zur Musik auch als Erwachsener bei. Beethoven und Wagner waren seine Lieblingskomponisten, er liebte auch Schubert, Chopin und Liszt. Allerdings empfand er diesen Zeitvertreib als ein wenig zu bequem für sich. Wie er zu sagen pflegte: „Ich kann nicht oft Musik hören, sie geht mir auf die Nerven, ich möchte niedlichen Unsinn reden und die Köpfe der Leute streicheln, die in einer schmutzigen Hölle leben und solche Schönheit schaffen können. Und heute kann man niemandem mehr den Kopf streicheln – er wird dir die Hand abbeißen und man muss ihm auf den Kopf schlagen, ihn gnadenlos verprügeln, obwohl wir im Idealfall gegen jede Gewalt gegen Menschen sind.“

Lenin spielte Schach, seit er ein Schuljunge war. Nicht nur das – er löste auch Schachaufgaben, spielte Fernschach per Post und traf die besten Schachspieler seiner Zeit. Dmitrij erinnerte sich, dass Lenin die Regel hatte, „keine Züge zurückzunehmen, er spielte ernsthaft und mochte keine ,leichtenʻ Spiele. Wenn er mit schwächeren Spielern spielte, gewährte Lenin dem Gegner einen Vorteil – eine Figur. Er erfreute sich an den guten Zügen des Gegners. Im Alter von fünfzehn Jahren schlug Wladimir bereits seinen Vater imSchach.“

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