Vom Kampf um Frauenrechte zu Blumen: Wie sich die Bedeutung des 8. März in der UdSSR änderte (FOTO)

Geschichte
RUSSIA BEYOND
Wie sich der Tag des Kampfes für die Rechte der Frauen in der UdSSR in einen Tag des Frühlings, der Blumen, der Geschenke und einen zusätzlichen freien Tag verwandelte.

Der 8. März wurde 1965 in der UdSSR zu einem offiziellen Feiertag erklärt, obwohl der Feiertag schon lange vorher eingeführt worden war. „Wenn zukünftige Historiker wissen wollen, wer die Russische Revolution ausgelöst hat, sollten sie keine verworrene Theorie aufstellen. Die Revolution wurde von hungrigen Frauen und Kindern begonnen, die nach Brot verlangten“, schrieb der Soziologe Pitirim Sorokin in seinen Tagebüchern über die Ereignisse von 1917 in Russland.

Es war der Streik der Arbeiterinnen in den Webereien von St. Petersburg am 23. Februar 1917, oder am 8. März nach dem gregorianischen Kalender (dem „neuen Stil“), der eine Woche später im Sturz der Monarchie gipfelte. Die Frauen zertrümmerten Straßenbahnen und zerstörten Geschäfte, um Arbeitsrechte und den Sturz des Monarchen zu fordern.

Dieser Aufstand war das Ereignis, aus dem der 8. März als Feiertag in der UdSSR hervorging. Eine Zeit lang wurde der Frauentag in verschiedenen Ländern von Jahr zu Jahr an unterschiedlichen Daten gefeiert, am 2., 9. oder 12. März, aber auch am 2. oder 12. Mai. Doch der 8. März kam von Russland aus in die internationale linke Bewegung. Die UdSSR rief diesen Tag 1921 zum ersten Mal zu einem Feiertag aus.

In den folgenden Jahren verlor der 8. März jedoch schnell seine Bedeutung als Tag des Protests gegen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen und wurde zu einem Tag, an dem die sowjetische Frau als harte Arbeiterin, Mutter und Kommunistin verherrlicht wurde. Frauen wurden als der Stolz des sowjetischen Systems und als Symbol für dessen Fortschrittlichkeit dargestellt. 

Der sowjetische Staat hatte in der Tat etwas, womit er sich rühmen konnte: Nach der Februarrevolution erhielten die Frauen das Wahlrecht. Das war ein Jahr früher als in Großbritannien und drei Jahre früher als in den Vereinigten Staaten. Die sowjetischen Frauen waren ein Vorbild für die britischen und amerikanischen Suffragetten. Doch die internationalen Verbindungen zwischen den Aktivistinnen brachen bald ab. Die Frauenfrage in der UdSSR wurde vom Staat entschieden, und zwar auf eine ganz besondere Art und Weise. 

Der 8. März wurde zu einem Tag der feierlichen Versammlungen in den Fabriken, an dem die Arbeiterinnen die Errungenschaften der Frauen in der Industrie priesen. In einer Zeitung in der Provinz Twer hieß es 1927: „Der 8. März ist ein Tag, an dem die Stärke von Millionen von Arbeiterinnen und Bäuerinnen gewürdigt wird. Mit anderen Worten: Die Frauen wurden ermutigt, an diesem Feiertag hart zu arbeiten. Die besten Arbeiterinnen wurden für das Übertreffen des Plans belohnt. Und Frauen sind immer noch die Einzigen, die die ganze Hausarbeit erledigen.“ 

Der Schwerpunkt verlagerte sich erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts, als, wie die Historikerin Natalia Koslowa schreibt, eine „Armee von Werktätigen und Wöchnerinnen" gebildet wurde. 1965 wurde der 8. März zum arbeitsfreien Tag erklärt, und der Feiertag selbst wurde nun zu Hause gefeiert. Das war ein Wendepunkt in der Wahrnehmung des Tages durch die Gesellschaft. 

Die Diskussion über die „herausragenden Leistungen“ der Frauen geriet schnell in den Hintergrund. Es wurde immer mehr Wert darauf gelegt, die Schönheit der Frauen und ihre Qualitäten wie die Fähigkeit, eine gute Hausfrau zu sein, zu preisen.

Anstelle von Treffen bei der Arbeit erhielten Frauen Glückwünsche von Männern – meist in Form einer Aufführung. Das wichtigste Geschenk waren Blumen, meist Mimosen. Nadjeschda Krupskaja, die Frau Wladimir Lenins, schlug angeblich vor, den Frauen am 8. März Mimosen zu schenken, weil sie sehr preiswert waren und von jedem Arbeiter gekauft werden konnten. Außerdem war es in Russland zu dieser Jahreszeit schwierig, andere Blumen zu finden. 

Zu Hause übernahmen die Männer an diesem Tag die Rolle der Hausfrau: Sie verschenkten am Morgen die Blumen und bereiteten dann Frühstück und Mittagessen für die ganze Familie zu (allerdings nur an diesem Tag). Alles, was eine Frau jetzt tun musste, war, keine Überstunden auf Arbeit zu leisten und sich ein Festtagskleid anzuziehen und zu entspannen. 

Auch die Kinder versuchten, ihren Müttern etwas Nettes zu tun: In Kindergärten und Schulen bereiteten sie am Vortag selbst gebastelte Karten und kleine Geschenke vor, und am 8. März deckten sie den Tisch oder backten Kuchen. 

In den Geschäften herrschte 3 – 4 Tage vor dem Feiertag großer Andrang: Die Männer suchten Geschenke aus (zusätzlich zu den Blumen) und es bildeten sich lange Schlangen vor den Läden. 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieb der Tag ein gesetzlicher Feiertag. Die Tradition, allen Frauen mit Blumen und anderen Geschenken zu gratulieren, blieb bestehen. An den Kampf für die Rechte der Frauen wird heutzutage nicht mehr erinnert.