Wie viele Duelle hat Alexander Puschkin bestritten?

Natalja Nosowa
In vielen Artikeln im Internet ist von 28 oder 29 Duellen des großen Dichters die Rede. Seriöse Forscher haben jedoch nur fünf gezählt.

Duelle waren ein fester Bestandteil in Puschkins Leben. Der Philologe Michail Selesnjow hat in der Biografie des Dichters 26 Duelle und Herausforderungen gezählt – und das sind nur die, an die sich die Quellen erinnern. Warum hat der Dichter so viel gekämpft?

Ein sehr junger Mann, dünn, von kleiner Statur, lockig, mit arabischem Profil, im Frack – so beschreibt der Schriftsteller Iwan Laschetschnikow den 20-jährigen Puschkin. Der Dichter erschien in einem Haus, in dem Laschetschnikow eine Wohnung mit Major Denisjewitsch teilte – mit letzterem hatte Puschkin einen Streit in einem der St. Petersburger Theater. Puschkin erschien nicht allein, sondern wurde von seinen Sekundanten, zwei Offizieren der Garde, begleitet.

Der Schauspieler Oleg Strischenow (links) als Bestuschew in dem Film

Puschkin zog zweifellos unfreundliche Blicke auf sich – im Theater benahm er sich als junger Zivilist herausfordernd, was eine entsprechende Reaktion beim Major hervorrief. Denisjewitsch dachte, er würde einfach einen arroganten Adeligen zurechtweisen, aber das war nicht der Fall. „Sie haben mir diese Standpauke gestern vor vielen Zuhörern gehalten; ich bin kein Schuljunge mehr, und ich bin gekommen, um mit Ihnen anders zu reden“, sagte Puschkin zum Major. „Ich kann nicht mit Ihnen streiten“, erwiderte Denisjewitsch, „Sie sind ein junger Mann, ein Unbekannter, und ich bin ein Stabsoffizier.“ Daraufhin lachten die beiden Gardisten, die Puschkin begleitet hatten. „Ich bin ein russischer Adliger, Puschkin: meine Kameraden werden das bestätigen, und deshalb werden Sie sich nicht schämen, es mit mir zu tun zu haben“, antwortete der Dichter.

Dieses Mal endete der Streit in einer Versöhnung – Laschetschnikow, der erkannte, wer vor ihm stand, überredete den Major, sich zu entschuldigen. Aus dieser Geschichte geht hervor, dass Puschkin die Verachtung, die ihm aufgrund seiner Jugend, seiner zivilen Kleidung und seiner kleinen Statur oft entgegenschlug, nicht ertrug und sich oft in Duellstreitigkeiten verwickelte. Wir erzählen von jenen, die tatsächlich in einem Duell endeten. Das erste fand etwa zur gleichen Zeit statt wie der Streit mit Denisjewitsch.

Duell mit Wilhelm Küchelbecker wegen eines Epigramms (1819)

Wilhelm Ludwig Küchelbecker, 1820er Jahre.

Puschkins Lyzeumsfreund Wilhelm Küchelbecker war ein sehr empfindlicher junger Mann und, wie sein Kommilitone Modest Korff schrieb, „Gegenstand des ständigen und unablässigen Spottes des ganzen Lyzeums“.

Der Puschkin-Forscher Pjotr Bartenjew erinnerte sich, dass Küchelbecker oft zu dem berühmten Dichter Wassilij Schukowskij ging und ihn mit seinen Gedichten belästigte. Einmal war Schukowskij zu einem literarischen Abend eingeladen, lehnte aber ab: „Ich hatte mir am Vortag den Magen verdorben, und außerdem kam Küchelbecker, also blieb ich zu Hause“, so der Dichter. Puschkin dichtete sofort das Epigramm:

Ich aß zu viel beim Abendbrot,
Und Jakow schloss versehentlich die Tür.
So war es, meine Freunde, mir
Gar küchelbeckerisch und übel!

(Jakow war der Name von Wassili Schukowskijs Zimmerdiener).

Das neue Wort küchelbeckerisch verbreitete sich sofort im ganzen Lyzeum. Wilhelm war wütend und forderte ein Duell. Puschkins Freund Nikolai Markjewitsch erinnerte sich: „Es war Winter. Küchelbecker schoss zuerst und verfehlte. Puschkin warf seine Pistole weg und wollte seinen Freund umarmen, aber der schrie wütend: Schieß, schieß! Puschkin konnte ihn kaum davon überzeugen, dass es unmöglich war, zu schießen, weil sich Schnee im Lauf angesammelt hatte. Das Duell wurde vertagt und später versöhnten sie sich“.

Duell mit einem Unbekannten (Rylejew) wegen eines Gerüchts von Fjodor Tolstoi (1819)

Fjodor Iwanowitsch Tolstoi, Porträt eines unbekannten Künstlers.

Im Januar 1819 verbreitete sich in Petersburg das Gerücht, Puschkin sei in der Geheimkanzlei des Innenministeriums wegen regierungsfeindlicher Gedichte ausgepeitscht worden. Das Gerede löste der berühmte Duellant und Randalierer Graf Fjodor Tolstoi aus. Ohne zu wissen, wer der Urheber des Gerüchts war, forderte Puschkin eine der Nachwelt unbekannte Person zum Duell heraus, die das Gerücht wiederholt hatte. Es wird angenommen, dass es sich um seinen Freund Kondratij Rylejew handelte. Darüber gibt es nur fragmentarische Aufzeichnungen: „Es gab Gerüchte, dass er in der Geheimkanzlei ausgepeitscht worden sei, aber das ist Unsinn. In St. Petersburg hat er sich deswegen duelliert“, schrieb Puschkins Freund Oberst Fjodor Luginin.

Kondrati Fjodorowitsch Rylejew.

Erst sieben Jahre später, im Jahr 1826, erfuhr Puschkin, wer der Urheber des Gerüchts war, und bereitete sich ernsthaft auf ein Duell vor – Fjodor Tolstoi war als ausgezeichneter Schütze bekannt. Glücklicherweise versöhnten sich die Gegner vor dem Duell. Tolstoi war es, der später im Namen Puschkins um die Hand dessen späterer Frau Natalia Gontscharowa anhielt.

Duell mit Oberst Semjon Starow wegen einer Mazurka (1822)   

Die Auseinandersetzung mit Starow war das ernsthafteste von Puschkins Duellen. Es fand am 5. und 6. Januar 1822 in Kischinjow (dem heutigen Chișinău) statt, wohin der Dichter „aus dienstlichen Gründen“ verbannt worden war – in Wirklichkeit als Strafe für seine Epigramme über den Zaren Alexander.

Anlass war eine Auseinandersetzung zwischen dem Dichter und einem jungen Offizier über die Bestellung von Musik für ein Orchester in dem Versammlungssaal, in dem sich der Adel von Kischinjow traf. Nachdem Puschkin eine Mazurka bestellt hatte, befahl der unbekannte Offizier dem Orchester, eine Quadrille zu spielen. Der Dichter lachte und befahl dem Orchester erneut, die Mazurka zu spielen. Nach dem Ende des Tanzes kam Starow, der Oberst des Regiments, zu dem der junge Offizier gehörte, auf Puschkin zu und sagte, er habe seinen Untergebenen beleidigt und verlange Satisfaktion. Das Gespräch endete mit einer Aufforderung zum Duell.

Pistolen des französischen Waffenschmieds Lepage.

Dieses fand am nächsten Morgen in der Nähe von Kischinjow statt. Wladimir Gortschakow, Puschkins Freund, erinnerte sich: „Als sie am Ort des Duells ankamen, hinderte ein Schneesturm mit starkem Wind sie am Zielen: Die Kontrahenten schossen jeweils und verfehlten beide; die Sekundanten schlugen vor, das Duell auf einen anderen Tag zu verschieben, aber die Kontrahenten verlangten mit derselben Gleichmut eine Wiederholung; es blieb nichts Anderes übrig und sie luden ihre Pistolen erneut – ein weiterer Schuss und wieder verfehlten beide. Das Duell wurde „auf ein anderes Mal“ vertagt, aber am nächsten Tag versöhnten sich die Gegner.

Duell mit einem der Brüder Subow wegen eines Kartenspiegels (1823)

Alexander und Kirill Subow entstammten einer der einflussreichsten Familien des Reiches – ihr Onkel Platon Subow war der letzte Günstling von Katharina der Großen, und ihr Vater war ein Komplize bei der Ermordung von Paul I. Im Sommer 1823 wurden beide Brüder im Rang eines Fähnrichs nach Kischinjow abkommandiert, wo sie mit Puschkin in Kontakt kamen. Der Streit ereignete sich am Kartentisch.

Pjotr Bartenjew schrieb: „Einmal spielte Puschkin zufällig mit einem der Brüder Subow, einem Offizier des Generalstabs. Er bemerkte, dass Subow mogelt, und nachdem er gegen ihn verloren hatte, begann er am Ende des Spiels sehr gleichgültig und lachend zu den anderen Spielern zu sagen, dass solche Spielschulden ja schließlich nicht bezahlt werden könnten. Die Worte machten die Runde, es folgte eine Erklärung und Subow forderte Puschkin zu einem Zweikampf heraus. Die Kontrahenten gingen zur sogenannten Malina (dt.: Himbeere), einem Weinberg außerhalb von Kischinjow. Puschkin war nicht leicht einzuschüchtern; er war von Natur aus mutig und versuchte, dieses Gefühl in sich zu kultivieren. Nach Aussagen vieler Menschen, darunter auch Wladimir Gortschakow, der sich zu dieser Zeit in Kischinjow aufhielt, kam Puschkin zu dem Duell mit Kirschen und aß sie, während er sich duellierte. Subow schoss zuerst, traf aber nicht. „Sind Sie zufrieden?“, fragte ihn Puschkin, als er an der Reihe war zu schießen. Anstatt einen Schuss zu verlangen, stürzte Subow mit einer Umarmung auf den Kontrahenten zu. „Das ist unnötig“, sagte Puschkin zu ihm und ging, ohne zu schießen, davon.

Diese Episode verarbeitete Puschkin einige Jahre später in seiner Erzählung Der Schuss: „Während er vor meiner Pistole stand, suchte er sich aus seiner Mütze die reifen Kirschen aus und spuckte die Steine vor sich hin, so dass sie mir fast vor die Füße flogen. Seine Gleichgültigkeit machte mich rasend.“

Duell mit Georges Dantes um die Ehre seiner Frau (1837)

Duell zwischen Puschkin und Dantes, Maler A. Naumow, 1884.

Puschkins letztes Duell, das für ihn tödlich endete, fand aufgrund von üblen Gerüchten statt. Diese wurden von Georges Dantes, einem russischen Offizier und Schwager Puschkins – Dantes war mit Katharina Gontscharowa, der älteren Schwester seiner Frau, verheiratet – über Puschkins Frau, Natalia, verbreitet. Trotz der Verwandtschaft der Kontrahenten fand das Duell statt. Es wird in einem separaten Artikel von uns ausführlich beschrieben.

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