Diese „Nazis“ arbeiteten während des Zweiten Weltkriegs für den sowjetischen Geheimdienst

Kira Lisitskaya (Photo: Getty Images; Archive photo; Архив И.М. Бондаренко)
Unter dem Vorwand, Hitler treu zu dienen, kämpften sie mit aller Kraft gegen sein Regime.

Willy Lehmann

Er war Mitglied der NSDAP und hatte eine der führenden Positionen in der Gestapo-Struktur inne. SS-Hauptsturmführer Willy Lehmann wurde für seine herausragenden Dienste häufig mit hohen Auszeichnungen (darunter ein signiertes Porträt des Führers) geehrt.
Er wurde von Kollegen als „gutmütiger Onkel“ bezeichnet und hatten dabei keine Ahnung, dass dieser Mann einer der effektivsten sowjetischen Spione in Deutschland war, der in Moskau unter dem Decknamen Breitenbach bekannt war.

Seine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion begann 1929, als er im Berliner Polizeidienst tätig war. Nach der Machtergreifung der Nazis setzte er sie fort.

„Ich bezweifle bis heute nicht, dass Breitenbach ausschließlich aus ideologischen Gründen gearbeitet hat“, vermutete der Geheimdienstler Boris Schurawljow: „Obwohl er seit Anfang der 20er Jahre bei der Polizei gearbeitet hatte, war er ein Anti-Nazi. Vielleicht sogar genau aus diesem Grund. Vor allem, weil er in der Gestapo von innen gesehen hat, wie verbrecherisch Hitlers Regime war und welches Unglück es über das deutsche Volk gebracht hat“.

Als Leiter der Gruppe Spionageabwehr innerhalb der deutschen Rüstungsindustrie im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), der Gestapo, warnte Lehmann Moskau vor den drohenden Verhaftungen sowjetischer Agenten, was die Rettung vieler von ihnen ermöglichte. Mit der Zeit erweiterte sich der Zuständigkeitsbereich Breitenbachs, und er konnte nicht nur Material über die Struktur und die Grundsätze der Geheimen Staatspolizei weitergeben, sondern auch Informationen über die deutsche Rüstungsindustrie und sogar über das streng geheime Raketenprogramm.

Im Dezember 1942 wurde Lehmann enttarnt und verhaftet. Nach Verhören, die von Gestapo-Chef Heinrich Müller persönlich geleitet wurden, wurde Breitenbach heimlich ermordet. Niemand wollte, dass dieser Peinlich Fall ans Licht kommt, und so wurde der Öffentlichkeit verkündet, er habe sein Leben für „Führer und Reich“ gegeben.

Harro Schulze-Boysen

Schulze-Boysen hatte alle Chancen, in Nazi-Deutschland Karriere zu machen. Er war der Großneffe des berühmten Admirals Alfred von Tirpitz und seine Frau Libertas war mit Hermann Göring, dem Chef der Luftwaffe und einem der Führer des Dritten Reiches, befreundet.

Göring persönlich verhalf Schulze-Boysen 1936 zu einer Stelle im Luftfahrtministerium, ohne dass die üblichen geheimdienstlichen Überprüfungen auf politische Unbedenklichkeit durchgeführt wurden. Harro hatte auf diesem Bereich große Probleme – schon als Student hatte er sich offen gegen Hitler gestellt.

Schulze-Boysen änderte seine Ansichten nicht, als er anfing, für die Nationalsozialisten zu arbeiten, sondern wurde verschwiegener. Es gelang ihm, eine Gruppe von Gleichgesinnten zu bilden, zu der auch seine Frau und Personen aus allen Schichten der deutschen Gesellschaft gehörten. Darunter befanden sich auch hochrangige Kollegen aus der Luftwaffe, wie Oberst Erwin Geerts.

Neben seiner Propaganda-Tätigkeit gegen die Nazi, arbeitete Schulze-Boysen auch für den sowjetischen Geheimdienst, zu dem er Mitte der 1930er Jahre Verbindungen aufgebaut hatte. Während des Spanischen Bürgerkriegs übermittelte der Agent Starschiná (dt.: Der Älteste) Pläne für deutsche Militäroperationen an Moskau und versorgte die UdSSR anschließend mit Informationen über den Zustand der Luftwaffe des Dritten Reichs. „Dieser Fanatiker war die treibende Kraft hinter der gesamten Spionageorganisation in Deutschland“, notierte der Leiter der vereinigten Geheimdienste von Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) und Abwehr im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), Walter Schellenberg, in seinen Memoiren.

Im Sommer/Herbst 1942 wurde die Schultze-Boysen-Gruppe von der Gestapo zerschlagen. Am 22. Dezember wurde Harro im Berliner Gefängnis Plötzensee gehängt. Eine Stunde später wurde seine Frau Libertas guillotiniert.

Arvid Harnack

Der Sohn eines Geschichtsprofessors war ein vielseitiger Mann. Er studierte an Universitäten in Deutschland, England und den USA und promovierte in Jura und Philosophie.

Da er kommunistische Ideale vertrat, arbeitete Harnack ab 1935 unter dem Decknamen Korsikánjez (dt.: Der Korse) aktiv für den sowjetischen Geheimdienst. Eine glänzende Karriere im Reichswirtschaftsministerium ermöglichte es ihm, Moskau regelmäßig mit Informationen über die deutschen Handelsbeziehungen mit Europa und Asien sowie über die Finanzierung von NS-Agenten im Ausland zu versorgen.

Darüber hinaus vermittelte Harnack den Moskauer Kuratoren Informationen über die Kriegsvorbereitungen der Deutschen gegen die Sowjetunion und ihre Pläne zur wirtschaftlichen Ausbeutung der sowjetischen Territorien. Dabei wurde er von den Mitgliedern seiner Gruppe, zu der Mitarbeiter großer deutscher Unternehmen und Wirtschaftsabteilungen der Bundeswehr gehörten, aktiv unterstützt.

Die Gruppen von Harnack und Schulze-Boysen arbeiteten eng zusammen und gingen unter dem Namen Rote Kapelle in die Geschichte ein. Mit diesem Namen bezeichnete die Gestapo alle Untergrundorganisationen des Widerstands in Europa, die sich in ihrem Kampf auf die Sowjetunion stützten.

„Geld spielte für sie keine wichtige Rolle“, stellte Schellenberg fest: „Sie kämpften nicht nur gegen den Nationalsozialismus, sondern hatten sich in ihrer Weltanschauung so weit von der Ideologie des Westens entfernt, die sie für hoffnungslos krank hielten, dass sie das Heil der Menschheit nur im Osten sahen.“

Der Korse teilte das bittere Schicksal des Ältesten. Seine Gruppe wurde enttarnt, und am 22. Dezember 1942 wurde er im Gefängnis Plötzensee gehängt. Harnacks Frau Mildred wurde am 16. Februar des folgenden Jahres enthauptet – Hitler hatte ihre sechsjährige Haftstrafe persönlich in die Todesstrafe umgewandelt.

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