1. Nikolai Loschakow
Nikolai Loschakow, Unterleutnant der Garde, war der erste sowjetische Pilot, der per Flugzeug aus deutscher Gefangenschaft entkam. In die Hände der Deutschen geriet er am 27. Mai 1943, als seine Jak-1 in einem Luftkampf bei Leningrad abgeschossen wurde.
Loschakow wurde zum Bau einer Autobahn in der Nähe des Flugplatzes bei der Stadt Ostrow in der Region Pskow geschickt. Zu diesem Zeitpunkt kam der Pilot auf die Idee, die waghalsige Flucht mit einem Flugzeug zu unternehmen.
Er hatte keinen Zugang zu den Maschinen, aber ein anderer Gefangener, der Panzerfeldwebel Iwan Denisjuk, der die Flugzeuge betankte, hatte ihn. Er erlernte die Grundbegriffe des Flieger-ABCs, prägte sich die Anordnung der Instrumente in deutschen Flugzeugen ein und erzählte Loschakow alles. Außerdem besorgte er ihm auch eine deutsche Pilotenuniform.
Am 10. August 1943 unternahmen die Gefangenen ihren ersten Fluchtversuch. Loschakow schlich sich auf das Flugfeld und in den Hangar, wurde aber von einem Wachmann mit einem Hund verscheucht. Am nächsten Tag hatten die Freunde mehr Glück: Die deutschen Piloten waren zum Mittagessen gegangen und hatten zwei leichte Fieseler Storch-Aufklärungsflugzeuge auf der Startbahn zurückgelassen.
Loschakow und Denisjuk krochen aus ihrem Versteck und machten sich auf den Weg zu einem der Flugzeuge. Zunächst schenkte niemand auf dem Flugplatz der startenden Maschine Beachtung, doch schon bald geriet sie unter Beschuss.
Nach 300 km Flug landete die Fieseler Storch auf sowjetischem Gebiet. Sie war von neun Einschüssen durchlöchert, der Pilot war verwundet.
Doch die Flüchtigen wurden nicht willkommen geheißen. Denisjuk wurde des Hochverrats angeklagt und bekannte sich unter Druck schuldig. Er wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt (1951 wurde er freigelassen). Loschakow hingegen plädierte auf nicht schuldig und wurde zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt. Im August 1945 wurde er vorzeitig entlassen, 14 Jahre später vollständig rehabilitiert.
2. Arkadij Kowjasin
Die Flucht von Arkadij Michailowitsch Kowjasin verlief ähnlich wie die von Loschakow. Er floh sogar in einem Flugzeug der gleichen Marke – einer Fieseler Storch.
Bei einem von Kowjasins Einsätzen Ende 1941 versagten die Triebwerke seines Langstreckenbombers DB-ZF und er war gezwungen, in der Nähe von Riga zu landen. Schon bald gerieten der Pilot, sein Navigator und sein Bordschütze in deutsche Gefangenschaft.
Für ihn begannen endlose Touren durch Kriegsgefangenenlager, bis er sich 1943 in der Nähe von Riga wiederfand. Dort traf er Wladimir Krupskij, einen Kriegsgefangenen, der als Heizer auf einem Militärflugplatz arbeitete.
Der Kommandant des Flugplatzes ernannte Kowjasin auf Wunsch von Krupskij, der das Vertrauen der Deutschen genoss, ebenso zum Heizer. Die Freunde konnten nicht umhin, die sich ihnen bietende Gelegenheit zu nutzen.
Am 4. Oktober 1943 stiegen sie in die Fieseler Storch und versuchten zu starten, was ihnen aber im Gegensatz zu Loschakow nicht sofort gelang. Die Deutschen ahnten, dass etwas nicht stimmte, und schickten einen Radfahrer zu dem Flugzeug, der sofort Alarm schlug. Die Flüchtenden hoben ab, bevor sie gestoppt werden konnten.
Kowjasin und Krupskij erreichten ihr eigenes Flugzeug und absolvierten erfolgreich die notwendigen Überprüfungen. Dem Piloten wurde jedoch kein Flugzeug mehr anvertraut und das Ende des Krieges verbrachte er in der Infanterie. Wladimir Krupskij kämpfte ebenso bei der Infanterie und fiel im April 1945 in Jugoslawien.
3. Michail Dewjatajew
Der Garde-Oberleutnant, Michail Dewjatajew, geriet im Juli 1944 in Gefangenschaft. Er weigerte sich, mit dem Feind zu kooperieren und unternahm sogar einen Fluchtversuch, der jedoch misslang.
Der Pilot wagte einen neuen Versuch und landete daraufhin in einem Lager auf der Insel Usedom. Der körperlich starke Dewjatajew wurde zur harten Arbeit auf dem nahe gelegenen geheimen Versuchsgelände Peenemünde eingeteilt, wo „Vergeltungswaffen“ des Dritten Reiches entwickelt wurde: der als V1 bekannte erste Marschflugkörper der Welt Fieseler Fi 103 und die weltweit erste funktionsfähige Großrakete mit Flüssigkeitstriebwerk Aggregat-4, die auch als V2 bezeichnet wird.
Der Pilot hätte als Häftling niemals so nahe an die auf dem Versuchsgelände befindlichen Flugzeuge herankommen dürfen, aber da er zuvor im Lager Sachsenhausen gewesen war, konnte sich Dewjatajew die Identität eines anderen Häftlings aneignen – des toten ehemaligen Lehrers Grigorij Nikitenko. Der Aufnäher mit der Häftlingsnummer wurde ihm heimlich vom Lagerfriseur übergeben.
Dewjatajew-Nikitenko fand schnell neun weitere Mitgefangene, die zur Flucht bereit waren. Die Gruppe hatte auch ein geeignetes Fluchtmittel gefunden – einen Heinkel He 111-Bomber. Der Pilot nutzte jede Gelegenheit, um sich dem Flugzeug zu nähern und, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bot, ins Innere zu gelangen und die Instrumententafel zu studieren.
Am 8. Februar 1945, als sich die Besatzung des Flugzeugs in der Mittagspause befand, schlichen sich zehn Häftlinge in die Heinkel und machten das Flugzeug, nachdem sie einen Wachmann getötet hatten, startbereit. Nach einigen Verzögerungen hoben sie beim zweiten Versuch endlich ab.
„[Das Bodenpersonal] des Flugplatzes war gleichgültig gegenüber dem Brummen unseres Flugzeugs. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Techniker, die Piloten, darauf reagierten. Sie genossen in aller Ruhe ihr Mittagessen... Deshalb hatte ich auch keine Angst, Vollgas zu geben und den Motor bei verschiedenen Drehzahlen zu testen. Ich fühlte mich zuversichtlich, ja sogar beschwingt. Niemand würde uns beim Start aufhalten, niemand würde den Start stören“, erinnerte sich Dewjatajew.
Der Feind wurde zu spät auf die Flucht aufmerksam und das Flakfeuer konnte die Heinkel nicht mehr erreichen. Nur eine Focke-Wulfholte den Bomber ein, konnte ihn aber auch nicht zerstören – das Jagdflugzeug war unvorbereitet gestartet und hatte einfach keine Munition an Bord.
Nach dem Durchbruch durch die sowjetische Luftabwehr landete Dewjatajew das Flugzeug in den eigenen Reihen. Die gesamte Besatzung wurde gründlich überprüft. Fast alle der Hilfspiloten kehrten bald an die Front zurück und fielen im Kampf.
Die Heinkel war vollgestopft mit geheimen Geräten zur Kommunikation, Steuerung und Beobachtung der V1-Raketenstarts. Außerdem gab der Pilot die Koordinaten der Abschussrampen auf der Insel an, die daraufhin durch einen starken Luftangriff getroffen werden konnten.
Trotzdem herrschte lange Zeit ein gewisses Misstrauen der Behörden gegenüber Dewjatajew. Erst 1957 wurde ihm der Titel Held der Sowjetunion verliehen.