Wie ein SS-Offizier zu einem der besten sowjetischen Spione wurde

Heinz Felfe im Interview anlässlich der Präsentation seiner Autobiographie in Ost-Berlin.

Heinz Felfe im Interview anlässlich der Präsentation seiner Autobiographie in Ost-Berlin.

Mehner/ullstein bild via Getty Images
Heinz Felfe ist es zu verdanken, dass der sowjetische Geheimdienst in Westdeutschland ein Jahrzehnt lang keine einzige größere Panne hatte.

Im Dienst von Hitler

Felfe trat 1931 als Jugendlicher den NSDAP bei. Nach einigen Jahren in der Hitlerjugend trat er in die SS ein.

„Wir in der SS fühlten uns als Elite der Nation, berufen, die grandiosen Ziele der Führungsrolle des deutschen Volkes, an die wir fest glaubten, zu verwirklichen. Wir konnten uns gar nicht anders fühlen“, begründete er damals.

Adolf Hitler mit der Hitlerjugend der NSDAP.

Harte Arbeit, Geduld, Organisationstalent und ein abgeschlossenes Jurastudium führten zu einer Karriere in der Abteilung VI (Auslandsnachrichtendienst) des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). 1943, im Alter von 25 Jahren, wurde er Leiter der für die Schweiz und Liechtenstein zuständigen Abteilung.

Am Vorabend des Zusammenbruchs des Dritten Reiches versuchte Obersturmführer Felfe, die Reihen der SS, die bereits fest mit Kriegsverbrechen in Verbindung gebracht wurde, zu verlassen und zur Wehrmacht zu wechseln, was ihm jedoch nicht gelang. Im Mai 1945 wurde er von den Briten gefangen genommen und verbrachte eineinhalb Jahre in einem Zuchthaus.

Heinz Felfe während des Zweiten Weltkriegs.

Im Dienste der Sowjetunion

Felfe wurde 1946 freigelassen, da seine Beteiligung an Morden nicht nachgewiesen werden konnte. Er hatte kurzzeitig mit dem britischen Geheimdienst MI6 zusammengearbeitet, um den kommunistischen Untergrund an der Universität Köln aufzudecken.

In den ersten Nachkriegsjahren setzte sich Felfe aktiv mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit und seiner Rolle darin auseinander und machte sich viele Gedanken über seinen zukünftigen Weg. In Westdeutschland lebend, besuchte er häufig die sowjetische Besatzungszone, darunter auch seine Heimatstadt Dresden, wo seine Mutter verblieben war.

„Als ich vor den Ruinen meiner Heimatstadt stand, empfand ich es als Symbol, dass anglo-amerikanische Bomber Dresden sinnlos zerstört hatten, während sowjetische Soldaten nach dem 8. Mai 1945 Lebensmittel an die Berliner auslieferten und verteilten“, schrieb er in seinen Memoiren. „Für mich war klar, dass ein neues, d.h. friedliches und demokratisches Deutschland nur in loyaler, freundschaftlicher Zusammenarbeit mit der Sowjetunion aufgebaut werden konnte, dass Deutschlands Zukunft nur im Osten lag und dass ich meinen Beitrag dazu leisten wollte.“

Zerstörtes Dresden.

So verwundert es nicht, dass Felfe, als er 1951 von den sowjetischen Sonderdiensten angesprochen wurde, zur Zusammenarbeit bereit war. „Ich war überrascht von dem großen Vertrauen, das die Sowjets in mich setzten“, erinnert sich Felfe. „Immerhin war ich Angehöriger der SS gewesen und hatte im NS-Geheimdienst gearbeitet. Als ich mich viel später danach erkundigte, sagte man mir: Warum bist du überrascht? Wir wussten von deinem früheren Leben. Und wir sahen, dass du und wir eine gemeinsame Basis finden würden.“

Ein wertvoller Agent

Felfe war zu dieser Zeit als Beamter des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Angelegenheiten mit Flüchtlingsfragen befasst. Auf Anweisung aus Moskau schloss er sich dem Nachrichtendienst an, der in Westdeutschland gegründet worden war: der OrganisationGehlen.

Der nach seinem Leiter, dem ehemaligen Wehrmachtsgeneralleutnant Reinhard Gehlen, benannte Dienst stand unter der Kontrolle der CIA und rekrutierte aktiv ehemalige Agenten des Dritten Reiches. „Die alten Kämpfer waren wieder gefragt“, so Felfe.

Heinz Felfe gibt ein Interview anlässlich der Präsentation seiner Autobiographie in Ost-Berlin. Felfe zeigt seinen deutschen Reisepass und seine Ausweise aus der UdSSR.

In Gehlens Organisation, die 1956 in den BND umgewandelt wurde, stieg Felfe schnell zum Leiter der Abteilung Spionageabwehr gegen die UdSSR und die sozialistischen Länder auf. In der Tat musste er gegen diejenigen kämpfen, für die er eigentlich arbeitete.

„Durch meine Spionageabwehr beim BND konnte ich den sowjetischen Geheimdienst mit Informationen über die Absichten des Dienstes versorgen“, erinnerte er sich. „Wir haben gefährliche Aktionen des BND rechtzeitig erkannt und ich habe von meiner Position aus aktive Gegenspionage betrieben.“

So erfuhr Moskau von der Installation von Abhörgeräten in der sowjetischen Handelsvertretung in Köln sowie von Versuchen, deren Mitarbeiter abzuwerben. Felfe warnte vor den bevorstehenden Verhaftungen sowjetischer Spione in Westdeutschland, so dass diese rechtzeitig fliehen konnten.

Darüber hinaus erhielt Felfe auch Informationen über die Aktivitäten der westdeutschen Regierung, ihre Außenpolitik und die Beziehungen zur NATO. „Die Dokumente, die der BND an [Konrad] Adenauer schickte, landeten oft in Moskau, bevor sie seinen Schreibtisch erreichten“, bemerkte der Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes Witalij Korotkow.

Das Scheitern

Durch Felfe und seine Agenten gelangte die Sowjetunion zwischen 1951 und 1961 in den Besitz von mehr als 15.000 Fotokopien geheimer Dokumente. Es konnten 94 westdeutsche Spione, die auf dem Gebiet des sozialistischen Lagers operierten, identifiziert werden.

Heinz Felfe auf dem Weg zum Gerichtsgebäude am 8. Juli 1963.

Während dieser gesamten zehn Jahre hatte der sowjetische Nachrichtendienst in der BRD keinen einzigen größeren Misserfolg zu verzeichnen, was letztlich den Verdacht der BND-Führung wecken musste. Gehlen ordnete die Bildung einer Sondergruppe innerhalb der Organisation an, deren Aufgabe es war, den Maulwurf zu enttarnen.

Am 6. November 1961 wurde Heinz Felfe verhaftet. Er verweigerte die Zusammenarbeit und wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt. Im Urteil hieß es: „Der Grad der Gefährdung durch seine Person war groß, und zwar vor allem wegen seiner wichtigen Dienststellung, seines hohen intellektuellen Niveaus und seiner Gewissenlosigkeit.“

Am 17. Februar 1969 wurde Felfe gegen einundzwanzig der Spionage verdächtigte DDR-Häftlinge ausgetauscht. Nachdem er eine Zeit lang für den KGB in Moskau gearbeitet hatte, ließ sich der Spion in Berlin nieder, wo er sich mit Forensik beschäftigte und seine Memoiren schrieb.

Die UdSSR verlieh Felfe den Rotbannerorden und den Orden des Roten Sterns. Am 18. März 2008, kurz vor seinem Tod, gratulierte der russische Föderale Sicherheitsdienst (FSB) dem Spion zu seinem 90. Geburtstag.

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