Nach der Landung im Rumpf des viermotorigen Bombers „Ilja Muromez-10“ wurden mehr als 70 Löcher und Spuren von Treffern, auch an den Motoren, gefunden. Die Besatzung schaffte es, die abgeschossene Maschine zu landen und überlebte einzig aus dem Grund, weil Marcel Pliat sie noch während des Fluges, unter dem Beschuss von Flakgeschützen und feindlichen Flugzeugen, auf der Tragfläche stehend, repariert hatte.
Dies ereignete sich im April 1916 an den Fronten des Ersten Weltkriegs, als die russische Luftfahrt den von den Deutschen besetzten und von feindlichen Flugabwehrkanonen geschützten Bahnhof Daudzeva in Lettland angriff. Wie Gennadij Katyschjew und Wadim Michejew schreiben, trafen die Deutschen die russischen Flugzeuge mit Orkanfeuer. Sobald der Doppeldecker die ersten Schäden erlitt, kletterte Marcel, der in der Besatzung die Stellung eines Junior-Motoristen innehatte, auf die Tragfläche, von wo aus er an die Motoren gelangte. Er sorgte schließlich dafür, dass sie zumindest für eine kurze Zeit weiterlaufen konnten. Doch dann wurde der Besatzungskommandant verletzt und das Flugzeug ging in den Sturzflug über.
Das Foto von Marcel Pliat aus der Zeitschrift „Ogonjok“
GemeinfreiDem Kopiloten gelang es, die Kontrolle zu übernehmen und das Flugzeug auf einen Kurs in Richtung Heimat zu steuern. Alle Besatzungsmitglieder gingen davon aus, dass Marcel beim Sturz von der Tragfläche umgekommen war. Doch dann kam er aus der Dachluke hervorgekrochen.
„Du hättest alleine zu Boden fliegen sollen!“, scherzte jemand. Es stellte sich heraus, dass Marcel sich vorausschauend mit einem Gurt an der Flügelstrebe festgebunden hatte und während des Sturzes tatsächlich in der Luft hing. Das Flugzeug konnte zum Heimatflugplatz gebracht werden, obwohl es einen defekten Flügel hatte, der nur durch die Auftriebskraft im Flug gehalten wurde. Bei der Landung brach die Ilja Muromez halb in sich zusammen.
„Marcel Pliat ist ein französischer Staatsbürger. Vor neun Jahren wurde seine Mutter von reichen Leuten als Kindermädchen nach Russland gebracht, und mit ihr ein kraushaariger und frecher Junge“, schrieb die Zeitschrift „Ogonjok“ 1916 über Marcel. „Das kalte Russland ist für den schwarzen Pliat zu einer zweiten Heimat geworden. Jetzt ist er mit einer Russin verheiratet und hat ein Kind. Als der Krieg ausbrach, hätte er als französischer Staatsbürger in die Armee von Joffre (Joseph Joffre (1852-1931), Marschall von Frankreich - Anm. d. Red.) zurückkehren müssen. Aber er blieb und schloss sich als Freiwilliger den russischen Streitkräften an, zunächst als Chauffeur, dann als Maschinist auf einem Luftschiff“, heißt es in der „Ogonjok“.
Der Prototyp des Flugzeugs „Ilja Muromez“ bei der Landung
GemeinfreiAus den Dokumenten geht hervor, dass Marcel Pliat 1890 in Paris geboren wurde - er war also kein „schwarzer Sklave“. Im Alter von 17 Jahren reiste er nach Russland, bereits gut Russisch sprechend. Die Biografie Marcels zeugt von einem zielstrebigen Arbeitsleben. Er arbeitete in Riga als Mechaniker in einer Autowerkstatt, und als die Russisch-Baltischen Waggonwerke 1915 nach Petrograd evakuiert wurden, begann er mit der Montage von Flugzeugmotoren und Flugzeugen. Im September 1915 wurde er als einer der besten Motorenmechaniker Motorist in die aktiven Luftwaffe. Ab Ende 1915 diente er auf dem Flugzeug „Ilja Muromez-10“, für das er mit zwei Georgskreuzen ausgezeichnet wurde. Die zweite Heldentat, für die er das Georgskreuz 3. Grades und die Beförderung zum leitenden Unteroffizier erhielt, wurde zu Beginn des Artikels beschrieben. Die erste Meisterleistung hatte einen Monat zuvor stattgefunden.
„Dafür, dass er am 26. März 1916 während des Fluges im Luftschiff „Ilja Muromez-10“, als der Schlauch zwischen Wasserpumpe und Wasserleitung durch die berstende Welle des Zählers durchtrennt wurde und das Wasser in einem breiten Strahl durch das Loch im Schlauch zu fließen begann, was den Motor zu zerstören drohte, das Loch mit seinen Händen abklemmte und den weiteren Wasserfluss stoppte, indem er 1 Stunde und 10 Minuten auf der Tragfläche saß, was die Rückkehr nach Hause und die Landung auf dem Flugplatz ermöglichte“, so stand es in der Urkunde zum Ordenszeichen.
Im November 1916 zeichnete sich Marcel Pliat während eines Kampfeinsatzes einer anderen „Ilja Muromez“ aus: als Maschinengewehrschütze. Er selbst bat um diesen gefährlichen und verantwortungsvollen Posten und übermittelte dann dem Flugzeugkonstrukteur Igor Sikorskij die Bitte, den Sitz des Maschinengewehrschützen klappbar zu machen, damit er das Schießen nicht behinderte. Sein Rat wurde bei späteren technischen Modifikationen berücksichtigt.
Marcel Pliat in der Uniform als ranghoher Unteroffizier der kaiserlich-russischen Armee, geschmückt mit seinen beiden Georgskreuzen, um 1916
GemeinfreiIm Herbst 1916 wurde Marcel zu einer Medienpersönlichkeit: „Funkelnde schwarze Augen, blitzende Zähne und die glänzende breite Nase eines Farbigen. Aber was ist mit der russischen Soldatenmütze auf dem Kopf, den Schienbeinschonern aus Segeltuch an den Beinen und dem so markanten „Zdrawija, zdrawija schelaim“? Jeder fragt ihn: „Wie bist du hierhergekommen?“ Marcel ist sehr redselig. Sein Russisch ist ausgezeichnet, aber er verschluckt die Endungen. Er stellt gerne Soldatenworte zur Schau, scharf wie Chilis“, beschreibt ihn nicht ohne Bewunderung der vorrevolutionäre Journalist der „Ogonjok“.
Marcel wurde nach der Revolution, Anfang 1918, aus der russischen Armee entlassen. Er kehrte zurück in seine Heimat, wo er seinen Dienst in den Reihen der französischen Armee fortsetzte. Nach dem Krieg lebte er weiterhin in Paris. Hier ging er seinem Hauptberuf nach - Automechaniker. Wir wissen nicht, was aus seiner Frau und seinem Kind geworden ist. Im Internet ist zu lesen, dass Pliat in Frankreich nicht heiratete und keine Kinder mehr hatte.
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