Fakt des Tages: Unter Stalin gab es in der UdSSR eine „Kannibaleninsel“

Kira Lisitskaja (Photo: Michail Krukowskij/Kunstkamera/russiainphoto.ru; Freepik.com)
„Überall auf der Insel konnte man sehen, wie Menschenfleisch zerrissen, zerstückelt und an Bäume gehängt wurde. Die Lichtungen waren mit Leichen übersät“, beschrieb eine Bewohnerin des sibirischen Dorfes Nasino die schreckliche Tragödie, deren Zeuge sie 1933 wurde.

Damals, im Mai, wurden mehr als sechstausend Menschen – Spekulanten, Landstreicher, Bettler, Prostituierte und andere „sozial schädliche und deklassierte Elemente“ – von Kähnen aus auf einer unbewohnten Insel im Fluss Ob in der Nähe des Dorfes angelandet.

Die Repressierten wurden in spezielle Arbeitssiedlungen im Osten geschickt und sollten dort für das Wohl des Staates arbeiten. Diese Siedlungen waren jedoch nicht auf einen solchen Zustrom von Menschen vorbereitet.

So strandeten die Menschen auf der Insel, wo sie unter der Kälte, Hunger und der Grausamkeit der Wächter zu leiden hatten. Die winzigen Essensrationen waren knapp bemessen, was zu einem umfassenden Kannibalismus führte. Die Menschen jagten, töteten und aßen andere Verbannte komplett auf.

Ein anderer Bewohner von Nasino erinnerte sich, wie eine Frau von der „Insel des Todes“ in ihr Dorf gebracht und ihr das Fleisch an den Waden abgeschnitten wurde: „Ihre Beine waren eiskalt und sie hatte sie in Lumpen eingewickelt. Sie bewegte sich selbstständig. Sie sah aus wie eine alte Frau, aber in Wirklichkeit war sie in den 40ern.“

Erst einen Monat später wurden die kranken, erschöpften Menschen von der Insel evakuiert. Sie starben jedoch weiterhin in den noch nicht fertiggestellten Baracken der Sondersiedlungen. Insgesamt überlebten nur etwas mehr als zwei von sechstausend Menschen die Reise.

Eine Sonderkommission fand auf der Insel 31 Massengräber mit jeweils 50-70 Leichen. Mehr als 80 Verbannte und Begleitposten wurden vor Gericht gestellt, 23 von ihnen wurden wegen „Plünderns und Tätlichkeiten“, elf Personen wegen Kannibalismus erschossen.

Die Öffentlichkeit erfuhr von der „Kannibaleninsel“ erst in den späten 1980er Jahren am Vorabend des Zusammenbruchs der Sowjetunion aus freigegebenen Dokumenten staatlicher Archive.

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