Neustart auf der Krim: Escape Games mit Daria

RBTH hat drei Downshifter getroffen: junge Russen, die für einen Neuanfang auf die Krim gezogen sind. Im zweiten Teil berichtet Daria Karsanowa-Iwanowa, wie sie gemeinsam mit ihrem Mann Alexander Abenteuer in sogenannten Quest Rooms auf die Halbinsel brachten.

Foto: Ruslan Korzhev

Das Ehepaar Daria Karsanowa-Iwanowa, 29 Jahre alt, und Alexander Iwanow, 28, stammt aus Uljanowsk. Vier Jahre haben die beiden in Moskau gelebt, bevor sie nach Sewastopol umgesiedelt sind. Die Krim kannten sie vorher nur als Urlaubsziel.

Daria erzählt: „Seit 2012 haben wir hin und wieder Urlaub in Sewastopol gemacht. Wir waren von Beginn an von der Krim begeistert und haben uns in die unberührte Natur verliebt. Anfang 2014 haben wir hier Silvester gefeiert. Damals entstand auch der Wunsch einen ganzen Sommer auf der Krim zu verbringen. Im Juli vor zwei Jahren war es dann soweit – und aus geplanten zwei Monaten wurden vier. 

Zwischenzeitlich heirateten wir und kehrten zurück in unsere Heimatstadt Uljanowsk, um unsere Papiere ändern zu lassen. Anfang letzten Jahres – wir hatten mittlerweile unsere gut bezahlten Marketing-Jobs gekündigt – haben wir uns gefragt, wie es weitergehen soll. Es zog uns schließlich zurück nach Sewastopol. Dort planten wir die Eröffnung eines Quest Rooms (einem realen Raum, in dem Besuchergruppen Aufgaben oder Rätsel lösen müssen, Anm. d. Red.). Das war damals schon in Russland eine sehr beliebte Freizeitaktivität.“

Sprung ins kalte Wasser

Foto: Ruslan Korzhev

„Wir hatten selbst noch keine Erfahrung mit dem Thema Quest Rooms oder Escape Games, wie es anderswo heißt. Also stürzten wir uns – nach einer Marktanalyse – einfach ins Abenteuer. Am 27. Februar 2015 war es, als wir den Sprung ins kalte Wasser gewagt haben. Die Finanzierung war zwar nur teilweise gesichert. Doch trotz aller Unsicherheiten haben wir uns unglaublich frei gefühlt.“

Viele von Darias und Alexanders Freunden reagierten zunächst mit Unverständnis auf die Pläne des Paares. In der Ukraine war der militärische Konflikt in vollem Gange und viele fürchteten eine Ausweitung des Krieges. Doch letztlich gaben Freunde und auch die Familie den beiden ihren Segen. Daria erinnert sich an die erste Zeit als Krim-Neubürgerin:

„Zuerst lag Spannung in der Luft. Wir waren besorgt über die Entwicklung während unserer halbjährigen Abwesenheit. Die Preise für Lebensmittel und Immobilien waren in die Höhe geschossen. Gemessen an den Löhnen waren die Preise fast höher als in Moskau. Doch gleichzeitig stellte sich nach unserem Umzug wieder das Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit ein. Außerdem herrscht hier einfach ein wunderbares Klima. Meer und Sonne liefern Energie.  

Auch beruflich läuft es. Zurzeit betreiben wir insgesamt fünf Projekte: unsere Quest Rooms ‚Atmosphäre‘ – derzeit unser wichtigstes Projekt –, das Kaffeehaus AtmoKafe und eine Marketingberatung. Mein Mann betreut zwei Projekte, unter anderem ist er als Personal Coach tätig.

‚Atmosphäre‘ ist ein wunderbares Projekt, das auch im internationalen Wettbewerb mithalten kann. Momentan eröffnen wir unseren dritten Raum. Für 2016 planen wir mindestens zwei weitere Spielräume. Zudem wollen wir ein Franchise-Konzept entwickeln. Vor Kurzem haben wir neue Partner und große Investoren gewinnen können, mit deren Unterstützung wir den russischen und globalen Markt erobern möchten.“ 

Ein schwieriger Anfang

Bild aus dem persönlichen Archiv. 

„Doch der Anfang war schwer. Wir kannten den Markt noch nicht und kannten auch sonst niemanden auf der Krim. Die Suche nach Partnern gestaltete sich schwierig, weil viele Unternehmen noch gar keine Internetpräsenz haben. Wir mussten uns also persönlich auf die Suche machen.

Beim Bau von Quest Rooms gab es Probleme mit der Lieferung von Baumaterial, denn die Fährverbindung durch die Meerenge von Kertsch, die die Halbinsel mit dem russischen Festland verbindet, war wegen schlechten Wetters ständig unterbrochen. Die Lkw stauten sich dort endlos. 

Die Brücke über die Straße von Kertsch soll das russische Festland mit der Halbinsel Krim verbinden. Derzeit kann man aus Russland entweder über die Ukraine auf die Krim gelangen oder über die Meerenge mittels einer Fähre. Die geplante Gesamtlänge der Brücke, die bis 2018 fertiggestellt sein soll, beträgt 19 Kilometer. Den Bauauftrag erhielt der russische Oligarch Arkadij Rotenberg. Der russische Staat fördert den Bau mit 288 Milliarden Rubel, rund 2,9 Milliarden Euro.

Wir haben auch nicht mit der typischen Gelassenheit der südländischen Bevölkerung gerechnet, uns ging hier vieles zunächst zu langsam. Gleichzeitig ist man hier sehr konservativ. Aber letztlich waren wir erfolgreich. Zwei Monate nach unserem Umzug konnten wir den ersten Quest Room eröffnen. Das ist für solche Projekte rekordverdächtig, sogar in Moskau.   

Kontakt haben wir vor allem zu Umsiedlern aus Moskau, Sankt Petersburg oder Donezk. Das sind wunderbare Menschen mit großen Plänen. In unserer Community sprießen ständig neue Ideen, alle sind mit etwas beschäftigt, möchten etwas auf die Beine stellen. Wir sind mit vielen Partnern eng befreundet. Sie wenden sich an uns, wenn sie Beratung brauchen und empfehlen uns weiter.“

Mehr Freiheit, mehr Spannung, mehr Wärme

Foto: Katja Chawanowa

Auf die Frage, ob sich der Neuanfang gelohnt hat, reagiert Daria Karsanowa-Iwanowa strahlend: „Wir sind glücklich mit unserem Umzug. Unser Leben und unsere Einstellung hat sich komplett verändert. Es ist spannender, freier und wärmer.

Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben sich auch positiv auf unsere Paarbeziehung ausgewirkt. Wir sind als Familie stärker. Wir wissen jetzt, was es bedeutet, einen Familienbetrieb zu führen. Das war uns vorher gar nicht bewusst. Wir möchten über unsere Erfahrungen schreiben. Dabei wollen wir unsere beiden Sichtweisen, als Mann und als Frau, auch unter dem Gesichtspunkt eines Geschäftspaares, in den Vordergrund stellen. 

Wir haben noch so viele Ideen und sehen hier so viel Potenzial. Das reicht noch für Jahrzehnte. Davon werden auch unsere Kinder noch etwas haben – wenn sie wollen.“

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