1. Wer eilt, wird ausgelacht
Поспешишь - людей насмешишь
Pospeschisch - ljudej nasmeschisch
Russen lieben zwar das schnelle Fahren, aber sich zu beeilen ist dann doch nicht Teil der russischen Kultur. Darum gelten hetzende Menschen – wenigstens außerhalb von Moskau – oft als lachhaft.
2. Sieben Mal messen, einmal schneiden
Семь раз отмерь, один раз отрежь
Sjem ras otmerj, odin ras otresch
Diese Weisheit appelliert an wohl überlegtes Handeln und ausreichendes Abwägen anstelle von emotional überschwänglichen Reaktionen: Denn oft gibt es real nur eine Chance. Aber: Wenn ein Kind diese Redewendung ständig hört, wird ihm oft der Mut genommen, Neues auszuprobieren. Also nutzen Sie diese Redewendung besser in Maßen.
3. Ein gesprochenes Wort ist kein Spatz; einmal ausgeflogen, fängst Du es nicht mehr ein
Слово - не воробей, вылетит - не поймаешь
Slowo - ne worobej, wyletit – ne poimajesch
Diese Redewendung war besonders zu Stalinzeiten relevant, al sein falsches Wort zu den falschen Menschen fatale Folgen haben konnte. Schon für einen Stalin-Witz, der den Nachbarn zu Ohren kam, konnte man verhaftet werden. Es ist also wenig überraschend, dass viele Russen zu jener Zeit sehr schweigsam wurden.
Mittlerweile ist auch die Kurzform üblich: Ein gesprochenes Wort ist kein Spatz.
4. Die Arbeit ist kein Wolf; sie rennt nicht in den Wald
Работа – не волк, в лес не убежит.
Rabota – ne wolk, w les ne ubeschit
Dieses Sprichwort illustriert die traditionell liebste Beschäftigung der Russen: das Nichtstun. Richtig berühmt wurde es durch die Sowjetkomödie „Operation Y und andere Abenteuer Schuriks“.
Kurz: Bleiben Sie ruhig! Zur Arbeit zurückkehren können Sie auch später noch!
5. Gib dem Spiegel nicht die Schuld für dein hässliches Gesicht
Нечего нa зеркало пенять, коль рожа крива
Netschego na zerkalo penjatj, kolj roscha kriwa
Dieses Sprichwort erinnert Sie daran, dass man niemals anderen die Schuld für die eigenen Fehler in die Schuhe schieben darf.
Der berühmte russische Autor Nikolaj Gogol verwendete diese Phrase im 19. Jahrhundert in seinem satirischen Stück „Der Inspektor“. Darin kontrolliert der Protagonist in einer Kleinstadt, wie Rathaus und Administration arbeiten. Dass sich darin wohl jeder gern von der eigenen Verantwortung lossagen will, ist dabei nur naheliegend.
6. Geh’ niemals mit Deinen eigenen Regeln in ein fremdes Kloster
В чужой монастырь со своим уставом не ходят
V tschuschoj monastyrj so swoim ustawom ne chodjat
Wer sich als orthodox Gläubiger in ein Kloster begibt, sagt sich an dessen Tor von all seinen bisherigen Lebensgewohnheiten los. Ähnlich war es im Mittelalter, wenn die Schwiegermutter ihre neue Schwiegertochter in Empfang nahm: Die Braut des Sohnes sollte kaum eine Chance erhalten, ihre eigenen Regeln aufzustellen.
Heute wird dieses Sprichwort oft benutzt, wenn am Arbeitsplatz ein neuer Mitarbeiter eingeführt wird. Manche konservativ gesinnte Menschen nutzen die Phrase außerdem als Argument oder Vorwand gegen die Aufnahme von Immigranten.
Auf Deutsch in etwa: Andere Länder, andere Sitten.
7. Ein alter Freund ist besser als zwei neue
Старый друг лучше новых двух
Staryj drug lutsche nowych dwuch
Freundschaft ist für Russen – für viele von ihnen bis heute – eine familienähnliche Verbindung, die ebenfalls. Und je länger man einander kennt, desto verantwortlicher fühlt man sich für den anderen. Enge Freundschaft braucht natürlich etwas Zeit. Dann aber ist auf den „alten Freund“ in jeder nur erdenklichen schweren Minute Verlass.
Eine ähnliche Weisheit besagt: Du brauchst keine 100 Rubel, wenn Du 100 Freunde hast.
8. Wer aushält, der verliebt sich
Стерпится, слюбится
Sterpitsja, sljubitsja
Im Deutschen würde man wohl sagen: „Mit der Zeit kommt auch die Liebe.“ Noch Ende des 19. Jahrhunderts wurden junge Leute oft gegen ihren ausdrücklichen Willen und ohne Schmetterlinge im Bauch verheiratet. Heute wird das Sprichwort oft im übertragenen Sinne benutzt: Die neue Arbeit gefällt nicht? Der neue kleine Hund fühlt sich noch nicht wohl? In all solchen Fällen kann die Liebe ja mit der Zeit noch entstehen.
Das Wort „sljubitsja“ ist übrigens eine archaische Form und heute ausschließlich in dieser Redewendung zu verwenden.