Gedanken von Tschechow, Dostojewski und Tolstoi, die heute noch aktuell sind

Alexander Kislow
Die Russen können keinen Tag leben, ohne sich an geflügelte Worte und Aphorismen dieser Schriftsteller zu erinnern. Wie niemand anders ahnten diese, wie wir im 21. Jahrhundert leben werden.

Anton Tschechow: Das Leben ist das Leben, etwas anderes ist nicht bekannt

Kurz vor seinem Tod schrieb Tschechow an seine Frau Olga Knipper: „Du fragst: Was ist das Leben? Genau so könnte man fragen: Was ist eine Möhre? Eine Möhre ist eine Möhre, und etwas anderes ist nicht bekannt.“

Anton Tschechow und seine Frau, Schauspielerin Olga Knipper-Tschechowa

Er stellte fest, dass zwischen dem Leben und der Lebenseinstellung eines Menschen kein Unterschied besteht. Und was, wenn es keine höhere Idee gibt, die die menschliche Existenz rechtfertigt?

Tschechow glaubte, dass „wenn es einen Sinn und Zweck im Leben gibt, dann liegen dieser Sinn und Zweck nicht in unserem Glück, sondern in etwas Vernünftigem und Großem.“

Der Autor argumentierte, dass eine Person glücklich sei, solange sie nichts von den Schwierigkeiten und Problemen anderer Menschen höre. Er beschwerte sich, dass hinter der Tür eines jeden glücklichen Menschen niemand mit einem Hammer steht, der mit seinem Klopfen daran erinnern würde. (Heutzutage kann dieser „Hammer“ Facebook sein, oder etwa nicht?)

Fjodor Dostojewski: Der Mensch ist nicht immer das, worüber er laut spricht

Der Held des Romans „Die Brüder Karamasow“ sagte: „Ein Mann ist zu breitgefächert, zu breitgefächert, ich würde ihn eingrenzen“. Er war erstaunt, wie selbst widersprüchliche Gedanken in einer einzigen Person Platz haben.

Ein Beispiel für solche Widersprüche ist im Roman „Dämonen“ zu finden. Stawrogin gibt im Gespräch mit Schatow zu, dass er Atheist ist. Schatow versucht, seinen Gegner der Lüge zu überführen. Er erinnert Stawrogin an dessen Worte von vor zwei Jahren, dass die Russen „Gotttesträger“ seien und dass „ein Atheist sofort aufhört, Russe zu sein“.

Maxim Matwejew als Stawrogin in der Verfilmung von

„Haben Sie mir nicht gesagt", schreit Schatow Stawrogin an, „wenn man Ihnen mathematisch bewiese, dass die Wahrheit außerhalb von Christus liegt, wären Sie bereit, bei Christus zu bleiben, anstatt bei der Wahrheit?“

Dieser Aussage über Christus findet sich übrigens in den Briefen Dostojewskis selbst.

Leo Tolstoi: Alles ist Eitelkeit, aber das Glück liegt im Einfachen

In seinen Romanen nimmt Tolstoi bewusst Abstand von der Gegenwart – alles Momentane sei sterblich und wertlos.

Im Mittelpunkt seiner Weltanschauung steht die Moral, und jede Entwicklung der Zivilisation, so Tolstoi, macht den Menschen nur noch schlimmer. Der Schriftsteller wollte seine Helden aus ihrem üblichen Kreis entfernen und in sie in einen natürlichen und einfachen Zustand zurückführen.

Der verwundete Andrej Bolkonsky in „Krieg und Frieden“ fällt und befindet sich in einem ungewohnten Zustand – auf dem Rücken am Boden liegend. Er schaut in den Himmel und ist überrascht: Wie hatte er diesen hohen Himmel vorher nicht gesehen? Und sogleich fragt er sich, warum sie gegen die Franzosen gekämpft haben, wofür war das alles? „Alles ist leer, alles Betrug, außer diesem endlosen Himmel.“

Wjatscheslaw Tichonow als Bolkonsky und Wladislaw Strschelnik als Napoleon in

In „Anna Karenina“, beschuldigt die Schwägerin der Protagonistin ihren Ehemann des Verrats und legt ihm den Beweis vor: eine Notiz. Aber den fremdgegangenen Ehemann quälte weniger die Tatsache selbst, sondern seine eigene Reaktion.

„Mit ihm passierte in diesem Moment das, was Menschen passiert, die unerwartet bei etwas Schmachvollem ertappt wurden: Er versäumte es, seine Miene auf die Situation vorzubereiten, in der er seiner Frau nach der Entdeckung seiner Schuld gegenüberstand. Anstatt beleidigt zu sein, zu verleugnen, Ausreden zu suchen, um Vergebung zu bitten, gleichgültig zu bleiben – alles wäre besser als seine Reaktion! – zeigte sein Gesicht völlig unwillkürlich ein vertrautes, freundliches und damit dummes Lächeln."

Bei  all den Konventionen und ständigen Veränderungen der Gesellschaft fragt uns Tolstoi: Und wo, wo ist die wirkliche Person?

Russia Beyond dankt Dmitri Baku und der Kultur-Plattform Live Talk (rus) für deren Hilfe bei der Vorbereitung des Materials.

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