Warum unterschätzt: Nicht viele Leute kennen Lermontow als Prosaautor.
Für wen geeignet: Für diejenigen, die gerne in die bittere Welt eines russischen Offiziers im Exil eintauchen wollen.
Für die meisten Leser ist Michail Lermontow vor allem als russischer Dichter bekannt. Nur wenige kennen seinen Roman „Ein Held unserer Zeit", der eine verworrenere und verdrehtere Handlung hat als die Filme von Quentin Tarantino.
Im Alter von 23 Jahren ging Lermontow zur Kaiserlichen Garde, doch nach drei Jahren wurde er wegen seines Gedichts „Tod des Dichters“ in den Kaukasus verbannt. Darin würdigt er Alexander Puschkin. Es enthält aber auch kritische Zeilen über den Zaren und die Regierung.
Kaum zurückgekehrt wurde er erneut in die Verbannung geschickt, weil er an einem Duell teilgenommen hatte. Lermontows Erfahrungen im Kaukasus lieferten den Stoff für den weitgehend autobiografischen Roman. Petschorin, der Protagonist des Romans, ist verbittert, zynisch und von trockenem Humor. Er ist einer der ersten Dandys der russischen Literatur. Sein tadelloses Benehmen und seine Tapferkeit machen ihn zu einem Vorzeigeadeligen, der den Tod nicht fürchtet und sich fernhält von den Spießbürgern um ihn herum.
Warum unterschätzt: Komplizierter, sperriger Schreibstil und düsterer Inhalt.
Für wen geeignet: Für diejenigen, die keine Angst vor echtem russischen Horror haben.
Michail Saltykow, dessen zweiter Name Schtschedrin sein Pseudonym ist, verkörperte alle Ängste und Pathologien seines Mutterlandes. Der talentierte Sprössling eines alten Adelsgeschlechts war ein Staatsmann und zugleich Verfasser von Kurzgeschichten. Nach der 1848er-Revolution in Frankreich wurde Saltykow in die Provinzstadt Wjatka versetzt, weil seine literarischen Werke als verstörend betrachtet wurden. In Wjatka erfuhr er russisches Leben in all seiner Grausamkeit und wurde zu seinem wichtigsten Barden.
Saltykows liebliche und betuliche Schreibweise dient als präzises Instrument, um blutrünstige Geschichten aufzubauen. In „Die Herren Golowljow“ erleben wir wie eine scheinbar glückliche Familie von Landbesitzern langsam ihr höllisches Wesen offenbart. Eine Frau, die ihren Mann durch Unterdrückung wahnsinnig macht und ständig Auseinandersetzungen mit ihrem ältesten Sohn hat, der wiederum seine eigenen Söhne in den Selbstmord treibt, weil er sich weigert, für ihre Schulden aufzukommen.
Warum unterschätzt: Er erhielt nie einen bedeutenden Literaturpreis und stand im Schatten anderer emigrierter Schriftsteller wie Bunin oder Nabokow.
Für wen geeignet: Für Liebhaber des Film Noir, von Albert Camus und dem Pariser Nachtleben.
Gaito Gasdanow war das Kind einer wohlhabenden ossetischen Familie. Er hat nicht lange in Russland gelebt. Mit 17 Jahren floh er vor der Revolution. Als er 1923 nach Paris zog, blieben ihm die Strapazen eines Einwanderers nicht erspart. Er arbeitete als Belader, reparierte Züge und war Metallarbeiter in einem Citroenwerk. Währenddessen studierte er an der Sorbonne Philologie. 1928 wurde er Taxifahrer und bekam dadurch viel Stoff für seine Prosa. Er fuhr bis 1952 Taxi.
Sein bemerkenswertester Roman, „Nächtliche Wege“ von 1941, fasst das Leben der russischen Emigranten viel besser zusammen als die Prosa von Bunin oder Nabokow. Diese beiden Schriftsteller waren in ihrem früheren Leben wohlhabend und geachtet und sahen das Leben in der Emigration als eine Art Elysium, einen Ort und eine Zeit, um an die verlorene Epoche des alten Russlands zu erinnern. Im Gegensatz dazu beschrieb Gasdanow das Einwandererleben aus der Perspektive eines armen Mannes. Verloren, desillusioniert und im Überlebenskampf, gewähren seine Figuren einen Einblick in das Leben, das die meisten Russen, die nach der Revolution geflohen sind, führen mussten. Erst ab den späten 1940er Jahren konnte Gasdanow von seiner literarischen Arbeit leben. Bis zu seinem Tod arbeitete er bei einem Radiosender und moderierte Sendungen über russische Literatur.
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