1 Kunstsammler
1908 besuchte Henri Matisse Picasso in dessen Atelier – und brachte einen russischen Käufer mit. Dieser wählte zwei Gemälde aus, darunter Königin Isabeau, und zahlte dafür großzügig. Für den Künstler, der damals in äußerster Armut lebte, war das Auftauchen Sergej Schtschukins die Rettung. Im Laufe von sechs Jahren kaufte der russische Textilmagnat und Mäzen mehr als 50 Werke der kubistischen, sowie der Rosa und der Blauen Periode Picassos, u.a. Die Absinthtrinkerin und Frau mit Fächer. Es war faktisch die weltweit größte Sammlung von Gemälden des Künstlers.
Interessiert an seiner Arbeit war auch ein anderer berühmter russischer Sammler: Iwan Morosow. Dieser kaufte zwei berühmte Gemälde: Mädchen auf der Kugel und Harlekin und seine Gefährtin. Nach der Revolution wurden die Sammlungen von Schtschukin und Morosow verstaatlicht und bildeten den Grundstock für das 1923 gegründete Museum für Neue Westliche Kunst in Moskau. Dieses bestand bis 1948, als die Sammlung zwischen dem Puschkin-Museum und der Eremitage aufgeteilt wurde.
2 Monographie
Die weltweit erste Monografie über den Künstler wurde bereits 1917 in Russland veröffentlicht. Der Dichter und Kritiker Iwan Aksjonow, Mitglied der futuristischen Vereinigung Zentrifuga, wollte in dem Buch Picasso und sein Umfeld, wie er sich ausdrückte, davor warnen, was man in den Werken des Spaniers nicht sehen und wie man es richtig betrachten sollte. Wahrscheinlich hatte Aksjonow kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Paris besucht und den Künstler kennengelernt oder erlangte seine Informationen bei der Avantgarde-Künstlerin Alexandra Exter (die übrigens den Umschlag seines Buches gestaltete) – diese lebte in Paris und war mit den Nuancen der dortigen Kunstszene gut vertraut.
3 Schüler
Die russischen Avantgardisten bewunderten das Werk Picassos, konnten ihn aber nur aus der Ferne bestaunen – der Spanier war eine nahezu unnahbare Person. Aber was bedeutet das Wort „Nein“, wenn es um Kunst geht?
Der Künstler Wladimir Tatlin ging 1914 nach Berlin – bei einer Ausstellung russischer Kunst spielte er in einem Bandura-Ensemble, aber das war nicht sein eigentliches Ziel. Tatlin träumte von Paris und von einem Treffen mit seinem Idol. Und es gelang ihm: laut der einen Version durch Vermittlung Marc Chagalls, laut einer anderen dank seines eigenen Unternehmergeistes: Tatlin, auffällig gekleidet, positionierte sich mit seiner Bandura unweit von Picassos Atelier. Der bemerkte den ungewöhnlichen jungen Mann und lud ihn ein, zu posieren. Als der Spanier den Raum verließ, begann Tatlin sogleich zu skizzieren, was er um sich herum sah. Doch dann kam der Hausherr zurück und warf das „Modell“ sofort raus. Eine dritte Version beschreibt das Geschehen wie folgt: Tatlin bewunderte Picasso so sehr, dass er sich bei ihrer ersten Begegnung sofort als Diener anbot – um das Geheimnis seines Genies entdecken zu können. Wie dem auch sei, er betrachtete Picasso als seinen Lehrer und konzentrierte sich nach seiner Rückkehr aus Paris auf so genannte Konterreliefs.
4 Ballett
Im Frühjahr 1917 feierte das Ballets Russes von Sergej Djagilew seine Premiere im Pariser Théâtre du Châtelet. Diesmal entschied sich der berühmte Impresario für eine Kombination aus Malerei, Ballett und Poesie – der Einakter Parade, der auf Gedichten von Jean Cocteau basiert, wurde vom Choreographen Leonid Mjasin und dem Komponisten Eric Satie geschaffen, während die Bühnenbilder, Kostüme und der Vorhang mit Zirkusmotiven von Pablo Picasso gestaltet wurden.
Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen: Statt Ballett-Tutus trugen die Tänzer sperrige Kostüme aus Pappmaché, Holz und Metall – so unbequem, dass die Bewegungen mechanisch und unbeholfen wirkten. Die Tänzer verwandelten sich in bewegte Fragmente einer Collage vor einem kubistischen Hintergrund. So betrat der Kubismus erstmals die Theaterbühne und die Parade selbst wurde zu einem der ersten Darstellungen des Surrealismus.
5 Der Komponist Strawinsky
Um die Kulissen und Kostüme für Parade vorzubereiten, reiste Picasso nach Rom, wo er Igor Strawinsky traf. Zwischen den beiden entwickelte sich eine Freundschaft, die sich auch auf der Bühne fortsetzte: Picasso schuf die Bühnenbilder für Strawinskys Ballett Pulcinella und zeichnete mehrere Porträts des Musikers. Der Komponist nahm eines davon mit in die Schweiz. An der Grenze wurde er gefragt, was das sei und man weigerte sich zu glauben, dass es sich um eine Bleistiftzeichnung des berühmten Künstlers handelte. Es habe eher nach einem Plan ausgesehen. Der Komponist stimmte zu, dass Picassos Werk nichts anderes als ein Plan seines Gesichts sei. Und so musste das Porträt per Diplomatenpost über die britische Botschaft geschickt werden.
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6 Ehefrau und Sohn
In Rom traf Pablo Picasso Olga Chochlowa, Ballerina der Ballettgruppe Djagilews.
Im Sommer 1918 heirateten Picasso und Chochlowa – in einer Zeremonie in der Pariser Russisch-orthodoxen Kathedrale, an der auch Gertrude Stein und Sergej Djagilew teilnahmen. 1921 wurde ihr Sohn Paulo geboren. 1935 trennten sich der Künstler und die Ballerina, obwohl die Scheidung aus finanziellen Gründen nicht offiziell vollzogen wurde.
7 Der Schriftsteller Ehrenburg
Mit dem Schriftsteller Ilja Ehrenburg war der Künstler seit 1914 befreundet. Die „zerstörerische Kraft“, die von Picassos Arbeiten ausging, begeisterten den Russen und der nannte den Spanier halb im Scherz einen „guten Teufel“. Eines Tages beschloss der Künstler, ein Porträt seines Freundes zu malen, aber kaum hatte dieser sich in einem Sessel niedergelassen, verkündete Picasso, dass alles fertig sei. Ehrenburg wunderte sich über die Geschwindigkeit, woraufhin Pablo lachte: Er kenne seinen Freund seit über vierzig Jahren und in all diesen Jahren habe er gelernt, Porträts zu zeichnen. Innerhalb von fünf Minuten.
8 Die erste Ausstellung der westlichen Avantgarde in der UdSSR
Ehrenburg war es, der den Künstler Picasso für die sowjetische Öffentlichkeit entdeckte und 1956 half, seine Ausstellungen im Puschkin-Museum und in der Eremitage zu organisieren. Sie leitete die Tauwetter-Periode nach der Stalin-Ära ein. Der Andrang war so groß, dass die Besucher die ganze Nacht in riesigen Schlangen anstanden. Das Publikum musste beruhigt werden: „Sie haben 25 Jahre auf diese Ausstellung gewartet, jetzt können Sie auch noch 25 Minuten warten“, beruhigte Ehrenburg das Publikum.
9 Porträt von Stalin
In der Sowjetunion wurde der Künstler „Genosse Pablo“ genannt – 1944 war er in die Kommunistische Partei Frankreichs eingetreten. Auf diese Weise äußerte Picasso seinen Protest gegen den Krieg und die Gräuel, die das Franco-Regime in seiner Heimat Spanien verübten. Als Josef Stalin 1953 starb, malte Picasso sein Porträt. Zur Empörung der Kommunisten stellte er den Generalsekretär als jungen Mann dar. Es kam zum Eklat: Französische Genossen waren über die untypische Darstellung empört. Und Louis Aragon, der Dichter und Chefredakteur der Literaturzeitschrift Les Lettres Francaises, in dem das Porträt veröffentlicht wurde, warf seinem Freund vor: „Stalin kann nicht erfunden werden“.
10 Lenin-Preis
1949 fand in Paris der Weltfriedenskongress statt. Picasso zeichnete für diesen ein Plakat mit einer Taube. Sehr bald „umflog“ sie den gesamten Planeten – ein markantes Symbol, das der Künstler noch viele Male verwendete. 1962 wurde er schließlich mit dem Internationalen Lenin-Friedenspreis ausgezeichnet. Ilja Ehrenburg überreicht Picasso die Auszeichnung in dessen Wohnort Mougins in Frankreich.