Russland und die Russen in den Romanen ausländischer Autoren

Kultur
ALEXANDRA GUSEWA
Das Land im Osten und seine rauen Bewohner zogen Schriftsteller aus der ganzen Welt an. Viele wollten ihre Figuren in Russland ansiedeln oder ihren Roman mit einer russischen Figur aufpeppen.

  1. Robinson Crusoe von Daniel Defoe, 1719

Die meisten Menschen kennen den ersten Teil der unglaublichen Geschichte von Robinson Crusoe, der Schiffbruch erlitt und auf einer einsamen Insel strandete, wo er 28 Jahre verbrachte.

Aber es gibt eine Fortsetzung der Geschichte – das zweite, weniger bekannte Buch heißt Die weiteren Abenteuer des Robinson Crusoe. In ihm begibt sich der bereits berühmte Held auf den Weg nach Asien und kehrt über Sibirien und das nordeuropäische Russland nach Hause zurück, wobei er am Ende der Reise von Archangelsk nach England segelt.

Die Handlung spielt im Jahr 1703. Defoe beschreibt Sibirien als einen wilden Ort und bezeichnet Russland als Land eines „barbarischen, machtlosen und schlecht regierten Sklavenvolks“. Robinson verbrachte acht Monate in Tobolsk, einer der wichtigsten sibirischen Städte dieser Zeit, die einen bleibenden Eindruck auf ihn hinterließ. „Der Frost war so hart, dass man nicht hinausgehen konnte, ohne sein Gesicht in einen Pelzmantel oder besser gesagt in einen Baschlýk, eine Fellmütze mit drei Öffnungen, zu hüllen: für die Augen und den Mund. Drei Monate lang waren die farblosen Tage nur fünf oder sechs Stunden lang, aber das Wetter war klar und der Schnee, der die ganze Erde bedeckte, war so weiß, dass die Nächte nie sehr dunkel waren.“

In Sibirien traf Crusoe jedoch nicht nur auf Barbaren, sondern auch auf anständige Menschen – verbannte Adlige, Soldaten, Herzöge und andere Mitglieder des Adels.

  1. Der Fechtmeister von Alexandre Dumas, 1840

Der vollständige Titel des Romans lautet im Original Mémoires d’un maître d’armes, ou dix huits mois à Saint-Pétersbourg – auf Deutsch: Notizen eines Fechtlehrers oder Achtzehn Monate in St. Petersburg. In der Geschichte erhält der Autor die Aufzeichnungen eines Fechtlehrers aus Russland. Es stellte sich heraus, dass viele seiner Schüler später Dekabristen wurden – Teilnehmer am Aufstand von 1825 in St. Petersburg. Die Rebellion wurde niedergeschlagen und die Dekabristen nach Sibirien verbannt.

Dumas greift den sehr romantischen Aspekt dieser Ereignisse auf und erzählt die Geschichte der „Dekabristenfrauen“, ein Begriff, der in Russland zu einem sprichwörtlichen Begriff geworden ist. Die Französin Louise folgt ihrem Verlobten, dem russischen Grafen Annenkow, nach Sibirien und ihr Fechtlehrer bietet sich als ihr Begleiter an. Louise hatte eine reale Vorlage – die Modistin Pauline Gueble, die persönlich an den Zaren appellierte, sie nach Sibirien gehen zu lassen, um den Dekabristen heiraten zu können. Ihre Geschichte hat Dumas zu seinem Roman inspiriert.

In diesem Roman beweist Dumas eine unglaubliche Kenntnis von St. Petersburg, indem er die Straßen und das Leben in der Stadt sowie den Aufstand selbst detailliert schildert.

Übrigens wurde der Roman von der zaristischen Zensur in Russland gerade wegen der Schilderung des „Dekabristenaufstands“ verboten. Nichtsdestotrotz konnten viele Menschen den Roman lesen. Die erste offizielle Veröffentlichung erfolgte erst zu Sowjetzeiten, im Jahr 1925.

  1. Michail Strogow von Jules Verne, 1876

Der Roman Michail Strogow ist auch unter dem Titel Der Kurier des Zaren bekannt. In Russland wurde er erst mit einer Verspätung von fast zwanzig Jahren herausgegeben.

Die Handlung des Romans ist, gelinde ausgedrückt, historisch nicht korrekt. Der Story zufolge bricht unter den „russisch unterworfenen Nomaden der Region Turkestan“ eine Rebellion aus, die ganz Sibirien zu erfassen droht. Der russische Zar schickt seinen vertrauten Gesandten Michail Strogow nach Irkutsk, um den dortigen Gouverneur vor dem drohenden Verrat zu warnen. Unterwegs erlebt Strogow allerlei Abenteuer, er wird sogar von den Rebellen gefangen genommen, aber der Held trifft auf wahre Freunde und gemeinsam überwinden sie tapfer alle Hindernisse.

Um die ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Frankreich nicht zu gefährden, zeigte Vernes Verleger das Manuskript übrigens dem in Frankreich lebenden russischen Schriftsteller Iwan Turgenjew. Auf der Grundlage von Turgenjews Kommentaren korrigierte Verne viele Details bezüglich des Aufstandes.

  1. Orlando von Virginia Woolf , 1928

Virginia Woolf liebte die russische Literatur und wurde von Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi und Iwan Turgenjew stark beeinflusst, von denen sie die literarischen Techniken und die Psychologie der Charakterbeschreibung lernte. Ihr satirischer Roman Orlando spielt in England, aber das Buch hat ein lebhaftes hervorstechendes Thema, in das Wolfe ihre Ideen über Russland, die russische Seele, die russische Kunst und Literatur einbrachte. Allerdings geht die Autorin recht frei mit den Realitäten und historischen Details um.

Im Großen Frost des Jahres 1607 trifft der Protagonist des Romans, Orlando, auf Sascha, die Tochter des russischen Gesandten, die anmutig auf der zugefrorenen Themse Schlittschuh läuft. Wolfe beschreibt, wie die Heldin in ein „lockeres Kamisol und eine Sirwal nach russischer Art“ gekleidet war und den Helden mit ihrem exotischen Aussehen beeindruckte. Im wirklichen Leben kleideten sich russische Mädchen nicht auf diese Weise; dieses Outfit erinnert an die Kostüme im Geiste von Djagilews Ballets Russes, das den märchenhaften „russischen Stil“ populär machte.

Wolfe beschreibt auch die russische Gesandtschaft, mit der Sascha zur Krönung Jakobs I. in London eintraf. „In ihren riesigen Bärten, unter ihren Pelzmützen, waren sie fast immer schweigsam, tranken eine dunkle Plörre und spuckten sie ab und zu auf das Eis.“

  1. Die Wohltäterinnen von Jonathan Littell, 2006

Littells Weltbestseller beschreibt die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ab dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg im Jahre 1941 bis zum Fall Berlins.

Der Protagonist der Erzählung ist der SS-Offizier Maximilian Aue, der in der UdSSR Strafaktionen durchführt. Er beschreibt die schrecklichen Ereignisse, die er miterlebt – von der Erschießung der Juden in Kiew bis zur Schlacht von Stalingrad.

Littell gibt die lebendigen russischen Charaktere mit unglaublicher Genauigkeit wieder: Kolchosfrauen, Muschiks mit Akkordeon. Es gibt auch mehrere Anspielungen auf die russische Literatur, und der Held selbst kann mit Petschorin, einer Figur aus Michail Lermontows Ein Held unserer Zeit, verglichen werden.

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