Rodtschenko strebte danach, mit Traditionen und Konventionen zu brechen. Sein experimenteller Ansatz in der Fotografie veränderte diese Kunstform vollkommen.
Alexander Rodtschenko mit seiner Frau Warwara Stepanowa.
TASSRodtschenko (1891-1956) wurde in einer Wohnung über einem St. Petersburger Theater geboren, wo sein Vater als Requisiteur arbeitete. Von frühester Kindheit an lebte der Junge in der Welt der Kunst. Wollte er die Wohnung am Newski-Prospekt verlassen, musste er durchs Theater gehen. 1904 zog die Familie in die Wolgastadt Kasan. Alexander studierte zunächst Zahntechnik, gab das Studium aber bald auf und schrieb sich 1910 an der Kasaner Kunstschule ein.
Im Jahr 1914 besuchten die aufstrebenden russischen Futuristen, die Dichter Wladimir Majakowski und David Burljuk, die Stadt. Rodtschenko besuchte eine ihrer Lesungen. Dies wurde zu einem Wendepunkt in seinem Leben, das er von nun an mit dem Futurismus verbinden wollte. Im selben Jahr lernte er seine zukünftige Frau und kreative Partnerin Warwara Stepanowa kennen.
Wladimir Majakowski
Alexander Rodchenko/Sputnik1923 lernte Rodtschenko Wladimir Majakowski kennen, den führenden Dichter der russischen Revolution. Sie betrieben eine Werbeagentur, die als „Reklam-Konstruktor“ bekannt war. Rodtschenko entwarf ansprechende Grafiken, während Majakowski eingängige Werbesprüche schrieb. Sie schufen etwa fünfzig Plakate, Hunderte von Ladenschildern, Bonbonpapier und Lebensmittelverpackungen.
Rodtschenko war einer der ersten, der das große Potenzial der Fotomontage erkannte. Er betrachtete sie als eine neue Kunstform und experimentierte mit dieser Technik, wann immer sich ihm die Möglichkeit bot.
Alexander Rodtschenko
Sputnik1924 erwarb Rodtschenko eine leichte 35-mm-Handkamera und begann, mit Blickwinkeln und Perspektiven zu experimentieren.
Rodtschenko nutzte die Fotografie, um die Parameter zu erweitern, wie und was er sah. Er hielt die Welt von oben, unten und von allen Seiten fest und forderte den Betrachter auf, das Unsichtbare zu erkennen. „Um den Menschen zu lehren, die Dinge aus neuen Blickwinkeln zu betrachten, müssen ihm vertraute Alltagsgegenstände aus völlig unerwarteten Perspektiven und in unerwarteten Situationen gezeigt werden. Neue Gegenstände sollten von verschiedenen Seiten dargestellt werden, um einen vollständigen Eindruck des Objekts zu vermitteln“, sagte der Künstler.
Rodtschenko bemühte sich, wie der sowjetische Dichter und Kritiker Ossip Brik einmal bemerkte, einen vertrauten Gegenstand in etwas zu verwandeln, „dass man scheinbar noch nie gesehen hat“. Er fotografierte sogar die Natur, als ob sie eine rein technische Sache wäre. Ein Baum verwandelte sich in einen Mast oder einen Fabrikschornstein, während eine Blume wie eine Antenne oder ein Propeller aussah.
Die größte Herausforderung bestand darin, den Blickwinkel des Menschen zu verändern und seinen Horizont zu erweitern. Bis 1928 hatte Rodtschenko mehr als zehn Essays geschrieben, in denen er seine fotografischen Prinzipien darlegte.
Lilja Brik.
Alexander Rodchenko/МАММ/МDFIn den späten 1920er Jahren wurde den sowjetischen Avantgarde-Künstlern Formalismus vorgeworfen, und Rodtschenko wurde das „Festhalten an den bürgerlichen Einflüssen“ französischer und deutscher Fotografen angelastet. Der Künstler war zutiefst verärgert über diese Anschuldigung: „Wie kann es sein, dass ich die Sowjetmacht von ganzem Herzen unterstütze und nach besten Kräften, mit Glauben und Liebe für sie arbeite, und plötzlich sind wir alle im Unrecht“, fragte er sich.
Die Sportparade auf dem Roten Platz in Moskau.
Alexander Rodchenko/МАММ/МDF1933 bot sich Rodtschenko die Gelegenheit, die Beziehungen zu den sowjetischen Behörden zu verbessern. Er wurde gebeten, eine Ausgabe des staatlichen Propagandamagazins mit dem Titel „Die UdSSR auf der Baustelle“ zu gestalten, die dem Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals gewidmet war. Rodtschenko schuf klare, starke Bilder und war wieder auf dem [staatlich genehmigten] Weg und wurde zu einem der Schöpfer der neuen „proletarischen“ Ästhetik. Seine Bilder von Sportparaden waren die Apotheose des sozialistischen Realismus. Doch Rodtschenkos fragile Beziehung zum Sowjetstaat endete 1937. Der Künstler erkannte das Regime nicht mehr voll an und seine Arbeit verschaffte ihm keine Befriedigung mehr. In den späten 1930er Jahren kehrte er zur Malerei zurück und fotografierte in den 1940er Jahren Zirkusartisten.
Nach dem Großen Vaterländischen Krieg schuf Rodtschenko nur noch sehr wenig. Der Politik in der Kunst überdrüssig, gestaltete er Bücher und Alben. 1951 wurde Rodtschenko aus der Union der Künstler ausgeschlossen. Erst vier Jahre später wurde er, vor allem dank der Bemühungen seiner Frau, wieder Mitglied. Aber zu diesem Zeitpunkt spielte das keine Rolle mehr.
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