Sinaida Gippius.
Public domainAls eine der ersten russischen Feministinnen versuchte Gippius den geschlechtsspezifischen Rahmen zu sprengen und Klischees über Frauen zu durchbrechen. Sie liebte es, das Publikum zu schockieren, indem sie in Männerkleidung auftrat, und konnte über sich selbst als Mann sprechen, vor allem wenn es um ihre Gedichte ging. Und manchmal trug sie absichtlich sehr feminine Kleidung.
Wie ihr Ehemann, der Schriftsteller Dmitrij Mereschkowskij, war sie Philosophin, trat für geistige Freiheit und freie Liebe ein und wurde zu einer der Ideologinnen und prägendsten Vertreterinnen des russischen Symbolismus in der Poesie. „Ich liebe mich selbst wie Gott“, schrieb sie skandalöserweise in ihren Gedichten, in denen sie sich für Individualismus engagierte.
Leon Bakst. Porträt von Sinaida Gippius, 1906
Tretyakov galleryIhre Wohnung im Murusi-Haus in St. Petersburg war ein Mekka für kreative Menschen in der Stadt. Nach der Revolution von 1917 emigrierten sie und ihr Ehemann und blieben in Paris eine Hochburg der russischen Kultur, die ihre Landsleute, die ihre Heimat verlassen hatten, zusammenbrachte. Gippius' dekadente Gedichte wurden in der Sowjetunion nicht veröffentlicht.
Marina Zwetajewa, 1925
Peter Shumov/Public domainZwetajewas Arbeit wurde weitgehend durch ihr Umfeld geprägt. Von ihrer Kindheit an war sie von Musik und Kunst umgeben: Ihr Vater war Kunsthistoriker und Gründer des Puschkin-Museums der Schönen Künste, ihre Mutter war eine Pianistin. Vielleicht sind Zwetajewas Gedichte deshalb so musikalisch und schöpferisches Wirken untrennbar mit ihrem Leben verbunden.
Marina Zwetajewa in Frankreich.
So wie ihre Biografie voller wahrhafter Tragödien ist, so sind ihre Gedichte nervöse, gebrochene Zeilen eines ständig herumirrenden und leidenden Menschen. Gleichzeitig sind sie von einer verblüffenden Offenheit ihrer Gefühle und Liebeserlebnisse durchdrungen. Zwetajewas Tochter starb während des Bürgerkriegs an Hunger. Nach ihrer Emigration kehrte Zwetajewa 1939 in die UdSSR zurück – just in die Wirren des Großen Terrors. Ihr Mann wurde verhaftet und ihre andere Tochter verbrachte 15 Jahre in einem Gulag und in der Verbannung. Zwetajewa selbst beging Selbstmord.
Das Gedicht Mir gefällt, das Sie sich nicht nach mir verzehren wurde vertont und wurde durch Eldar Rjasanows Kult-Komödie Die Ironie des Schicksals zu einem Hit in Russland.
Anna Achmatowa, 1922.
Moisei Nappelbaum/SputnikDer Name Zwetajewa ist untrennbar mit dem Namen Achmatowa verbunden. Die so unterschiedlichen Dichterinnen haben die poetische Sprache eines ganzen Jahrhunderts geprägt. Auch Achmatowas Frühwerk handelt von dramatischen Liebesgefühlen, aber ihre späteren Werke sind es eher gesellschaftlich geprägte Texte über das Schicksal von Volk und Land.
Nathan Altman. Porträt von Anna Achmatowa, 1914.
Russian MuseumAchmatowa überlebte die Repressionen gegen ihren Mann und die Verhaftung ihres Sohnes, die Belagerung von Leningrad und lange Jahre eines Druckverbots für ihre Gedichte. Das Schicksal vieler verzweifelter Frauen, die während der Jahre des Großen Terrors versuchten, etwas über den Verbleib ihrer Söhne und Ehemänner zu erfahren, spiegelt sich in Achmatowas berühmtestem Gedicht Requiem wider.
Ihr ungewöhnliches Profil mit der markanten Nase wurde zu ihrer Visitenkarte und ihre Porträts wurden von Kusma Petrow-Wodkin, Amadeo Modigliani, Nathan Altman und vielen anderen Künstlern der damaligen Zeit gemalt.
Jewgenija Ginzburg, 1967.
Alexander Less/TASSGinsburg wurde als Tochter einer jüdischen Familie in Moskau geboren, studierte an der Universität Kasan und arbeitete als Journalistin. Im Jahr 1937 wurde sie wegen der angeblichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verhaftet. Auch ihre Eltern wurden als „Vater und Mutter eines Volksfeindes“ festgenommen.
Nachdem sie zehn Jahre in Gefängnissen und Lagern verbracht hatte und danach fast genau so lange nicht in ihre Heimatstadt Moskau zurückkehren konnte, schrieb Ginsburg einen der ersten Berichte über die Grausamkeiten des sowjetischen Straf- und Repressionssystems. Ihr Roman Krutój marschrút (Der steile Weg, in Deutschland erschienen unter dem Titel Marschroute eines Lebens) beeindruckt durch seine Beschreibungen der Behandlung von Frauen im Gefängnis und der realen Geschichten, wofür Frauen während der Stalinzeit inhaftiert werden konnten (z. B. weil sie einfach ihre Nachbarn nicht denunzieren wollten).
Das Buch wurde erstmals 1967 in Mailand veröffentlicht. Erst in den späten Achtzigerjahren erschien das Buch in der sowjetischen Presse – nach dem Tod der Autorin. Allerdings erlebte ihr Sohn, der berühmten Schriftsteller Wassilij Aksjonow, die Veröffentlichung, wie Ginsburg gehofft hatte.
Nina Berberowa.
Armenian Museum of Moscow and Culture of NationsDiese Biografie, die sich über fast ein Jahrhundert erstreckt, ist geprägt durch viele unglaubliche Wendungen. Berberowa wurde in St. Petersburg geboren und wuchs dort auf. Einer ihrer Ehemänner war der bekannte Dichter des Silbernen Zeitalters Wladislaw Chodasewitsch. Nach der Revolution von 1917 verließ das Paar Russland und lebte lange Zeit in Paris, wo es im Zentrum des kulturellen Lebens der russischen Emigration stand. In einem Dorf in der Nähe der französischen Hauptstadt überlebte auch Nina die deutsche Besatzung.
Im Jahr 1950 beschloss Berberowa, in die Vereinigten Staaten zu gehen, obwohl sie kein Wort Englisch konnte. Sie lernte die Sprache jedoch schnell, begann einen Almanach über die russische Intelligenzija herauszugeben und unterrichtete russische Sprache und Literatur an mehreren amerikanischen Universitäten.
Nina Berberova und Wladislaw Chodasewitsch in Sorrent, 1924.
Berberowas wichtigstes literarisches Vermächtnis ist ihre Autobiografie Kursiw moj (Titel der englischen Übersetzung: The Italics are mine), eine Fundgrube von Dokumenten über ihre Epoche und Zeitgenossen. Darüber hinaus schrieb sie mehrere Romane und eine der ersten Biografien über Tschaikowski, in der sie erstmals offen über dessen Homosexualität sprach, sowie das Buch Schelésnaja schénstschina (Die eiserne Frau) über die Dreifachagentin der Geheimdienste der UdSSR, Deutschlands und Englands, Baronin Moura Budberg (eigentlich Maria Ignatjewna Sakrewskaja Benckendorff Budberg), die die Geliebte von Maxim Gorki und später von H. G. Wells war.
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