Alles rund um das Thema „Essen“: Wie russische Künstler es sehen (FOTOS)

Kultur
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Was kann uns ein Stillleben mit Brot über die Realität sagen? Warum ist der Hering zum Symbol der Sowjetära geworden? Und was ist gastronomische Propaganda? Wir zeigen die wichtigsten Beispiele, was das Thema „Essen“ in der russischen Kunst betrifft.

„Pilze, Fisch und Gemüse“ (1838), Iwan Chrutskij

Als Meister des Stilllebens und Akademiemitglied der Kaiserlichen Akademie der Künste wich Chrutskij nie von den künstlerischen Traditionen der alten europäischen Künstler ab und war in seiner Technik und seinem Stil so nah wie möglich am holländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts treu geblieben.

„Das Frühstück eines Aristokraten“ (1849-1850), Pawel Fedotow

Der Künstler selbst nannte das Bild „Kein Gast zur rechten Zeit“ und die Bedeutung dieses Satzes liegt in einem kleinen Detail – einem sehr dürftigen und schamhaft gedeckten Frühstück in Form eines Stücks Schwarzbrot. Dies steht im krassen Widerspruch zu dem aristokratischen Ruf, den der junge Mann so hartnäckig pflegte.

„Bojaren-Hochzeitsfest“ (1883) von Konstantin Makowski

Beim Festmahl zu Ehren der Hochzeit und der Vereinigung der beiden Bojarenfamilien – ein Ereignis von großer Bedeutung für die altrussische Elite – wird den Gästen ein gekochter Schwan überreicht, ein Symbol der Fruchtbarkeit und ein traditioneller Leckerbissen bei Bojarenhochzeiten.

„Stillleben“ (1911), Kasimir Malewitsch

In der Zeit seiner künstlerischen Suche versuchte sich der avantgardistische Maler Malewitsch am französischen Cloisonné-Stil, bei dem große Farbflächen von schwarzen, kräftigen Linien eingefasst werden.

„Beim Frühstück“ (1914), Sinaida Serebrjakowa

Serebrjakowa, eine der wenigen Frauen in der russischen Malerei, malte bewegende Porträts ihrer Kinder, von denen eines ein Familienfrühstück zeigt. Da sie aus einer kreativen Bohème-Dynastie stammte, behielt ihr Haus das europäische Ernährungsweise bei – morgens gab es ein leichtes kleines Frühstück und mittags ein zweites deftigeres.

„Fisch, Wein und Obst“ (1916), Konstantin Korowin

Als leidenschaftlicher Fischer wandte sich Korowin immer wieder dem Thema „Fischstillleben“ in der von ihm bevorzugten impressionistischen Manier zu. Diese Leinwand gehört nach ihrer Farbgebung zu den so genannten nächtlichen Stillleben von Korowin.

„Die Frau des Kaufmanns beim Teetrinken“ (1918), Boris Kustodiew

Mit dem Einzug der Bolschewiki gingen auch die Jahre der Kaufmannsschicht zu Ende. Kustodiew hat eine prächtige Dame mit weitgreifender Abstammung und umgeben von einem Samowar, schönem Geschirr und köstlichem Essen abgebildet – ein Bild von Russland, wie es nur noch in seinen Erinnerungen geblieben ist. In jenen Jahren, arm und bewegungsmäßig eingeschränkt aufgrund einer schweren Krankheit, schrieb der Künstler das Gegenteil von dem, was er so leidenschaftlich auf der Leinwand darstellte: „Wir leben hier arm, in Kälte und sind hungrig, jedoch reden alle nur von Essen und Brot...“.

„Hering“ (1918) von Kusma Petrow-Wodkin

„Wir hungerten mehr als genug den Sommer über. Man fühlt sich fast schon wie Vieh; denkt nhr noch an das Fressen.“ Diese Zeilen schrieb der Künstler im November 1918, fast gleichzeitig mit der Anfertigung eines Stilllebens, das die Ernährung des einfachen Volks zu Beginn der Sowjetzeit perfekt widerspiegelt – ein verdorrter Hering, ein Stück altes Brot und ein paar Kartoffeln.

„Sowjetisches Brot“ (1936), Ilja Maschkow

In den 1930er Jahren kehrt der Bildillusionismus zum Stillleben zurück. In einer Zeit, in der Millionen von Menschen in der Ukraine, im Kuban, im Wolgagebiet und in Kasachstan an Massenhunger starben, stellte das offiziell annerkannte Stillleben eine echte „Ernährungsutopie“ dar: Ähren aus Teig, Backwaren in allen Variationen und Formen, die die Fantasie anregten - und für viele existierte auch dies nur in ihrer Vorstellung.

„Kuchenstückchen“ (1919), David Sterenberg

Sterenbergs asketische Stillleben waren viel näher an der Realität dran, als man denkt. Sein winziges Kuchenstückchen auf einem unverhältnismäßig großen Teller war in den Jahren nach der Revolution ein absoluter Luxus.

„Die Konditorei“ (1937), Olga Janowskaja

Die beliebten sowjetischen Eclairs und Windbeutel galten als ein unverzichtbares Attribut eines Festes und so versuchte man, sie um jeden Preis zu bekommen. Janowskajas Darstellung von Konditorinnen mit beladenen Tabletts ist eine weitere gastronomische Utopie und vergleichsweise ein riesen Kontrast zu Sterenbergs „Kuchenstückchen“.

„A.N. Tolstoi besucht einen Künstler“ (1941), Pjotr Konchalowski

Der Schriftsteller Alexej Tolstoi war zu Gast bei Konchalowski, der ihn an einem üppigen russischen Festtisch malte: saftiger Schinken, dünne Blätter von rotem Fisch, gebackene Rebhühner, knackige Gurken, scharlachrote Tomaten, leuchtend gelbe saftige Zitronen und verschiedene Getränke. Ein großes Festmahl – niemand würde ablehnen, es zu teilen.

„Sowjetische Lebensmittelkonserven“ (1939), Boris Jakowlew

Ein weiteres Beispiel für ein sozialistisch-realistisches Stillleben sind sowjetische Lebensmittelkonserven. All diese Essiggurken, Marmeladen und Konfitüren erschienen den Zeitgenossen der späten 1930er Jahre wie ein üppig gedeckter Tisch, doch für den Betrachter des Gemäldes sollten sie Wohlstand und Sättigung des großen Landes suggerieren.  

„Stillleben mit Fisch und der Prawda-Zeitung“ (1968), Oskar Rabin

Das Werk des „inoffiziellen“ Künstlers und Vaters des russischen Nonkonformismus Oskar Rabin kann man als häuslichen Symbolismus bezeichnen: Seine Stillleben sind ständig mit Symbolen und Angelegenheiten aus der Sowjetzeit gefüllt – ein Hering, Wodka und das wichtigste Mittel der Propaganda: die Zeitung Prawda.