5 Bücher russischer Schriftstellerinnen, die Sie unbedingt lesen sollten

Kultur
ALEXANDRA GUSEWA
Worüber haben russische Autorinnen im Laufe der Jahrhunderte geschrieben?
  1. Nadjeschda Durowa. Sapiski kawalerist-dewizy, 1839 (Die Offizierin. Das ungewöhnliche Leben der Kavalleristin Nadeschda Durowa erzählt von ihr selbst)

Die einzige Vertreterin der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts auf unserer Liste, aber dafür eine herausragende. Nadjeschda Durowa war eine mutige Kavalleristin, die in der Armee diente und gegen das napoleonische Frankreich kämpfte. Sie zog es vor, Alexander Alexandrow genannt zu werden (und der Zar selbst erlaubte ihr, sich wie ein Mann zu kleiden und diesen Namen zu tragen).

In ihren „Tagebüchern“ schrieb Durowa über ihr Leben und die schreckliche, schmerzliche Situation, in der sich die Frauen ihrer Zeit befanden. Ihrer Wahrnehmung nach wurden diese im Wesentlichen dazu geboren, „in Sklaverei zu leben und zu sterben“. Sie berichtet von ihrem Entschluss, sich um jeden Preis „von dem Geschlecht zu trennen, von dem ich dachte, es stünde unter dem Fluch Gottes“. Sie beschreibt auch, wie sie dazu gebracht wurde, in die Armee einzutreten, und schildert die ersten Schlachten, an denen sie teilnahm.

„Die Kavalleristin“ wurde erstmals von Alexander Puschkin veröffentlicht. Er enthüllte die Persönlichkeit und das Geschlecht von Durowa enthüllte, die sie geheim gehalten. Dieses „Outing“ ohne ihre Erlaubnis machte Durowa wütend, aber Puschkin antwortete ihr: „Sei mutig und betrete das Feld der Literatur so beherzt wie das, das dich berühmt gemacht hat.“ (gemeint ist das Schlachtfeld - Anm. d. Red.)

  1. Jewgenija Ginsburg, Krutoj marschrut (Gratwanderung)

Während der Stalinschen Säuberungen im Jahr 1937 wurde Jewgenia Ginsburg verhaftet und verbrachte 10 Jahre im Gefängnis. In ihrem autobiografischen Roman beschreibt sie ihre Erfahrungen im sowjetischen Lager auf eine sehr harte und schockierende Weise. Sie schildert, wie grausam das System einen einfachen Menschen behandelte. Wie Anklagen erfunden wurden, wie Menschen (und sogar Frauen) bei Verhören geschlagen und gezwungen wurden, Verbrechen zu gestehen, die sie nicht begangen hatten.

Dieses 1967 geschriebene Buch wurde in der UdSSR erst 1988 veröffentlicht und zählte wie viele andere Werke, die die Schrecken des stalinistischen Regimes enthüllen, jahrelang zu der verbotenen Literatur. Die Autorin beschreibt ihr Buch als eine „Chronik des Zeitalters des Personenkults“.

Ein Film, der auf dem Buch „Gratwanderung“ basiert und in dem Emily Watson als Jewgenija Ginsburg die Hauptrolle spielt, kam 2009 in die Kinos (mit dem Titel: „Into The Whirlwind“). Seit 1989 - und bis heute - wird das Stück mit dem Titel „Krutoj marschrut“ am Sovremennik-Theater in Moskau aufgeführt.

  1. Lidija Ginsburg. Sapiski blokadnogo tschjelowjeka / Aufzeichnungen eines Blockademenschen (1942-62)

Lidija Ginsburg ist dem russischen Publikum als sowjetische Literaturwissenschaftlerin und Memoirenschreiberin bekannt, die große Köpfe der russischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts persönlich kannte. Sie erlebte sowohl das „Silberne Zeitalter“ der Petersburger Poesie, als auch die gesamte Belagerung Leningrads während des Zweiten Weltkriegs 1941-43 in der Stadt.

Ginsburg schildert die Kämpfe der Menschen, die ohne Nahrung, Heizung und Wasser auskommen mussten. Sie litten an Krankheiten und mussten die Härten ihres Leben alleine meistern, was aufgrund der unglaublich harten Winter besonders erschwert war.

Die Autorin würdigt die Menschen im belagerten Leningrad, die so lange wie möglich arbeiteten und versuchten, sich und ihre Familienangehörigen zu retten, wenn sie konnten. Ginsburg selbst verlor während der Belagerung ihre Mutter, die an Hunger starb. Ihre „Aufzeichnungen eines Blockademenschen“ wurden erst während der Perestroika in den späten 1980er Jahren veröffentlicht und brachten der bereits 82-jährigen Autorin einen späten Ruhm ein.

  1. Ljudmila Ulizkaja. Daniel Schtajn, perevodtschik (Daniel Stein) (2006)

Dieses Buch sprengt die Grenzen der russischen Literatur und erzählt eine fantastische Geschichte, die sich von Russland löst und zu absolut jeder Nation und Religion passt. Ulizkaja, die als eine der bedeutendsten zeitgenössischen russischen Autorinnen gilt, beschreibt das unglaubliche Leben eines polnischen Juden namens Daniel Stein, der anderen Juden bei der Flucht aus dem Ghetto hilft und dann selbst flieht.

Nach dem Krieg landet Daniel Stein in Israel. Dort dient er, obwohl er Jude ist, in einer katholischen Kirche und bietet anderen Menschen, die wie er in ihrer Gesellschaft fremd sind, Asyl und Unterstützung. Seine Weisheit und sein Einfluss sind so groß, dass er sogar einen Briefwechsel mit dem Papst führt.

Der Roman beruht auf einer wahren Geschichte des Shmuel Oswald Rufeisen alias Pater Daniel, den Ulizkaja interviewt und bewundert hat. Der Roman ist eine gekonnte Zusammenstellung von Briefen, Berichten, Abschriften und Tagebucheinträgen.

  1. Gusel Jachina. Sulejcha (2015) (Suleika öffnet die Augen)

Eine muslimische Frau aus einem kleinen tatarischen Dorf lebt in einem Alptraum der 1930er Jahre und ist dem Druck ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter ausgesetzt. Doch dann ändert sich ihr Schicksal dramatisch, als die sowjetischen Behörden ihren Mann töten und sie in ein Arbeitslager verbannen. Auf dem Weg zum Lager sinkt ihr Gefängnisboot in der Mitte des Angara-Flusses in Sibirien, und die überlebenden Häftlinge müssen in einem Wald leben.

Es gelingt ihnen, einen Einbaum zu bauen und die harten Bedingungen des sibirischen Winters zu überstehen. Suleika bringt den Sohn ihres Mannes zur Welt, und auf bizarre Weise entdeckt sie im bewachten Exil sich selbst als Person, findet neue Talente und fühlt sich freier als in ihrer Heimat.

Dieser Debütroman von Gusel Jachina wurde in Russland zum Bestseller und gewann zahlreiche Literaturpreise. Das Buch wurde in Dutzende von Sprachen übersetzt. Im Jahr 2020 kam eine auf dem Buch beruhende Serie ins russische Fernsehen.