Wie sieht die ethnografische Karte Russlands als Stickerei aus (FOTO)

Alexander Kryazhev/Sputnik
In einem der Provinzmuseen Russlands kann man die erstaunlichste Landkarte des Landes sehen. Auf ihr sind alle Regionen in Form einer für diesen Ort traditionellen Stickerei dargestellt. Können Sie erraten, wo welche Region liegt?

Städte, Berge und Wälder werden Sie auf dieser Karte Russlands nicht finden, und das nur, weil die verschiedenen Regionen hier mithilfe von Stickereien dargestellt sind. Irgendwo kann man die Umrisse von Landmarken erraten, die mit Stichen markiert sind, an einigen Stellen Wappen, an anderen ganze Völker, und irgendwo wunderliche Tiere und Vögel.

Der Teil der Wolga-Region.

Die gestickte Karte Russlands erschien 2022 und befindet sich im Tschuwaschischen Nationalmuseum in Tscheboksary. Diese Region an der Wolga in Russland wird oft als das Land der hunderttausend Stickereien bezeichnet – weil man nirgendwo sonst eine solche Fülle und Vielfalt an Mustern finden kann. Am 26. November wird hier sogar der Tag der tschuwaschischen Stickerei gefeiert.

Vom Kopfschmuck bis zur Landkarte

Alles habe mit einem bestickten Surpan, der Kopfbedeckung einer Frau, begonnen, berichtet Museumsdirektorin Irina Menschikowa. „Wir beschlossen, die Enden dieses sechs Meter langen Tuches mit Stickereien aus verschiedenen Regionen Tschuwaschiens zu verzieren und schickten Stoffstreifen an Kunsthandwerker, nähten alles zusammen und präsentierten es auf dem Festival im Jahr 2020. Dort wurden wir gefragt: Was werdet ihr nächstes Jahr zeigen? Also beschlossen wir, eine Landkarte von Tschuwaschien zu sticken.“

Neben der Karte präsentierten die Handwerker auch die gestickten Tafeln ihrer Regionen.

Eine Karte von Tschuwaschien wurde bereits 1937 von lokalen Handwerkern gestickt, aber das war eine geografische Karte – mit Wäldern, Siedlungen und Straßen. „Wir beschlossen, eine ethnografische Karte anzufertigen und schickten unseren Bezirken Stoffe in der erforderlichen Form und baten die Handwerker, sie im traditionellen Stil zu sticken, wie sie ihn sehen. Die wichtigste Bedingung war einfach, die Ränder nicht zu überschreiten und mit der Hand zu sticken.“

Das Museum erfuhr erst dann genau, welche Ideen Handwerkerinnen haben, als sie ihre Arbeiten einsandten. In einem Bezirk stickten sie antike Ornamente, in einem anderen in der Nähe lebende Völker, in einem dritten das mythische fliegende Pferd Urgamak und dessen Recken. Die präsentierte Karte begeisterte die Gäste des Stickerei-Tages so sehr, dass das Staatsoberhaupt der Republik vorschlug, bis zum Russlandtag am 12. Juni eine gestickte Karte des ganzen Landes anzufertigen. Das Tschuwaschische Nationalmuseum bereitete das Material in der gewünschten Größe und Form vor und schickte es an die Meister aller Regionen, die diese Initiative gerne unterstützten.

Karten aus den Jahren 1937 und 2021.

Drei Sonnen, der Baum des Lebens und Brillanten

Über 200 Handwerker arbeiteten sechs Monate lang an der Karte. Und als sie die fertigen Stücke eingeschickt hatten, stellte sich heraus, dass selbst die am weitesten voneinander entfernten Regionen in der Stickerei und in der Kultur im Allgemeinen weitgehend die gleichen Symbole verwenden.

„In Tschuwaschien zum Beispiel ist unser Hauptsymbol die Sonne“, erklärt Olga Kuschmanowa, Leiterin der Abteilung für kulturelle und pädagogische Aktivitäten des Museums. „Eine Legende besagt, dass früher drei Sonnen über dem tschuwaschischen Land schienen, aber eine von ihnen verwandelte sich schließlich in den Mond, und die andere spaltete sich in Stücke und wurde zu Sternen. Und genau die gleichen Sonnensymbole erschienen auf den Werken, die aus den Oblasten Smolensk, Penza und Samara eingesandt wurden.“

Tschukotka und die Region Tomsk auf der Karte.

Das Sonnensymbol auf den Karten von Inguschetien, Dagestan und der Provinz Astrachan ist anders: mit drei Strahlen. Und auf den Karten von Kamtschatka, Tschukotka, Magadan und Jamal besteht die Sonne aus Perlen mit Fäden. „Unsere alten Stickereien spiegeln das ganze Universum und das Leben des Volkes der Ewenen wider“, so beschreibt Galina Buschujewa, eine der lokalen Kunsthandwerkerinnen, die selbst Ewenen-Wurzeln hat, die Magadan-Stickerei.

Tschuwaschien auf der Karte.

Übrigens gibt es auch bei den indigenen Völkern des Fernen Ostens Legenden über drei Sonnen.

Ein weiteres gemeinsames Symbol vieler Völker ist der Baum des Lebens. Das vielleicht bemerkenswerteste Symbol befindet sich auf der gestickten Landkarte von Jakutien. Sie ist mit symbolischen Brillanten (und nicht nur) verziert. Und die Meisterinnen aus Baschkortostan haben auf ihren Baum Völker gestickt, die in verschiedenen Regionen der Republik leben. Im Osten Russlands, im Süden der Wolgaregion und im Ural kann man ähnliche Blumen und Zweige sehen. Obwohl die Regionen Tausende von Kilometern voneinander entfernt sind.

Dagestan auf der Karte.

In den Regionen Sibiriens sind auch verschiedene Tiere zu sehen. Am häufigsten sind natürlich Rentiere abgebildet, aber in Tschukotka und Kamtschatka kann man auch Eisbären bzw. Braunbären sehen. Und die Region Irkutsk wird auf dieser Karte durch das seltsame Tier Babr vertreten – der Legende nach war es ursprünglich ein Tiger, aber vor ein paar Jahrhunderten beging ein Heraldiker einen Fehler und zeichnete stattdessen einen Biber oder Marder, kurz gesagt, ein unverständliches, aber denkwürdiges Geschöpf.

Jakutien auf der Landkarte.

Goldstickerei und Spitze

Natürlich erkennt man auf der Karte sofort Moskau – die Meister entschieden sich dafür, den Kreml eingerahmt in einem Muster aus goldenen Fäden zu zeigen. Diese Technik wurde auch bei der Karte von Karelien verwendet, auf der Pomorskije Donza (ein Schmuckelement der dortigen Kopfbedeckung), gestickt wurden. Wologda zeigte seine Region in der Technik des Wologdaer Glases, eine Art Spitzenstickerei mit weißen Fäden auf weißem Grund. Orenburg übertrug die Muster seiner Schals auf die Landkarte.

Moskau auf der Karte.

Inspiriert von einer gestickten Landkarte Russlands stellen heute viele Regionen ihre eigenen gestickten Landkarten her – diese Sammlung wird das Museum in Tscheboksary im Sommer 2023 präsentieren.

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