Musik hinter dem "Eisernen Vorhang": Wie der legendäre sowjetische Polivox zum Kult-Synthi wurde

Nur wenige wissen, dass der weltweit erste Synthesizer in der Sowjetunion entwickelt wurde. Der Polivox-Synthesizer wurde für seinen rauen, schrägen Klang bekannt und erfreut sich noch heute in der internationalen Musikszene großer Beliebtheit.

Die Entstehungsgeschichte

Die Schaffung des Polivox-Synthesizers hatte wenig mit dem Konkurrenzkampf zwischen Ost und West zu tun. Während der Zeit des Kalten Krieges konnte man schlicht und ergreifend keine westlichen Synthesizer kaufen.

Die sowjetischen Produzenten mussten also lernen, wie sie ihre Klänge mit wenig Technologie und einem kleinen Budget nachmachen konnten. Ihr Ziel war es dabei, ein sowjetisches Pendant für das „Minimoog Model D“ zu schaffen, einen Monosynthesizer, der auch 40 Jahre später weltweit immer noch als Maßstab für einen Monosynthesizer gilt.

Wladimir Kuzmin

Der Polivox-Synthesizer war ursprünglich ein Duo-Phonic-Synthesizer, der von Ingenieur Wladimir Kuzmin in der Sowjetunion zwischen den Jahren 1982 und 1991 hergestellt wurde. Er benutzte mit dem „ungezähmten“ 12dB-Oktavfilter einen anderen technischen Ansatz als seine westlichen Vorbilder und wurde ohne den Einsatz eines einzigen Kondensators gebaut.  

Es ist unnötig zu erwähnen, dass der Klang des Polivox-Synthesizers zu wünschen übrig ließ. Genau genommen klang der Synthesizer wie ein billiger Klon. Wenige in der Sowjetunion ahnten, dass es später das Hauptverkaufsargument werden und einen eigenen Kult um den Synthesizer schaffen würde.

Die Situation des Polivox-Synthesizers wurde gegen Ende der 1980er Jahre zunehmend schwieriger, da die „Vanilla-Sonic-Perfektion“ zunehmend in den Vordergrund rückte. Digitale Synthesizer begannen, den Markt zu überschwemmen und das glockenartige Trillern der „Yamaha DX7“, die man vielleicht noch aus dem Stevie Wonders Alben kennt, eroberte die Welt im Sturm. Die Produktion der Polivox-Synthesizer wurde schließlich kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eingestellt.

Eine Rückkehr zum Ruhm

Erst in den 2000er Jahren erlangte der sowjetische Synthesizer auch außerhalb des Ostblocks breitere Bekanntheit. Die Leute waren auf der Suche nach unreinen, schmutzigen Tönen, die die fortgeschritteneren Synthesizer aus dem Westen nicht liefern konnten.

Da die Synthesizer außerhalb von Russland schwer zu finden waren, zeigten sich Ausländer oft bereit, einen verrückten Preis für sie zu zahlen, obwohl sie auf dem Gebrauchtmarkt in Russland nur etwa 320 Euro kosteten. Aufgrund der großen Nachfrage wurde kürzlich eine neue, abgespeckte Version in Zusammenarbeit mit dem ursprünglichen Hersteller angefertigt. Bereiten Sie sich jedoch darauf vor, mehrere tausend Euro für diese limitierte Edition zu zahlen.

Die Liste sowjetischer Projekte, die den groben Polivox-Sound verwendet haben, ist sehr lang und kann durch internationale Künstler aus der Techno-, bis Pop- und Rockmusik ergänzt werden. So ist bei Rammsteins und Marilyn Mansons Live-Version des Liedes „The Beautiful People“ während der ruhigeren Teile in der Mitte des Liedes im Hintergrund der Polivox-Synthesizer mit seinem unheimlichen, fast gequälten Heulen zu hören: 

Heute sind die limitierten Modelle vermutlich alle vergriffen und nur das Vintage-Modell verfügbar. Nicht alle dieser Modelle funktionieren reibungslos, doch eine Reparatur sollte für einen Fachmann in dem Bereich nicht unmöglich sein.

>>>Der Soundtrack zur „Russischen Seele“: 11 Lieder, die einfach alles erklären

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!