Ein Leben in Frost, Wildnis und Hitze: Wie „tickt“ der typische Sibirier?

Bären im Vorgarten, Wodka aus dem Wasserhahn und „echte Kerle“ beim Eisangeln – die Klischees über die Menschen, die in Sibirien leben, sind derbe und wenig schmeichelhaft. Russia Beyond hat sich umgehört und umgeschaut, wie die Sibirier wirklich leben.

Sibirien ist so groß, dass die meisten Russen selbst nicht wissen, wo es anfängt und aufhört. Sibirien ist größer als Kanada, das nach Russland zweitgrößte Land der Erde. Gleichzeitig aber gibt es in dieser scheinbar unwirtlichen Weite nur 19 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und drei Millionenstädte.

Das Verwaltungszentrum Sibiriens liegt in Nowosibirsk. Laut der Statistik von 2010 leben im ganzen Föderationskreis Sibirien nur 19,3 Millionen Menschen – das ist weniger als in Moskau und Sankt Petersburg zusammen. Die Einwohnerdichte beträgt 3,75 Personen pro Quadratkilometer – zum Vergleich: In Moskau beträgt sie 4880. Was den Sibirier also ganz sicher auszeichnet: Er hat viel Platz.

Wie sieht ein Sibirier aus?

Sibirien erstreckt sich über den nördlichen Teil Asiens und grenzt im Süden direkt an die Mongolei. Natürlich sind asiatische Gesichtszüge hier darum auch weit verbreitet. Gleichzeitig war Sibirien aber auch seit jeher ein Verbannungsort, wohin Verbrecher und unliebsame Personen aus Zentralrussland deportiert wurden. So kam es historisch dazu, dass sich die Anlagen mischten und unter einem „typischen Sibirier-Gesicht“ heute jeder etwas anderes versteht.

Sicher ist aber, dass alle Gesichter einen großen Teil des Jahres nur in Schal und Mütze gehüllt auf die Straße gehen können. Je nach Breitengrad dauert der Winter hier bis zu einem halben Jahr – und die Durchschnittstemperaturen liegen oft zwischen -20 und -40°C.

Womöglich liegt hierin auch die Ursache dafür, dass in Sibirien mehr Menschen als im allrussischen Durchschnitt (rus) unter Depressionen leiden. Sprechen tun sie darüber jedoch kaum: Der typische strenge sibirische Charakter verbietet überflüssiges Gequatsche. Eher gehen sie zur Tat über und klären ihre Probleme direkt. Sibirier gelten russlandweit als sehr aufrichtig – in jeder Hinsicht.

Was macht ein Sibirier im Alltag?

Aber auch frostigen Temperaturen schlagen Sibirier keine Wurzeln vor dem heimischen Fernseher. Sie gehen zum Eisangeln auf den nächstbesten See oder Fluss oder besuchen einander. Letzteres erschweren praktisch nur die Entfernungen. Außerhalb der Ballungsräume liegen zwischen einzelnen Siedlungen oft 250 bis 600 und mehr Kilometer. Alle Strecken unter 1000 Kilometer gelten darum praktisch als „um die Ecke“.

Viele Sibirier waren auch nie in ihrem Leben in Moskau. Dahin fliegt man vier bis sechs Stunden. In derselben Zeit ist man von Sibirien aus auch in China oder Thailand. Und die Inlandsflüge sind auch noch oft teurer als die ins Ausland. Ferien in Europa ist darum auch der große Traum vieler Sibirier – immerhin liegen Deutschland & Co. um die neun Flugstunden entfernt.

Was denkt ein Sibirier?

Warten Sibirier wirklich immer nur auf den Sommer? Praktisch, ja: „Selbst wenn wir am Jenissej-Strand liegen“, erzählt Alexej aus Krasnojarsk, „überlegen wir, wie wohl der nächste Winter wird. Wie tief wird der Fluss zufrieren? Vier oder fünf Tonnen Kohlen kaufen?“ Sibirier lieben den Frost eigentlich nicht, aber sind stolz auf ihr Durchhaltevermögen. Sie reden ständig über das harte Klima, aber ziehen doch nicht weg. Warum?

Weil es „ihr Land“ ist. Vor einigen Jahren bildete sich sogar eine kleine Bewegung der „Unabhängigen Staaten Sibiriens“ mit einer eigenen Flagge mit Tannenbäumchen aus der Taiga. Außerdem unterstützen viele Einwohner die Idee, dass doch bitte die Hauptstadt Russlands  ins geografische Zentrum des Landes umziehen sollte – also nach Sibirien. Zumal hier die wertvollen Ressourcen lagern – mit seinem Gas, Metallen, Wasser und Holz wäre Sibirien ja eigentlich auch der reichste Teil Russlands.

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