Russlands erstes Puppen-Bordell und die Grenzen des Journalismus

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JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Die Eröffnung des ersten russischen Bordells, wo Silikonpuppen als Gespielinnen angeboten werden, warf nicht nur moralische Zweifel an der Einrichtung als solche auf, sondern über Umwege auch Fragen zu den Grenzen des hiesigen Journalismus und der Journalisten als Privatpersonen.

Ein Drei-Sterne-Hotel im Moskauer Business-Bezirk Moscow City. Im Raum gibt es ein Bett, einen breiten Fernseher und einen großen Wandspiegel. Auf dem Bett liegt eine Brünette, Asiatin, Russin oder „Lolita“ mit übergroßen Brüsten: Sexpuppen von der spanischen Firma „Lumidolls“. Laut dem Personal alles super-hygienisch. Für eine Stunde in Russlands erstem Bordell mit Silikonpuppen zahlen Sie 5000 Rubel, umgerechnet etwa 75 Euro.

Eine ganz detaillierte Beschreibung des neuen Etablissements in Moskau hat das russische Online-Portal The Village veröffentlicht. Im Format „Selbstexperiment“. Dazu haben sie einen Journalisten – wenn auch anonym – losgeschickt. Redaktionelle Aufgabe: Sex mit einer Puppe.

Aber das Experiment ging schief. Der Test-Puppenfreier kam nicht, brauchte dazu noch Bilder seiner Ex-Freundin und beschrieb all seine Gedanken und Erinnerungen detailliert im Text. Am Tag nach der Veröffentlichung verflog so die Anonymität: Die beschriebene Ex-Freundin, die 22-jährige Journalistin Nina Abrosimowa, meldete sich per öffentlichem Facebook-Beitrag und ließ alle und alles auffliegen: „In der hiesigen Journalisten-Clique habe jeder den Autor und also auch sie erkannt, darunter die Redakteure des Portals. Und so ist auch solch ein anonymer Artikel ein Eingriff in meine Privatsphäre. (…) Nach einem Tag hat mich ein Viertel meiner Twitter-Kontakte diskutiert. Ich wollte, Du hättest diesen Text niemals geschrieben. Und so wie Du Dich entschieden hast, diesen Text zu schreiben, habe ich nun entschieden, allen zu sagen, dass es Dein Text ist.“

Der nun nicht mehr anonyme Autor, der 24-jährige Kirill Rukow, antwortete darauf dann auch öffentlich: Er habe mit seinem Text niemanden belästigen oder bloßstellen wollen. Das Bild der „Ex“ sei ein allgemeines Motiv ohne persönliche Verbindung gewesen.

Im russischsprachigen Internet liefen die Kommentarfunktionen heiß. Zur Diskussion stand plötzlich weniger das Puppen-Bordell an sich, denn die Privatsphäre von teils öffentlichen Personen, wie es Journalisten sind. Wo hört der Text auf, wo fängt das Leben – und damit auch die Rechte anderer – an?

Die Chefredakteurin von The Village, Tatjana Simakowa, schrieb zu der Geschichte in ihrem persönlichen Facebook-Profil (rus), dass der Artikel von Anfang an als anonyme Erzählung gedacht gewesen sei. Niemand in der Redaktion habe gewusst, was von dem Geschriebenen wahr und was „Bericht über die Fantasien eines masturbierenden Menschen“ gewesen sei. Man habe zeigen wollen, „wie wichtig Menschlichkeit auch beim Sex noch immer sei“. Leider ist diese Message aber nicht mehr ganz beim Publikum angekommen.

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