Wie Sie vielleicht gehört haben, fand in Russland vor Kurzem die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Das zog unter anderem nach sich, dass viele Flughäfen und Bahnhöfe überfüllt waren und es zu Reibereien kam.
So kam beispielsweise eine Frau zweieinhalb Stunden vor der Abflugzeit an einem Moskauer Flughafen an, verpasste aber trotzdem ihren Flug. Nun stellt sich die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt? Die Weltmeisterschaft? Die Unorganisiertheit der Frau? Nein, natürlich ist der Übeltäter laut der Frau in den sozialen Netzwerken „Aeroflot“ – die russische Fluggesellschaft, die sie nicht ins Flugzeug steigen ließ.
„Wir kamen 15 Minuten vor der Abfahrtszeit zum Gate. Das Flugzeug befand sich samt Aufstiegstreppe nur zehn Meter von uns entfernt. Das einzige, was uns also daran hinderte, es zu betreten, war die geschlossene Glastür und die Frau, die sie bewachte“, schrieb sie.
Unter anderen Umständen hätte sie meine Sympathie. Aber wenn ich mir ihre Geschichte durchlese, erweckt sie den Eindruck, als wäre die Frau an ihrer Situation selber schuld. In den Kommentaren unter ihrer Post macht sie deutlich, nicht gelesen zu haben, dass das Boarding 20 Minuten vor Abflug endet. Auf jeder Bordkarte gibt es jedoch eine klare Information darüber, die vor allem mit den Sicherheitsbestimmungen und nicht mit der schlechten Laune der Sicherheitsbeamtin zusammenhängt.
Doch in einer neuen Welt, in der Welt der mobilen Kommunikation und der sozialen Netzwerke, der Spracheingaben und der digitalen Nomaden braucht man diese blöden, auf Flugtickets gedruckten Regeln der Airlines nicht, sondern sollte zehn Minuten vor Abflug einfach durchgelassen werden.
Dieses Beispiel ist nur eine Beschwerde von vielen, in denen Kunden ihrem Frust in den sozialen Netzwerken Luft machen, nachdem sie ihren Flug verpasst beziehungsweise plötzlich erfahren haben, dass die Fluggesellschaft eine zusätzliche Gebühr für die Sitzplatzwahl verlangt, oder gebeten wurden, für ihr Zusatzgepäck zu bezahlen.
Dann gibt es noch jene, die ihrer eigenen Wut unter dem erwähnten Post Ausdruck verleihen und sich über Flugzeugverspätungen in Russland ärgern, die aufgrund von sich verspätenden Gouverneuren zustande kamen. Unerwähnt bleibt dabei jedoch, dass diese zwei Fälle in den vergangenen sieben Jahren zu einer öffentlichen Empörung in Russland geführt haben. Davon abgesehen, ist nicht die Absicht hinter der Beschwerde ersichtlich: Sollen die Fluggesellschaften nun aufgrund dieser Vorfälle auf jeden sich verspätenden Passagier warten?
Das Ignorieren der Regeln ist ebenfalls keine Entschuldigung. Dura lex, sed lex. Es ist der Reisende, der die Verantwortung dafür trägt, die AGBs nicht gelesen zu haben. Sich in sozialen Netzwerken über die Vorfälle zu beschweren, wird dieses Problem daher auch nicht lösen.
„Der Kunde hat immer recht“ – aber nur so lange, bis seine Wünsche nicht mit denen anderer Kunden kollidieren. Die Regeln der Fluggesellschaften sind schließlich nicht dazu da, um den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern um möglichst vielen Menschen Flugreisen zu ermöglichen: Zum Beispiel mit der Einführung günstiger Tarife ohne Gepäck.
Erstaunlicherweise lassen sich diese Regeln sogar auf der Website der Fluggesellschaft nachlesen, auch wenn es langweilig erscheinen mag, sie – wie andere Verträge auch – vor der Zustimmung einmal zu lesen.
Die Meinung des Autors spiegelt nicht immer die Meinung von Russia Beyond wider ... aber manchmal tut sie es doch.
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