Allein im ganzen Dorf: Wie lebt die 70-jährige Ljuska?

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ALEXANDRA GUSEWA
Die Fotografin Olga Kusnezowa hielt mit ihrer Kamera das Leben und den Alltag einer Rentnerin in der tiefen russischen Provinz fest.

Einmal pro Woche fährt ein Zug von Moskau zu einer entfernten Bahnstation in der Region Pskow. Von dort aus sind es bis Tolokownikowo* noch 25 km. Und in diesem Dorf lebt die 70-jährige Ljudmila Wjatscheslawowna oder einfach nur Ljuska ganz allein.

Sie steht täglich um 4 Uhr morgens auf, bringt Wasser und Feuerholz ins Haus, heizt den Herd und kocht dann gleich das Essen auf dem Herd (es gibt kein Gas im Dorf und die Stromleitung ist schon lange unterbrochen). Ihre Tochter und ihr Enkel wohnen in der Stadt und besuchen sie ein paar Mal im Monat. Ljuska hilft ihnen mit frischem Obst und Gemüse im Sommer, Kartoffeln und eingelegten Gurken im Winter. Die Pensionärin sträubt sich, ihr Haus und das über hundert Jahre alte Dorf zu verlassen.

Im Frühling reisen die Nachbarn (Julia mit ihrem Mann und Rita mit ihrem Sohn), die hier ein Sommerhäuschen haben, an und leben dann bis zum Herbst im Dorf. Einestages im Sommer bekam Rita Besuch von ihrer Schulfreundin, der Fotografin Olga Kusnezowa. Jeden Tag besuchten sie die ungewöhnliche Nachbarin, halfen ihr beim Heuwenden und sammelten Brennholz für den Winter. Nebenbei hielt die Fotografin das Leben der Einsiedlerin mit ihrer Kamera fest.

Als sie nach Moskau zurückkehrte, wurde Olga klar, dass sie im Winter Ljuska erneut besuchen müsse. So feierten sie zusammen das Neujahr und lebten vier Tage zusammen: Ljuska in ihrer gewohnten Umgebung und die Moskauer Fotografin mit Plumpsklo auf der Straße, ohne Dusche und fließendes Wasser.

„Sie verfügt über eine erstaunliche Charakterstärke und ist sehr resolut, sie kommt mit allem ganz allein zurecht“, sagt die Fotografin.

Ljuska hat immer viel zu tun. Im Sommer mäht sie Gras, hackt Holz, heizt den Herd und den Ofen im Bad, jätet Unkraut und repariert, was kaputt gegangen ist. Im Garten wächst fast alles, was sie zum Essen benötigt. Im Sommer kommt die „Awtolawka“, ein Laden auf Rädern, ins Dorf, im Nachbardorf tauscht sie ihr Heu gegen Ziegenmilch ein.

Wenn die Frau im Winter etwas benötigt, ruft sie im Nachbardorf an, wo es einen Laden gibt, und die Bestellung wird ihr gebracht - der Lieferservice kostet sie 300 Rubel. In ihrer Freizeit näht Ljuska auf ihrer Nähmaschine - sie ist darin eine echte Meisterin. Kleidung ist für sie sehr wichtig und sie kauft deshalb nichts von der Stange.

„Dies ist nicht die Geschichte einer einsamen und verlassenen Rentnerin. Für das Leben im Dorf hat sich Ljuska freiwillig entschieden“, sagt Olga.

Wenn sich Ljudmila Wjatscheslawowna unwohl fühlt, weiß sie, was zu tun ist. Sie weiß, wie man eine Spritze setzt. Ljuska lebte 20 Jahre in Leningrad und arbeitete als Krankenschwester. Als bei ihrer Mutter Krebs diagnostiziert wurde, gab Ljuska alles auf und kehrte in ihr Heimatdorf zurück, um sie zu pflegen.

Die Mutter ist schon lange tot, aber Ljuska hat immer noch eine sehr starke Bindung zu ihr. Ljuskas Mutter war sehr fromm, sie wollte eigentlich ins Kloster gehen, aber ihre Eltern zwangen sie, einen Witwer mit einem kleinen Kind zu heiraten. Sie nahm die Erziehung des Kindes selbst in die Hand und gebar später noch einen Sohn. Ihr Mann zog 1941 in den Krieg und fiel.

Nach dem Krieg kam für kurze Zeit ein neuer Tierarzt ins Dorf. Ljuskas Mutter bemerkte die Schwangerschaft erst, als der junge Veterinär bereits wieder weggefahren war.

Die Charakterstärke hat Ljuska von ihrer Mutter geerbt. Sie zog drei Kinder groß, führte ganz allein den Haushalt und ging einmal pro Woche 13 Kilometer zu Fuß zur Kirche, selbst in den schrecklichen Jahren der Religionsverfolgung. Ljuska betet und erledigt alle Arbeiten rund ums Haus, so wie ihre Mutter sie es gelehrt hat. Sorgsam bewahrt sie den Webstuhl der Mutter und deren Näharbeiten. An den hohen Kirchenfeiertagen holt sie die Vorhänge aus der Truhe, die ihre Mutter aus Leinen gewebt hat.

Als die Fotografin abreiste, las Ljuska ihr ein Gebet für die Reise vor und brachte Olga das Gebet bei. Der Rentnerin hilft ihr Glauben sehr. Aber Gott ist für sie eher ein guter Nachbar, mit dem man sich beraten und ganz allein unterhalten kann.

* Der Dorfname wurde aus Sicherheitsgründen geändert

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