Als Elaine aus Wisconsin gerade fünf Jahre alt war, wurde sie sehr krank (eng). Das Fieber war so hoch, dass sie sich ständig entkleiden wollte. Ihr Zimmer war abgedunkelt. Ein feuchtes Tuch bedeckte ihre Augen. Später erfuhr sie, dass ihre Eltern so versucht hatten, sie vor dem Erblinden zu bewahren, eine der Komplikationen bei einer Masernerkrankung. Elaines Zuhause wurde unter Quarantäne gestellt.
Fünfzig Jahre sind seitdem vergangen. In diesem Frühjahr ist der gefährliche Virus, den die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits für ausgerottet hielt, zurückgekehrt. In Europa steigt die Zahl der Erkrankungen seit einigen Jahren wieder kontinuierlich. 2018 wurden dort 83 000 Masernfälle (eng) registriert, ein Jahrhundertrekord und dreimal so viele wie in 2017. Die Lage ist so dramatisch, dass die WHO die Impfzurückhaltung als eines der zehn dringlichsten Gesundheitsrisiken weltweit eingestuft hat. Wie konnte es dazu kommen? Sergej Netesow vom Institut für Bionanotechnologie, Mikrobiologie und Virologie der staatlichen Universität Nowosibirsk hält die zunehmende Verweigerungshaltung von Eltern gegenüber der Masernimpfung und den Zustrom ungeimpfter Migranten in die Industrieländer für hauptursächlich. In Russland ist die Lage nach Ansicht der Virologen noch unter Kontrolle. Im Jahr 2018 gab es offiziell 2558 Masernfälle.
In der Ukraine stellt sich die Situation dagegen ganz anders dar. 2016 wurden lediglich 31 Prozent der sechsjährigen Kinder geimpft. Das ist eine der niedrigsten Impfraten in Europa. Im Jahr 2018 wurden 54 000 Krankheitsfälle gemeldet, in diesem sind es bereits über 15 000.
Masern gelten als extrem virulent. Sie sind ansteckender als das Ebola-Virus, Tuberkulose oder die Influenza. Der Übertragungsweg erfolgt über die Luft. Es reicht schon, sich mit einer infizierten Person im selben Raum aufzuhalten. Daher sei es von größter Wichtigkeit, dass möglichst viele Menschen gegen Masern geimpft würden, mindestens 93 bis 95 Prozent der Bevölkerung. „Eine Unterbrechung der flächendeckenden Impfung von zehn Jahren führt zu solchen Folgen, wie wir sie heute in der Ukraine beobachten können. Dann muss von vorne begonnen werden”, erklärt ein Experte.
Die zunehmend kritische Haltung gegenüber Impfungen könnte zudem dazu führen, dass neben den Masern auch andere, längst ausgerottet geglaubte Krankheiten in naher Zukunft wieder vermehrt auftreten werden.
Röteln
Röteln werden durch das Rötelnvirus übertragen. Es existiert eine Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln. Typische Symptome der Röteln sind ein Hautausschlag und Fieber. Bei Kindern sind die Symptome leicht mit denen eines einfachen grippalen Infekts zu verwechseln. Bei Erwachsenen ist der Krankheitsverlauf häufig schwerer. Besonders gefährlich ist die Erkrankung für schwangere Frauen. Eine Rötelninfektion der Mutter kann beim Kind zu Missbildungen führen wie grauem Star, Herzerkrankungen und Taubheit.
Polio
Franklin Roosevelt, Arthur C. Clarke und Frida Kahlo litten alle an Polio, besser bekannt als Kinderlähmung. Das Virus befällt besonders die Nervenzellen des Rückenmarks. Symptome sind Fieber, Erbrechen, Schleimabsonderung und starke Muskelschmerzen. Sie können plötzlich aufhören und wieder auftreten. Polio verursacht häufig bleibende Lähmungen und kann auch tödlich verlaufen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Erkrankung in Europa und den USA weit verbreitet, konnte aber durch Impfungen ausgerottet werden. In der ehemaligen Sowjetunion galt die Kinderlähmung 1961 als besiegt.
Mumps
Mumps ist in der Regel die am wenigsten schwerwiegende der hier aufgeführten Erkrankungen. Bleibende Schäden sind dabei selten. Fieber und eine Entzündung der Speicheldrüsen sowie ein geschwollenes Gesicht sind typische Symptome, die bis zu einer Woche anhalten können.
Komplikationen können unter anderem Hirnhautentzündungen, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse oder bei Jungen auch der Hoden sein, was zu Unfruchtbarkeit führen kann. Gegen Mumps gibt es einen Impfstoff. Häufig wird kombiniert gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft.
Pocken
Noch im 20. Jahrhundert führten die Pocken zur Entvölkerung ganzer Landstriche. Hunderttausende starben jährlich daran. Die Überlebenden litten oft ihr Leben lang unter den Folgen wie anhaltenden Entzündungen der Haut.
Der letzte Fall von Pocken wurde 1977 registriert, seitdem gilt die Krankheit als ausgerottet. Doch die Gefahr besteht weiterhin. Sorge bereiten Wissenschaftlern die Affenpocken, die auch auf den Menschen übertragen werden können (eng). In Afrika, den USA und Singapur gab es bereits vereinzelte Fälle. Das Affenpockenvirus gilt noch als weniger gefährlich als das Pockenvirus. Die Mortalitätsrate liegt bei zehn Prozent gegenüber 20 bis 40 Prozent, vereinzelt auch 90 Prozent, bei den Pocken.