Exotische Königin, Sailor-Moon, Muslima – mit wem ist Aurora, die 31-jährige Tattoo-Künstlerin aus St. Petersburg mit einem Halbkreis auf der Stirn, nicht alles schon verglichen worden? Aurora selbst lassen solche Assoziationen kalt.
„Als ich mich einmal im Spiegel betrachtete, sah ich buchstäblich dieses Symbol auf meiner Stirn. Dieser Vision mochte ich mich nicht widersetzen“, erklärt sie. Und so ließ sie ein paar Tage später diese Vision Wirklichkeit werden.
Es war nicht ihr erstes Tattoo. Diese „Visionen“ hatte Aurora bereits vor fast zehn Jahren, nachdem sie ihr Studium beendet hatte und sich auf Wanderschaft in die karelischen Berge begab.
„Ich hatte damals gerade die Hochschule abgeschlossen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, obwohl ich ein Diplom in Ökologie hatte und bereits begonnen hatte, in meinem Beruf zu arbeiten. Aber das rief bei mir nicht so viel Begeisterung hervor wie ein Tattoo zu stechen“, erinnert sich Aurora.
Nach ihrer Rückkehr begann sie, die Geschichte der Tätowierung zu studieren, kaufte sich eine Tätowiermaschine und fertigte ihr erstes Tattoo an, das sie heutzutage nur noch ungern zeigt. Nach und nach sammelte sie Erfahrung und der Kundenstamm wurde größer. Aurora fertige nicht nur Tattoos an, sagt sie, sondern helfe den Menschen, deren verborgenen Wünsche zu realisieren.
„Es kommt jemand zu mir und sagt: Ich habe von einem Tattoo geträumt. Wir finden heraus, was er gesehen hat und warum. Dann rekonstruieren wir das Bild und realisieren es“, sagt sie mit leiser Stimme.
Auf die Frage, wie die Menschen um sie herum auf ihr Gesichts-Tattoo reagieren, bekennt sie, dass das Tattoo auf ihrer Stirn viele Menschen in St. Petersburg irritiere.
„Ich bin einmal mit einem Taxi gefahren. Der Fahrer erwies sich als ein Eiferer – er sagte, dass eine Tätowierung das Symbol für einen Sklaven sei“, erinnert sich die junge Frau. Aber sie lässt sich von solchen Meinungen nicht beeindrucken. „Was kann ich tun, wenn in mir wildes Inneres erwacht und meine Vorfahren nach mir rufen?“
Im Gegensatz zu Aurora hatte Dmitrij, ein junger, schmunzelnder Koch aus Iwanowo, ein anderes Motiv. Er wollte wissen, ob es wehtut, sich das Gesicht tätowieren zu lassen.
Es stellte sich heraus, dass die durchgestrichene Inschrift Pain unter dem Auge ihm keine Schmerzen zufügt. Wie auch die Äxte, die Inschrift auf der Stirn, der Hai auf der Wange, die drei Streifen auf der Nase sowie die Tentakel auf dem Hals, die bald zu einem Tintenfisch auf dem Hinterkopf erweitert werden.
„Der Kopf ist immer noch die schmerzempfindlichste Stelle, aber ich habe keine Angst“, brüstet sich Dmitrij.
Im Alter von 14 Jahren begann der schmunzelnde junge Mann, sich für Tattoos zu interessieren und sie zu studieren. Er verbrachte zwei Jahre damit, einen brauchbaren Meister zu finden. Zuerst ließ er sich die Hände stechen, dann allmählich den restlichen Körper. „Aus Spaß“, wie er sagt. Das Wichtigste sei, dass er verschiedene Stile kombinieren könne.
Probleme mit seinen Tattoos hatte er nur ein einziges Mal, als er versuchte, einen Job als Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft in der Provinz zu bekommen. Dort war man der Meinung, dass sein unkonventionelles Aussehen die Kunden abschrecken könne.
Es ist offensichtlich, wie sich Model, DJ und Designer Vegan ernährt – die Tattoos mit seinem Namen und seiner Lebensweise sind von weitem auf der Stirn, den Wangen und sogar den Augenlidern sichtbar.
Vegan wollte sich anfangs nicht das Gesicht tätowieren lassen: Er hatte Angst, dass dies sich negativ auf seine Modelkarriere auswirken könnte.
„Letztendlich entschied ich mich dafür, nicht mehr für Agenturen zu arbeiten, die etwas gegen Tätowierungen haben, und wechselte zu Agenturen, die solche Models suchen“, erzählt Vegan.
Die Inschriften Vegan und Animal, kombiniert mit Tattoos aus der alten Schule, sind der Versuch, auf das Thema Veganismus aufmerksam zu machen. Übrigens ließ er sich ausschließ von Tattoo-Meistern stechen, die selbst Veganer sind.
„Es geht mir darum zu zeigen, dass wir selbst Tiere sind, die einfach nur durchgeknallt sind und entschieden habe, dass wir andere Tiere essen können, obwohl das nicht so ist“, ärgert sich das Model.
Er zieht es vor, keine Orte aufzusuchen, an denen er wegen seiner Gesichts-Tattoos kritisiert werden könnte. Aber er glaubt, dass es in Russland nicht mehr viele solche Orte gibt.
„Auch in der Provinz ,respektierenʻ das alle. Sie sagen, dass sie sich gerne auch Tattoos auf Gesicht und Hände stechen lassen möchten, aber der Arbeitgeber dagegen sei. Das ist ein Problem, das meiner Meinung nach bald verschwinden wird“, ist er sich sicher.
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