Wie sieht es in einem russischen BDSM-Hotel aus?

Natalja Nosowa
Was empfindest du dort, wo du nicht gestört wirst, egal was du tust? Spoiler: unsere Reporterin fühlte sich unbequem und manchmal verängstigt.

Vor mir liegt ein schmaler Korridor mit blauem Neonlicht. An der Decke hängt eine gekreuzigte Puppe. Rechts ist ein Regal mit Puppen in Posen, die den Geschlechtsakt darstellen. Auf der linken Seite befinden sich schwarze Türen mit den Zahlen von eins bis 13, an jeder hängt ein Schild „Anproberaum“.

„In Russland sind solche Locations absolut legal, denn es werden hier keine Sex-Dienstleistungen erbracht. Aber für alle Fälle ist in den Dokumenten angegeben, dass es sich um ein Atelier zum Mieten verschiedener Geräte handelt. Daher die ,Anproberäumeʻ, in denen diese Geräte ausprobiert werden können“, erklärt Jewgenij, der Direktor und einer der Mitinhaber der Einrichtung. Er bat darum, seinen Nachnamen nicht zu erwähnen.

Aus einigen „Anproberäumen“ ist kaum hörbares Stöhnen zu vernehmen und ab und zu sogar Schreie. Zum Zeitpunkt meines Besuchs waren sieben der 13 Räumen belegt. Jewgenij geht voran und öffnet eine der „Anproberäume“. Das erste, was ich sehe, ist ein riesiges Andreas-Kreuz mit Ketten zur Fixierung. Daneben befindet sich ein Käfig, etwas weiter links eine Guillotine.

„Oh, hier haben sie sich ja ordentlich ausgetobt“, seufzt Jewgenij.

Er tritt auf zerrissenen Beutel und Rollen aus Frischhaltefolie, die zum Unterdrücken der Atmung  verwendet werden. Die kürzliche Nutzung des Raums lässt sich unschwer an den verstreuten Kondomen und dem Aroma von menschlichem Schweiß und Sekreten erkennen. 

So sieht ein unaufgeräumtes Zimmer direkt nach dem Sex im Moskauer BDSM-Hotel Goji (zu Deutsch: Bocksdorn) aus. Solche Hotels werden in Russland immer beliebter.

Diskretion und Sicherheit

Außer in Moskau gibt es BDSM-Hotels in St. Petersburg, Samara, Nowosibirsk und Jekaterinburg.

Hinzu kommen kleine BDSM-Communities in Großstädten. Ihre Mitglieder mieten Appartements mit den notwendigen Spielzeugen und Geräten.

Das Goji wurde 2015 eröffnet, bald nachdem Fifty Shades of Grey in die russischen Kinos gekommen war.

Das Hotel befindet sich im selben Gebäude wie das Museum des Priesters Pawel Florenskij und das Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens und der Arktis. In der Nähe sind zudem die Militärakademie „M. W. Frunse“, der Rechnungshof und mehrere Botschaften.

Jeder über 18-Jährige, der nicht mit einer Prostituierten kommt und sich nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen befindet, kann das Hotel besuchen. Das preiswerteste Zimmer kostet 2.950 Rubel (45 €) pro Nacht, das teuerste, mit einem Whirlpool, 6.800 Rubel (96 €). Tagsüber werden die Zimmer stundenweise vermietet.

Alle Kunden erhalten ein Basiskit in Einwegbeuteln: Klatschen, Augenmasken, Knebel und anderes Spielzeug. Nach jedem Kunden werden die Gegenstände mit Speziallösungen desinfiziert und danach einige Stunden mit Quarzlicht behandelt. Große Geräte werden mit einem Tuch mit Lösungsmittel gereinigt. Die Raumluft wird mit einem speziellen Luftfilter quarzgetränkt.

Die Hotelleitung garantiert absolute Anonymität und Handlungsfreiheit – niemand wagt es, Kunden zu stören, während sie sich in einem Raum befinden.

Geld, Gewalt und Vorurteile

In einem weiteren „Anproberaum“ stoßen wir auf einen verzierten Thron, einen Käfig für 5 – 7 Personen und eine Sexmaschine. Eine Putzfrau sammelt Kondome vom Boden auf und wirft die schmutzigen Laken auf einen Stapel.

„Diesmal kein Urin oder Kot – so etwas verdirbt nämlich die Stimmung für den ganzen Tag“, beschwert sich die junge Frau. 

Besonders brutale Gewalt könne immer verhindert werden, versichert Jewgenij. Vor einem Monat hörte der Administrator herzzerreißende Frauenschreie – eine junge Frau versuchte, aus dem Raum zu rennen, aber mehrere Männer zogen sie mit Gewalt zurück. Daraufhin wurde das Mädchen gerettet und die Polizei gerufen, um die Männer auf die Straße zu setzen.

Solche Probleme werden von vermögenden und einflussreichen Menschen verursacht.

„Ein Geschäftsmann kam einmal für ein paar Stunden zu uns, betrank sich zusammen mit seiner Geliebten und öffnete die ganze Nacht nicht die Tür. Die Polizei wurde am Morgen gerufen, sie waren völlig weggetreten und auf dem Tisch lagen Drogen herum. Sie wurden beide aufs Revier gebracht, aber bezahlt haben sie nicht“, beschwert sich der Hoteldirektor.

Auch die älteren Frauen, die im selben Haus wohnen, sind nicht erfreut über diese Einrichtung. Für sie ist das Goji ein Bordell und eine Brutstätte der Unzucht. 

„Erst vor zwei Wochen regte sich eine Oma auf und weigerte sich, die Arbeiter hereinzulassen, die einen Wasserrohrbruch beheben sollten. Der Fall endete fast vor Gericht – wir konnten uns mit Ach und Krach einigen“, berichtet Jewgenij.

Nicht nur für den Sex

Jewgenij versichert mir, dass die Mehrheit der Besucher von BDSM-Hotels gewöhnliche Männer mit ihren Geliebten seien, die wenigsten kommen mit ihrer  Ehefrau. Kaum einer praktiziert den BDSM ernsthaft, für sie ist es lediglich ein Weg, etwas Schwung in die Beziehung zu bringen. Eingefleischte BDSM-Anhänger kommen praktisch nicht ins Hotel.

„Die haben ihre eigenen Festivals und Treffen in separaten Clubs oder Landhäusern“, erklärt er.

Einige Kunden kommen nicht zum Sex, sondern zum Schlafen oder Chillen, sagt der Direktor des Goji. „Einmal bestellten zwei Männer das teuerste Zimmer mit Whirlpool und redeten zwei Stunden lang nur. Die Laken wurden nicht berührt und niemand benutzte die Dusche. Auf dem Weg nach draußen gestanden sie, sie seien ,gekommen, um mal richtig abzulachenʻ“, erinnert sich Jewgenij.

Der Weg des geringsten Widerstands

Das Goji beabsichtige, in Kürze weitere Hotels in den Regionen zu eröffnen, erklärt Jewgenij. Es liegt bereits eine Anfrage aus Tatarstan vor.

Im Flur treffen wir am Ausgang auf eine prächtige, etwa 30 Jahre alte Brünette in Sneakers und einer üppigen Daunenjacke mit dem Aussehen einer typischen Buchhalterin. Sie geht an uns vorbei und klopft an eine der „Anproberäume“. Hinter der Tür taucht die Hand eines Mannes auf. Mit den Worten „Hi, wir warten bereits auf dich“ wird sie hineingezogen.

„Oh, das ist unser Zimmer für Gruppensex, mit einem gynäkologischen Stuhl. Manchmal sind da 15 Gäste auf einmal drin“, erklärt Jewgenij, nach dem die Tür wieder geschlossen ist. Es entsteht einer unangenehmen Pause. „Ehrlich gesagt, ekelt mich das alles an. Aber besser, sie lassen die Wut und den Frust hier heraus, anstatt irgendwo auszuflippen“, fasste er zusammen.

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