Einer der bekanntesten Produzenten von Kutschen und Vintage-Transportmitteln in Russland, das Unternehmen Kutschen und Schlitten von Michail Kasenkin, befindet sich im Moskauer Gebiet in der Siedlung Grjas. Der Name der Ortschaft bedeutet Schmutz.
„Alle Karossen werden von einem Team aus vier Personen manuell hergestellt – nur der Gummi für die Räder sowie der Stoff und Stahl für den Wagen werden von Großhändlern bezogen“, erklärt Jelena Djatlowa, die Eigentümerin der Werkstatt, beim Öffnen des Tors zu einer Art Lagerhalle.
Einer der Mitarbeiter verleiht hier gerade einem Rahmen die notwendige Form. Der Rahmen bildet die Grundlage einer Kutsche und wird anschließend mit einem beliebigen Material nach Wunsch des Kunden – Holz, Metall oder Kunststoff – verkleidet.
Anschließend werden in der Werkstatt die Stützrippen geformt – so werden die „Flügel“ an den Seiten des Wagens genannt. Sie werden benötigt, um die Kutsche während der Fahrt im Gleichgewicht zu halten.
Danach werden in der Werkstatt das Drehgestell und die Achsen, auf die später die Räder montiert werden, gefertigt. Diese Räder stammen von dem Wagen, der in den Dreharbeiten zum Historienfilm Boris Godunow (2018) verwendet wurden.
Aus Birkenstämmen wird die zukünftige Deichsel, auch als Riegel bezeichnet gefertigt, an der die Pferde angeschirrt werden. Die Fertigung dauere mehrere Jahre, erklärt Djatlowa. Der Grund dafür ist, dass die Stämme mindestens vier Jahre lang getrocknet werden müssen, bevor sie geschliffen und die Balken dann in der richtigen Länge und Form geschnitten werden können.
Wenn alle Teile des Wagens, einschließlich der Sitze, passgenau sind, wird er zusammenmontiert und in eine spezielle Pulverbeschichtungskammer geschickt. Dort wird der Wagen nach Wunsch des Kunden lackiert. Meistens wird die gleiche Holzfarbe wie beim Original verlangt.
Nun werden die Sitze des Wagens mit Leder oder Kunstleder bezogen und das Dach genäht, das die Fahrgäste vor Regen oder Schnee schützen wird. Auf Wunsch kann der Wagen mit Ornamenten oder einem Zierbund aus Holz verziert werden.
„Seit Kurzem sind Hörnerschlitten bei den Kunden sehr beliebt. Das sind niedrige breite Schlitten“, erklärt Djatlowa. Allerdings sind Schlitten noch schwieriger als Kutschen zu fertigen. Dazu kaufen die Werkstattmitarbeiter Eichenstämme ein, trocknen sie zwei Jahre lang und erst dann wird das Holz gedämpft und in einer Spezialmaschine gebogen, bis es die gewünschte Form annimmt.
Kutschen und Schlitten werden für Hochzeiten, Ferienanlagen und Dreharbeiten historischer Filme bestellt. Eine gewöhnliche Kutsche kostet mindestens 70.000 Rubel (1.000 Euro), Schlitten sind viel preiswerter und bereits für 20.000 Rubel (285 Euro) zu haben. Das Unternehmen verkauft mehr als 60 Schlitten und Kutschen pro Jahr.
Die Repliken werden breiter ausgelegt als die historischen Originalmodelle, denn die Menschen sind heutzutage größer“, erklärt Djatlowa.
„Heutzutage passen nur noch der Kutscher und ein Fahrgast in eine Kutsche von früher. Und denken Sie daran, dass die Damen damals wallende Kleider oder Reifröcke und die Kutscher riesige Pelzmäntel trugen. Die Leute sind definitiv größer geworden, also passen wir die Wagen an die heutigen Körpermaße an“, erläutert sie.
Die Kutschen und Schlitten werden in der Regel von Besitzern teurer Häuser und Anwesen gekauft, berichtet Djatlowa. Die meisten Kunden wohnen in Rubljowka, einem Dorf in der Nähe von Grjas, das als die reichste Siedlung in Russland gilt.
„Kutschenfahren ist momentan ein Trendsport. Es gilt als Luxus, auf dem Kutschbock zu sitzen und das Gefährt zu steuern. Es ist fast schon eine Kunst. Außerdem kann eine gute Kutsche bis zu 20 Millionen Rubel kosten, wenn sie mit teurer Polsterung und Goldornamenten verziert ist – wir hatten einen solchen Auftrag. Es ist wie einen Bentley zu fahren, nur noch interessanter“, erklärt sie stolz.
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