Russische Ofenkacheln: Bunte Kunst mit Tradition

Die glasierten Keramikfliesen spielen in der Geschichte der angewandten russischen Kunst eine wichtige Rolle. Im 17. Jahrhundert waren sie ein beliebtes Element der Innenausstattung und erlebten später im modernen Russland einen Aufschwung.

Seit dem Zeitalter der alten Rus war der Ofen ein zentrales Element des Lebens und der Kultur und hatte als Vermittler zwischen dem Feuer und Menschen eine heilige Bedeutung. Im Wesentlichen war ein Ofen das Herzstück eines russischen Haushalts. Verglichen mit der europäischen Tradition, wo der Ofen in erster Linie ein Heizgerät war und zum Kochen verwendet wurde, hatte er in Russland noch viele weitere Funktionen. Unter anderem diente er als Bett und in der slawischen Folklore als Wohnort des schützenden Hausgeistes „Domowoj“.

Als wichtiges Haushaltselement brauchte er daher ein angemessenes Zierwerk und „Israsez“, die russischen Fliesen, waren perfekt dafür geeignet. Jedoch wurden sie ebenso häufig für die Außenfassaden von Kirchen verwendet. Die Ursprünge des Wortes deuten bereits auf diese Funktion hin und stammen vom russischen Verb „obrasit“, das für „dekorieren“ steht, ab.

Die Kunstform der Fliesenherstellung und Fliesenbemalung kam vermutlich im frühen 16. Jahrhundert durch westliche Handwerker nach Russland und wurde ab Mitte des 17. Jahrhunderts dort häufig verwendet. Während die russischen Kunsthandwerker anfangs noch der europäischen Tradition treu blieben, fügten sie später immer mehr russische Besonderheiten hinzu, wie zum Beispiel leuchtende Farben, Ornamente und Themen aus der slawischen Mythologie und dem Alltagsleben.

Moderne Wiederauflebung

Während in Moskau an berühmten Orten wie dem Kreml, dem Nowodewitschi-Kloster und dem Kolomenskoje Anwesen die historischen Beispiele dieser bunt dekorierten Öfen zu sehen sind, wird die jahrhundertealte Tradition der Ziegelherstellung auch heute noch von modernen Handwerkern und kleinen Fabriken fortgesetzt.

„Der Herstellungsprozess der Israsez-Fliesen ist im Laufe der Jahrhunderte weitgehend unverändert geblieben. Er läuft äußerst traditionell ab“, sagt Igor Frolow, der Besitzer von „CeramicaDecor“. Es ist eines der russischen Unternehmen, das Souvenir-Fliesen, einschließlich der so genannten „Murawlenij Israsez“, die man an ihrer tiefgrünen Farbe erkennt, produziert.

„Alles beginnt mit dem Befüllen der Form. Die Gipsform wird mit einer Tonmasse gefüllt, die auch gebrannte Scherben enthält, um hohen Temperaturen standhalten zu können“, erklärt Frolow.

Das ist eine der Haupteigenschaften, die russische von europäischen Fliesen unterscheidet. Aufgrund wechselhafter Witterungsbedingungen wird die russische Variante, insbesondere die, die für die Dekoration des Außenbereichs bestimmt ist, bei höheren Temperaturen gebrannt, um dem Frost im Winter besser standhalten zu können.

Wie viele andere Arten von russischen Fliesen bestechen „Murawlenij Israsez“ mit einzigartigen Ornamenten und Symbolen aus der slawischen Mythologie und Geschichte. So sind auf diesen Fliesen zum Beispiel der Sirinvogel, eine mythologische Kreatur mit dem Kopf und der Brust einer schönen Frau und dem Körper eines Vogels, oder Szenen der russischen Geschichte zu sehen. Frolows Fabrik verwendet hierfür nur Bilder von echten Fliesen, die bereits vor Jahrhunderten existierten, beziehungsweise die es heute noch in der russischen Inneneinrichtung gibt.

Im Gegensatz zu gewöhnlichen Fliesen, die in modernen Haushalten verwendet werden und in jedem Geschäft zu erwerben sind, werden diese Fliesen bis zu zwei Wochen lang von Hand gefertigt. Einen Tag braucht man, um das Modell aus Ton herzustellen, fünf Tage, um es zu trocknen, einen Tag, um die Fliesen zu brennen und einen weiteren, um sie zu glasieren und anzumalen. Die Zeit für die Erstellung des Gipsmodells nicht mitberechnet!

Da es viele Handwerker gibt, die Fliesen herstellen, verwendet jeder eine individuelle Glasurmischung, die ihre Fliesen von allen anderen unterscheidet und ihnen eine einzigartige Farbe und Tiefe verleiht.

Die Temperatur des Ofen beeinflusst auch die Farbe, sagt Frolow: „Wenn an einer Ecke des Ofens die Temperatur höher ist, wird die Farbe einer Fliese nicht einheitlich – je nach Temperaturunterschied wird sie eine hellere oder dunklere Nuance bekommen.“

Zuerst werden die Fliesen in einem 1 000 Grad heißen Ofen gestellt. Dann werden sie bei niedrigerer Temperatur gebrannt, glasiert und wieder gebrannt, was ihnen zu einem unverwechselbaren Glanz verhilft.

„Das Material für solche Fliesen variiert stark“, meint Frolow. „Vor Jahrhunderten verwendeten Handwerker dafür roten Ton, den sie bei 700 bis 800 Grad Celsius brannten. Heutzutage bröckeln diese Ziegel und alles, was Sie beispielsweise bei Kirchen von außen sehen können, wurde höchstwahrscheinlich restauriert. Die nächste Generation wird diesen Anblick in seiner ursprünglichen Form wahrscheinlich nicht mehr erleben.“

Aufgrund des Preises sind Ofendekorationen, ähnlich wie vor Jahrhunderten, auch heute noch in erster Linie für wohlhabende Menschen. Ab und zu ordnen einige Museen Restaurierungsarbeiten an, im Allgemeinen kommt das jedoch selten vor. Die Souvenir-Fliesen wie „Murawlenij Israsez“ sind hingegen erschwinglicher und eignen sich daher besonders in den Augen der Touristen als ungewöhnliches Souvenir!

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