Die Dymkowo-Spielwaren von Oksana Romanowa.
Anastassija RupasowaJedes Dymkowo-Spielzeug ist ein Unikat, das ein eigens entworfenes Motiv ziert. „Die meisten Produkte werden aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt. Der rote Lehm, aus dem sie gemacht werden, ermöglicht es ohne Weiteres, die einzelnen Teile auch ohne Anwendung von Klebstoffen zusammenzusetzen“, berichtet Oksana Romanowa, die an der Amphora Keramik-Akademie Modellieren und Malerei von Dymkowo-Spielwaren lehrt. „Lediglich Werkzeug zum Glätten der Nahtstellen wird benötigt.“ Fünf bis sieben Tage braucht der rote Lehm zum Trocknen. Bei 900 Grad Celsius wird es im Ofen gebrannt und anschließend weiß eingefärbt.
Warum Dymkowo-Spielwaren weiß gefärbt werden, weiß heute niemand mehr. Die ersten Spielzeuge, Kugeln und Trillerpfeifen, blieben rot wie der Lehm oder wurden schwarz, nachdem sie in Teer gebrannt wurden. Das Weißen wurde möglicherweise modern, als Porzellan immer beliebter wurde. „Bauern, die in den Häusern ihrer Herren Porzellangeschirr sahen, übernahmen den weißen Hintergrund für ihre Spielzeuge“, sagt Romanowa. „Die weiße Farbe wurde aus gemahlener und in Milch getränkter Kreide hergestellt. Das Spielzeug wurde in diese Mixtur eingetaucht und anschließend getrocknet. Beim Trocknen sorgte die Milchsäure dafür, dass die Farbe haltbar wurde.“
Die Herstellung der Farben war ebenfalls kreativ. Sie wurden auf der Basis von Eigelb, Eiweiß und Kwas, einem russischen Brot-Trunk, gemischt. Die Motive auf den Dymkowo-Spielwaren sind zumeist sehr einfach. Die frühen Malerinnen hatten häufig nicht einmal Pinsel zum Bemalen.
Die Vorlagen für das Dymkowo-Spielzeug wurden stets dem Alltag entlehnt. „Modelliert wurden Tiere, Bauern, Angler, Frauen mit Waschbrettern, schöne Damen und Kavaliere, die man des Öfteren auf Jahrmärkten beobachten konnte“, erzählt die Dozentin der Keramik-Akademie weiter.
Zu Sowjetzeiten widmeten sich die Dymkowo-Meister häufig dem wissenschaftlichen Fortschritt und der Raumfahrt. So ist ein bekanntes Dymkowo-Spielzeug ein Kosmonauten-Paar, das unter einem Apfelbaum steht. Angeblich dienten die sowjetischen Kosmonauten Valentina Tereschkowa und Juri Gagarin als Vorbilder für das Paar. Komische und absurde Situationen aus dem Leben der Dymkowo-Meisterinnen schlugen sich ebenfalls in deren Werken nieder. Soja Penkina, eine bekannte Meisterin aus Dymkowo, schuf nach ihrer Moskau-Reise und ihrer ersten Fahrt mit der Moskauer Metro eine kleine Gruppenplastik. Diese zeigt eine aufgebrachte alte Frau, die von der Sperre am Eingang zur U-Bahn eingeklemmt und von einem alten Mann verwundert angestarrt wird.
Die Dymkowo-Spielwaren von Oksana Romanowa. Foto: Anastassija Rupasowa
Vor gut hundert Jahren wäre die Dymkowo-Spielzeugtradition beinahe ausgestorben. Sie konnte jedoch von der Dymkowo-Meisterin Anna Mersina und dem Maler Alexei Denschin gerettet werden. Denschin popularisierte das Handwerk, veröffentlichte Bildbände, nahm an Unions- und Weltausstellungen teil und versorgte die Meisterinnen von Dymkowo mit dem notwendigen Werkzeug.
Später wurde vom Künstlerverband in Kirow ein künstlerischer Rat einberufen, der die Befolgung der Dymkowo-Tradition und die Reinheit der Technik überwachte. Alle Erzeugnisse, die den Herstellungsvorschriften nicht entsprachen, wurden an Ort und Stelle mit einem Hammer vernichtet. So bewahrte man die Originalität.
Die Ausbildung zur Dymkowo-Meisterin war bis in die 1960er-Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein eine Familienangelegenheit und Frauensache: Die Tradition wurde von den Müttern an die Töchter weitervererbt. Später wurden diese Regeln gelockert, und man beschloss, auch Außenstehende zur Ausbildung zuzulassen. Die Bewerberinnen mussten Prüfungen in bildender Kunst, Zeichentechnik und Komposition ablegen und darüber hinaus die Kopie einer Lehmfigur anfertigen, die ihnen als Modell zur Verfügung gestellt wurde. Sie wurden auch nach einem ähnlichen Muster angelernt: Zunächst übten sich die Lehrlinge darin, Kopien der meistverbreiteten Dymkowo-Spielzeuge haargenau nachzubilden. Erst nachdem sie ein gewisses Niveau erreicht hatten, durften sie eigene Sujets einbringen. Früher waren Ausbildungsplätze für das Dymkowo-Handwerk viel gefragter als heute: Ein Studiengang wird mittlerweile durchschnittlich von nur noch sieben bis 15 Lehrlingen belegt.
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