Eis ist mehr als nur gefrorenes Wasser. Manchmal entstehen daraus wahre Wunder. Im Golf von Ob und im Finnischen Meerbusen in der Region Leningrad gibt es riesige Kugeln aus Eis. Auf der gefrorenen Oberfläche des Baikalsees tauchen jedes Jahr mysteriöse Ringe auf.
Baikalsee
Legion MediaNikita Tananajew, Hydrologe und ein führender Wissenschaftler am Permafrost-Institut in Jakutsk, verrät uns mehr über eisige Phänomene.
Die interessantesten Eisgebilde finden sich auf Gewässern, denn dort wirken zahlreiche Einflüsse, von der Strömung bis zur Temperatur, auf ihre Entstehung. Da sie Einfluss auf den Schiffsverkehr in der russischen Arktis haben, sind sie gut erforscht. Die Ergebnisse dieser Forschungen werden im Eis-Atlas vom russischen Arktis- und Antarktisforschungsinstitut veröffentlicht.
Pfannkucheneis
Getty ImagesIm Winter und Frühling finden sich auf Seen in ganz Russland und auf dem Meer häufig runde Eisplatten, die mehr als zehn Zentimeter dicke Ränder haben können (weitere Infos finden Sie hier (rus)).
Dieses sogenannte Pfannkucheneis ist keine Seltenheit auf großen offenen Gewässern und Seen vor allem im russischen Norden. „Diese sind die Pfannen, auf denen die Natur das Eis backt“, beschreibt Tananajew anschaulich. Pfannkucheneis bildet sich, wenn die Temperatur sich um Null Grad bewegt und auf dem Wasser Wellenbewegungen auftreten.
„Zunächst bildet sich auf der bewegten Wasseroberfläche eine dünne Kruste, die als Falt- oder Schaumeis bezeichnet wird. Die Oberflächenspannung verursacht die runde Form. Manchmal bildet sich Pfannkucheneis aus Nadeleis oder Ansammlungen von Neuschnee. Weil sich die runden Eisplatten manchmal im Wind drehen, nennt man sie auch Eisballerinas”, erklärt Tananajew.
Onegasee, Karelien
Igor Podgorny/SputnikPfannkucheneis findet sich zum Beispiel am Onegasee in Karelien, an der Isset in Jekaterinburg und im Altai sowie am Baikalsee. Der Durchmesser kann bis zu drei Meter betragen, sie können bis zu 15 Zentimeter dick sein und einen ganzen See vollständig bedecken. Wenn die Temperaturen zu niedrig sind, gefriert das Eis zu schnell und statt der runden Form entstehen sogenannte Eisschuppen.
Dieses unglaublich schöne Naturphänomen ist in der Arktis häufiger anzutreffen, kann aber manchmal auch in niedrigeren Lagen beobachtet werden. Ende November 2019 erschienen Eisblumen auf dem Iljinskoje-See in Tatarstan und in Mari-El. Die Ursache war ein extremer Temperaturunterschied zwischen Wasser und Luft (über 20 Grad Celsius).
Die Lufttemperatur sinkt drastisch, während die Temperatur auf der Wasseroberfläche nahe dem Nullpunkt bleibt. Es herrscht fast kein Wind. Die Feuchtigkeit auf der Eisoberfläche kühlt stark ab und kondensiert als Kristalle. Es ist vergleichbar mit Morgentau, nur auf dem Wasser.
2016 präsentierte sich dieses seltene Naturphänomen auf der Jamal-Halbinsel und ein Jahr später im Finnischen Meerbusen.
Riesige Eiskugeln, die von Wellen an Land gedrückt werden, bilden sich normalerweise bei Tauwetter nach Schneefall und starkem Sturm.
Meereswellen rollen Schneeklumpen entlang des Ufers und formen sie zu Schneebällen. Der kalte Wind überzieht sie mit einer Eisschicht und drückt sie zurück an Land.
Besondere Eisformen bilden sich nicht nur auf dem Wasser, sondern auch an Land und im Unterholz, überall da, wo es feucht ist. Dieses Eis ist weich und dehnbar. Das sogenannte Haareis bildet sich auf Gehölz, das vom Pilz Exidiopsis effusa befallen ist.
In der Stadt Kungur im Gebiet Perm liegt eine Eishöhle. Dort ist immer Winter. Die kilometerlangen unterirdischen Gänge sind voller Stalaktiten und Stalagmiten aus Eis, die niemals schmelzen. In der Höhle vermischen sich Luftströme mit unterschiedlichen Temperaturen, was zu starker Kondensation führt. Die Feuchtigkeit setzt sich ab und gefriert in einer Vielzahl von Formen, von Nadeln bis zu Blumen.
Kungur-Eishöhle
Oleg WorobjowAuch in den Bergen sind Wissenschaftler auf ungewöhnliche Eisformen gestoßen. Zum Beispiel das sogenannte Stängeleis. „Es heißt so, weil es wie ein Stängel einer Blume aussieht. Es bildet sich in den Bergen bei starken Temperaturschwankungen: Tagsüber muss die Temperatur über Null liegen, nachts muss sie unter Null fallen. Diese Eisformationen können 10 bis 15 cm lang werden und an ihrem Ende kann sich durchaus eine Eisblüte bilden”; sagt Tananajew. Es gibt dieses Eis zum Beispiel im Kaukasus.
Kungur-Eishöhle
Oleg WorobjowIn den Bergen in Jakutien finden sich große Gletscher wie der Buluus oder der Bolschaja Momskaja und Aufeis, das auch im Sommer nicht schmilzt.
„Diese können auch sehr interessant aussehen. In den Flusstälern der Werchojansk-Kette habe ich einmal himmelblaue Eiswannen entdeckt. Die ungewöhnliche Farbe kam durch die Lichtbrechung“, erzählt Tananajew.
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