Mitten im Klimawandel: Was passiert, wenn Permafrost taut?

Jewgeni Jepantschinzew/TASS
Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Permafrostböden im Norden Russlands aus. Welche Folgen drohen?

Permafrost gibt es in Russland eine Menge. Zwei Drittel der Böden des Landes, von Taimyr bis Tschukotka, sind gefroren. Das Leben in diesen Gebieten ist nicht einfach. Die Winter sind kalt, das Land unfruchtbar, jeder Versuch, es zu erschließen, kostet viel Geld. Dennoch versuchen die Bewohner alles, damit die Böden nicht auftauen. Auch die Wissenschaft beobachtet die Permafrostgebiete vor allem im Hinblick auf den Klimawandel genau. 

In der Natur gibt es keine Beständigkeit 

Genau genommen ist der Begriff Permafrost aus wissenschaftlicher Sicht nicht korrekt. „Der Begriff stammt aus den 1920er Jahren. In den 1950er Jahren ersetzten Wissenschaftler den Begriff durch ‚anhaltender Frost‘, weil die Natur keine Dauerzustände kennt”, erklärt Nikita Tananajew, Hydrologe am Permafrost-Institut in Jakutsk. 

Das Permafrost-Institut in Jakutsk

Die Definition ist simpel. Permafrost ist ein Boden, der über einen Zeitraum von zwei oder mehr Jahren gefroren bleibt. Im Sommer taut lediglich die obere Schicht etwas auf. Dadurch entstehen reizvolle Landschaften. 

Diese Fotos wurden in der Nähe des Dorfes Syrdach in Jakutien aufgenommen. Permafrostböden sehen im Sommer aus wie geschmolzene Schokolade, die sich in einem See sammelt.

Das Phänomen ist weit verbreitet in Jakutien. Im Sommer steigen die Temperaturen hier auf über 30°C und der Permafrost taut bis in zwei oder drei Metern Tiefe. Im Winter wird er wieder komplett gefroren sein.

Tananajew erzählt von Eisflächen tief unter der Erdoberfläche. „Von oben sehen sie aus wie ein Netz. Jahrtausendelang fror der Boden im Winter. Im Sommer bekam er tiefe Risse und es sammelte sich Wasser darin. So entstanden nach und nach lange schmale Streifen von Eis. Das kennzeichnet die polygonale Tundra.“

Diese Polygone sind mit weniger als 40 Metern recht klein. Es gibt ziemlich viele von ihnen in Jakutien, Taimyr und Tschukotka. Noch spektakulärer aber wirken Eisflächen an der Oberfläche, die auch im Sommer nicht schmelzen. Besonders bekannt ist der Gletscher Buluus 100 km von Jakutsk entfernt. 

Stellen Sie sich vor, es ist fast 30 Grad heiß, die Sonne brennt und um Sie herum ist Eis. Dieses Naturphänomen ist am häufigsten in den Bergen anzutreffen, wo unterirdische Gewässer durch Risse an die Oberfläche steigen und das sogenannte Aufeis bilden.

Die größte Fläche ist das Aufeis von Bolschaja Momskaja in Jakutien. Es ist ein 26 km langes Eisfeld! Das Eis kann fünf bis sechs Meter dick sein. Manchmal bilden sich kleine Kanäle an der Oberfläche. Das Wasser färbt das Eis hellblau. Im Sommer schmilzt es ein wenig, aber im folgenden Winter bildet sich wieder neues Eis.

Jakutien hat eine enorme Anzahl solcher Aufeisflächen. Fließeis wird hier übrigens als Frischwasserquelle genutzt, da das Graben von Brunnen im Permafrost ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen ist.

Eine natürliche Tiefkühltruhe 

Die Bewohner haben längst gelernt, die Kälte für sich zu nutzen. In Jakutien beispielsweise lagern die Menschen ihre Vorräte in Erdlöchern. Es dauert etwas länger, ein solches Vorratslager anzulegen, denn neben einer Schaufel braucht es auch Feuer. Zunächst wird ein Lagerfeuer auf dem Boden entzündet, um ihn aufzutauen. Erst dann kann mit dem Graben begonnen werden.

Im Dorf Nowy Port in Jamal gibt es den größten natürlichen Gefrierschrank der Welt. In den 1950er Jahren wurden rund 200 Höhlen unter Tage angelegt und durch Gänge miteinander verbunden. Dort wurde Fisch gelagert. Die Temperaturen liegen dort ganzjährig bei -12 bis -15 °C.  

Was passiert, wenn die Permafrostböden tauen? 

Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Permafrostböden in den letzten 20 Jahren in einigen Gegenden von Norilsk oder im Süden des Transbaikal-Territoriums bis zu zehn Zentimeter an Tiefe verloren haben. „In Jakutien reicht der Permafrost hunderte von Metern, sogar bis zu anderthalb Kilometern in die Tiefe”, sagt Tananajew. 

Aber welche Konsequenzen könnte es haben, wenn die Permafrostböden stärker auftauen?

„Wenn Sie Erbsen einfrieren, halten sich diese jahrelang. Auch in 1000 Jahren werden sie noch frisch aussehen”, erklärt Tananajew. „Mit dem Permafrost verhält es sich ähnlich. Er ist die Tiefkühltruhe für Gras, Blätter und Torf. Wenn all diese organischen Stoffe auftauen und von Mikroorganismen zersetzt werden, werden Methan und - unter dem Einfluss anderer Prozesse - auch CO2 freigesetzt, die beiden wichtigsten Treibhausgase.” Tananajew beklagt einen Teufelskreis: „Je mehr Permafrost taut, desto höher steigt die Temperatur, desto mehr Permafrostböden tauen auf.”

Tananajew erinnert sich an einen Winter in Jakutsk vor zehn Jahren, als die Temperatur eine ganze Woche -60°C betrug. Seitdem sind die Werte kontinuierlich gestiegen. In den letzten Jahren lag die Temperatur nur noch bei -35 bis -45 °C. 

Einer der Gründe für die Erwärmung ist die zunehmende Verstädterung. Obwohl alle Gebäude in den nördlichen Städten auf Stelzen gebaut sind, geben all diese Gebäude Wärme in die Umgebung ab, was die Luft erwärmt. Wenn aus irgendwelchen Gründen heißes Wasser austritt, sorgt auch das dafür, dass die Böden auftauen. Das führt dazu, dass Gebäude absacken und Risse in der Fassade auftreten, insbesondere an den Fenstern. Am Ende verliert das Gebäude seine Isolierung (was im Norden nicht lustig ist) und das Fundament die Tragfähigkeit. „In Norilsk musste deshalb eine ganze Straße abgerissen werden“, berichtet Tananajew.

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