Die nördlichste russisch-orthodoxe Kirchengemeinde der Welt (FOTOS)

Legion Media
Auf dem Svalbard-Archipel, besser bekannt als Spitzbergen, steht die wohl abgelegenste russisch-orthodoxe Kirche der Welt. Auch im ewigen Eis suchen die Menschen göttlichen Beistand.

Das Svalbard-Archipel in der Arktis gehört zu Norwegen. Im deutschen Sprachraum ist es unter dem Namen Spitzbergen bekannt. Aufgrund eines internationalen Abkommens gibt es dort einige russische Siedlungen und infolgedessen auch die nördlichste russisch-orthodoxe Kirche für die Gläubigen auf dem 78. Grad nördlicher Breite.  

Die Kirche wurde nach einem Flugzeugabsturz errichtet 

Auf der Pariser Konferenz von 1920 wurde ein Abkommen über den Sonderstatus von Spitzbergen unterzeichnet, das die norwegische Souveränität über das Archipel festschrieb. Andere Staaten durften dort aber wirtschaftlich aktiv sein und wissenschaftliche Arbeiten durchführen. In der Vergangenheit hat neben Norwegen vor allem Russland das genutzt. Beide Länder haben auf Spitzbergen Kohle abgebaut, bis die Reserven soweit aufgebraucht waren, dass die Förderung unrentabel wurde. Viele Minen wurden stillgelegt. 

Norwegische Städte gibt es heutzutage nur noch eine Handvoll auf Spitzbergen. Die größte davon ist Longyearbyen mit 2.000 Bewohnern. Die größte russische Siedlung ist Barentsburg mit rund 500 Einwohnern. Sie besteht überwiegend aus ehemaligen Bergleuten und ihren Familien, die schon seit der Sowjetzeit hier leben. Zudem gibt es immer wieder Saisonarbeiter, die in den Minen Kohle für den lokalen Gebrauch abbauen, Führungen für Touristen durch die verlassenen Siedlungen oder Touren entlang der Küste der Barentssee anbieten. 

1996 ereignete sich in der Region ein schrecklicher Flugzeugabsturz. Während des Landeanflugs flog eine Tu-154M aus Moskau mit Minenarbeitern der Firma Arktikugol an Bord in einen Berg. Alle 141 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Zum Gedenken an diese Tragödie wurden im Ortszentrum zwei Kapellen errichtet: die Mandylion-Kapelle und die Kapelle Mariä Himmelfahrt. 

In Barentsburg gibt es keinen russisch-orthodoxen Vollzeitpriester, aber an den kirchlichen Feiertagen finden Gottesdienste statt. Die russisch-orthodoxe Kirche entsendet mehrmals im Jahr Geistliche. Einer der Ersten war der jetzige Patriarch Kirill: 1997, zum ersten Jahrestag des Absturzes, kam er - damals Metropolit von Smolensk und Kaliningrad - um die Kapelle zu weihen.

Kein Platz für Atheisten 

Erzpriester Andrei Blisnjuk, der 2013 Barentsburg besuchte, erinnert sich (rus): „Die Menschen dort sind sehr offen und herzlich. Immer wenn ich durch die Siedlung ging, kamen viele auf mich zu, stellten Fragen oder baten um den Segen. Ich habe keinen einzigen Atheisten getroffen. Es gab Zweifler, es gab Menschen, die Antworten suchten. So war zum Beispiel die Frau verstorben oder der Ehemann hatte die Familie verlassen. Sie alle litten und suchten Rat.“ 

Es reist immer nur ein Priester zum Archipel, eine größere Gruppe wäre zu teuer. Die Gemeindemitglieder gehen dem Priester in der Messe zur Hand. Ein fester Bestandteil der Liturgie sind Gebete für die Bergleute, die hier ums Leben kamen. Die Priester vom Festland gehen auch in die Minen, nicht nur, um mit den Arbeitern zu sprechen. Die Anwohner wünschen sich, dass die Minen gesegnet werden, denn häufig kommt es zu Einstürzen oder Bränden.  

„Bei meinem letzten Aufenthalt habe ich eine Mine geweiht. Zuerst die Gebäude oben, die Förderbänder, das Wärmekraftwerk usw. Dann ging es hinab in 260 Meter Tiefe, um die Bergwerksbahn und das Werkzeug zu weihen. Zwischen den Weihen ging ich ins Büro, um die Zeit zu bestätigen, zu der ich zum Flöz auf 550 Meter Tiefe kommen sollte. In diesem Moment kam eine Meldung über einen Einsturz in einem Abschnitt, in dem gerade ein Minentrupp arbeitete. Seit 2008 hatte es dort keine tödlichen Unfälle mehr gegeben! Der leitende Ingenieur erzählte mir freudig, dass es wohl doch etwas im Himmel geben müsse, denn kurz vor dem Einsturz hätten alle Bergleute den Schacht verlassen.“

Unterstützung der Lutheraner  

Wenn gerade kein russisch-orthodoxer Geistlicher vor Ort ist, können sich die Barentsburger an den Dekan der Svalbard Kirke in Longyearbyen wenden, einen Lutheraner. Es gibt keine Konkurrenz zwischen den Kirchen. Die lutherische Kirche hat der russisch-orthodoxen Gemeinde sogar ein Paket Bibeln in russischer Sprache geschenkt. Man pflegt ein freundschaftliches Verhältnis. 

Wie könnte es anders sein an diesem kalten und abgelegenen Ort am Rande der Erde?

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