Coronavirus: Wie Sie Stress und Angstzustände überwinden können

Jegor Jeremow/Sputnik, Getty Images
Die russische Psychologin Anna Krymskaja vom YouTalk-Onlineberatungsdienst erklärt, wie man in der Krise gelassen bleiben kann.

Stress ist normal, es ist die physiologische Reaktion des Körpers auf jede Veränderung, nicht nur auf negative. Angst (sowie Wut, Traurigkeit oder Unsicherheit) ist die psychische und ebenfalls ganz normale Reaktion auf Stress. Das Coronavirus lieferte gleich drei Stressfaktoren: Angst, Unsicherheit und Ungewissheit.  

Wie kann man dennoch gelassen bleiben? 

  1. Versuchen Sie herauszufinden, was die wahre Ursache Ihrer Anspannung ist 

Im Fall der Pandemie können das Faktoren sein, die den Menschen persönlich betreffen: 

  • Angst um die Gesundheit der Angehörigen;
  • Einschränkungen der eigenen Freiheit;
  • Änderungen der täglichen Routine;
  • drohender Arbeitsplatzverlust;
  • ungewohnt viel Zeit mit der Familie verbringen zu müssen;
  • soziale Isolation, eingeschränkte Kommunikation;
  • Urlaube, Feiern, andere wichtige Ereignisse – nichts findet mehr statt;
  • weiter entfernt wohnende Verwandte oder Freunde können nicht mehr besucht werden. 

Es gibt auch angstauslösende Faktoren, die eher globaler Natur sind: 

  • Informationsflut;
  • drohende Wirtschaftskrise;
  • bisher nie dagewesene Änderungen und Einschnitte, Schließung der Grenzen.
  1. Versuchen Sie zu akzeptieren, was Sie nicht selbst ändern können 

Horchen Sie in sich hinein. Was fühlen Sie, was macht Ihnen Sorgen? Sind es konkrete Fragestellungen? Zum Beispiel: Wie organisiere ich meinen Heimarbeitsplatz und die Betreuung der Kinder? Wie kann ich Lebensmittel einkaufen, ohne vor die Tür zu gehen? Dies sind konstruktive Sorgen. Sie führen oft dazu, dass ein Mensch aktiver wird.  

Oder aber, machen Sie sich eher Sorgen um etwas, was noch gar nicht geschehen ist, von dem Sie aber glauben, dass es in Zukunft geschehen könnte? Dann fragen Sie sich vielleicht: Was ist, wenn die Grenzen endgültig geschlossen wurden, was ist, wenn die Menschheit aussterben wird, wenn das Virus von Außerirdischen stammt?

Dies sind zerstörerische Gedanken, die Ihre Energie rauben. Sie haben keinen Einfluss auf diese Faktoren, daher sollten Sie versuchen, ihre Angst davor zu überwinden. 

Führen Sie ein Angst-Tagebuch. Benennen Sie darin Ihre Ängste und bewerten Sie sie mithilfe einer Skala von null bis 100.

Erkennen Sie, dass Sie Angst haben und akzeptieren Sie es. Versuchen Sie nicht, Ihre Ängste zu leugnen oder zu verdrängen. Beobachten Sie sich aufmerksam. Vielleicht steckt ein tieferes Problem hinter der aktuellen Angst. Versuchen Sie, diesen Zustand zu kontrollieren. Nehmen Sie ihn an und versuchen Sie, ihn zu beeinflussen. 

  1. Verarbeiten Sie ihren Stress auf mehreren Ebenen 

In diesem mehrdimensionalen Modell zur Überwindung von Stress und Krisen gibt es mehrere Kanäle:

  • Körperliche Aktivität (Bewegung jeder Art wie Putzen, Gehen, Fitness, Sex ODER aber auch Ruhe, Schlaf, gesunde Ernährung, Meditation, Atemübungen, Massage, Bäder usw.);
  • Gefühle zeigen (Teilen Sie Ihre Gefühle mit Ihren Lieben, weinen Sie, lachen Sie, spielen Sie mit den Kindern);
  • Kommunikation (Bleiben Sie per Video oder E-Mail in Kontakt, überlegen Sie sich neue Wege. Nehmen Sie den Kontakt zu früheren Bekanntschaften wieder auf. Minimieren Sie jedoch den Kontakt zu Personen, die Sie nur als Blitzableiter für ihre eigenen Ängste missbrauchen. Verbringen Sie mehr Zeit mit Ihrem Haustier);
  • Fantasie und Kreativität (Musik hören, ein Hobby pflegen, einen Rückzugsort finden, real oder imaginär, das Lieblingsbuch lesen … Doch vermeiden Sie schwere Kost. Legen Sie Dostojewski und von Trier beiseite. Befassen Sie sich lieber mit Kusturica und Woody Allen. So beruhigen Sie Ihren Geist); 
  • Seien Sie achtsam! (Einen inneren Dialog führen, Gedanken analysieren, Pläne machen, über angstverstärkende Faktoren nachdenken und überlegen, ob Sie diese beeinflussen können, Informationen filtern, sich an vergangene stressige Momente und den Umgang damit erinnern);
  • Glaube, Werte und Sinnhaftigkeit (Gläubige finden es oft einfacher, mit Situationen umzugehen, die sie nicht kontrollieren können. Vielleicht ist es hilfreich, sich ebenfalls daran zu erinnern, dass nicht alles in unserer Macht liegt. Das 12-Stufen-Programme aus der Suchttherapie kennt zum Beispiel diesen Spruch: „Gott gebe mir die Gelassenheit, zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann und den Mut, das zu ändern, was ich kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“). 

Normalerweise nutzen Menschen im normalen Leben nicht alle diese Ansätze, nur einen oder zwei. Wenn Sie jedoch zuvor auf der Ebene der Logik eine Einigung mit sich selbst erzielen konnten, sollten Sie angesichts des erhöhten Stresses das Repertoire der Ihnen zur Verfügung stehenden Methoden erweitern und vielleicht sogar einmal etwas ausprobieren, was Ihnen zunächst seltsam erscheint. Je mehr Kanäle Sie verwenden, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass Sie ein posttraumatisches Syndrom entwickeln. 

Denken Sie auch daran, dass verschiedene Personen auf unterschiedliche Methoden reagieren. Versuchen Sie also nicht, anderen, auch Ihren Lieben, etwas aufzuzwingen. Wenn keine dieser Methoden hilft, sollten Sie einen Therapeuten aufsuchen.

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