Diese seltsamen Lebensmittel stehen auf der Speisekarte einer Nordpolexpedition

Cyprien Verseux, Carmen Possnig/ESA
Ein Trip zum Nordpol ist vergleichbar mit einem Trip ins All. Nur, dass Sie fünf Tonnen seltsame Lebensmittel mitschleppen.

Bevor der Weltraum der Ort wurde, den jede Supermacht erobern wollte, hatten die Menschen die Pole als Ziel ihrer Träume. Das heftigste Rennen um die Eroberung dieser fand, Sie ahnen es bereits, zwischen den USA und der UdSSR statt. 

Im Jahr 1937 begannen die Sowjets mit der Erforschung des Nordpols, eines der am schwersten zugänglichen Orte der Welt, der keine feste Landmasse ist, sondern eine gigantische Eisplatte im Arktischen Ozean. 

Vieles gab es vor der ersten Expedition zu bedenken, unter anderem auch: Was und wie viel würden die Expeditionsmitglieder essen? Vier Forscher sollten fast ein Jahr lang unter extremen Bedingungen leben, isoliert vom Rest der Welt. 

Salzige Schokolade mit Fleischpulver  

Ein ganzes Jahr lang arbeiteten Spezialisten am Menüplan für die Expedition. Deren Leiter Iwan Papanin hatte den Auftrag gegeben, für zwei Jahre zu planen. Angst vor Hunger schien die Menschen zur damaligen Zeit sehr zu beschäftigen.

Iwan Papanin

Die Herausforderung war groß. Jeder Expeditionsteilnehmer musste 7.000 (!) kcal pro Tag verzehren. Ein erwachsener Mann benötigte dagegen unter normalen Bedingungen lediglich 2.500 kcal pro Tag. 

Wie sollte man diese Menge zusammenbekommen? Welche Lebensmittel brauchte es? Wie viel würde für zwei Jahre benötigt? Die Sowjets entschieden sich für Lebensmittelkonzentrate oder Halbfertigprodukte.

Das Zentralforschungsinstitut für Ernährung entwickelte 40 verschiedene Konzentrate in Würfelform, von Putenschnitzel über Borschtsch bis hin zu „einer Art salziger Schokolade mit Huhn- und Fleischpulver“. Diese besondere Erfindung galt als besonders geeignet zur Ernährung unter extremen Bedingungen, soll aber nach Angaben der Expeditionsteilnehmer wahrhaft scheußlich geschmeckt haben.

Bruststück in einer Packung

Die Zubereitung war einfach: Ein Konzentratwürfel wurde drei bis fünf Minuten in heißem Wasser aufgelöst. Die Zeit wurde gestoppt, denn das Kochen durfte nicht zu lange dauern. 

Es wurde viel getestet für das optimale Nordpol-Menü. So wurde festgestellt, dass sich geschmolzener Käse besonders gut zu Pulver verarbeiten ließ. 

Doch trotz aller großartigen Bemühungen wogen die für die Expedition benötigten Lebensmittel noch immer fünf Tonnen. 

Ein Menü für Polarforscher 

Konzentratwürfel

Zentralinstitutsdirektor Michail Beljakow stellte ein typisches Polar-Menü vor. Es bestand aus Frühstück, Mittagessen, Nachmittagstee, Abendessen mit je drei bis sechs Gängen oder Gerichten. 

An Tag 1 gab es zum Beispiel zum Frühstück Kaffee, Laichkaviar, Omelett und Brotcroutons mit Fleisch. Zum Mittagessen wurden Borschtsch mit gedämpfter Hühnerbrust, Fleischpastetchen mit Erbsen, Obstkompott und Brot serviert. Zum Poldnik (Snack am Nachmittag) gab es Tee mit Vitaminbonbons, Croutons und „Salo“ (Schweineschmalz). 

Alle halbfertigen Lebensmittel wurden in speziellen Verpackungen mit einem Gewicht von jeweils 44 kg versiegelt transportiert. Dazu gab es noch Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Butter und so weiter. Auch 150 Kilogramm gefrorene Pelmeni gingen mit auf die Reise. Iwan Papanin hatte kein Vertrauen in das Lebensmittelkonzentrat. Es gab auch Alkohol, Cognac und Schnaps. 

Laichkaviar (oder schwarzer Kaviar) wurde esslöffelweise konsumiert, ohne Brot, wie die Russen es lieber essen, denn davon gab es nur sehr wenig. 

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Was Polarforscher heutzutage essen 

Auf der Küche des Restaurants auf dem Atomeisbrecher „50 Let Pobedy”

In der heutigen Zeit erfordert eine touristische Reise zum Nordpol kaum ein besonderes „Polarmenü“. Der nukleare Eisbrecher, der Touristen dorthin bringt, hat an Bord alle nur erdenklichen Annehmlichkeiten und Luxus: Pool und Sauna und ein Restaurant mit gehobener europäischer Küche.  

Wenn Sie jedoch an einer Expedition teilnehmen, werden auch Ihnen die guten alten Konzentratwürfel begegnen. Lecker!

„Wir nehmen Salo mit auf unsere Reise, wir lieben es sehr", sagt Matwej Schparo, Direktor von „Laboratoria Puteschestwij“. „Wir haben auch Schokolade, Nüsse und Trockenfrüchte dabei. Darüber hinaus essen wir meist Halbfertigprodukte, zum Beispiel Haferbrei mit Fleisch und Borschtsch. Es ist nicht das schmackhafteste Essen, aber es ist schnell zubereitet und nahrhaft.“ 

Fischkonserven

Eine Reise zum Südpol verlangt dagegen eher wenige kulinarische Entbehrungen, weiß Wiktor Bojarskij, früher selbst Polarforscher und Direktor des Staatlichen Arktis- und Antarktismuseums. „Dort gibt es eine US-amerikanische Polarstation, in der das Essen gar nicht schlecht ist. Sie haben frisches Gemüse und Obst, das ihnen regelmäßig per Flugzeug geliefert wird. 

Auf unserer russischen Station Wostok ist Gemüse Mangelware. Wir bekommen nur zwei Lieferungen pro Saison. Alles andere ist aber vorhanden: Fleisch, Müsli usw.“ 

Auf der russischen Station wird ein gewöhnliches russisches Menü angeboten. So gebe es laut Bojarskij zum Frühstück Haferbrei, Käse und Wurst, zum Mittagessen Borschtsch. Aus Schnee, Zucker, Sirup und Fruchtmarmelade wird Eis hergestellt.

„Bier und Wein sind Delikatessen in der Antarktis“, fährt er fort. Das gelte für alle Produkte, die die Kälte nicht gut vertragen. „Eine Doktorskaja-Wurst ist besser als eine geräucherte. Die Doktorskaja kann nicht eingefroren werden. Sie wird hart wie ein Stein und wenn sie auftaut, besteht sie nur noch aus Wasser. Die geräucherte dagegen kann auch gefroren verzehrt werden, deshalb gibt es diese hier tagaus, tagein. Wenn Sie einem Polarforscher also eine Freude machen wollen, bringen Sie ihm Doktorskaja-Wurst statt geräucherter mit und Bier statt Wodka, alles andere haben wir mehr als genug“, sagt Bojarskij. 

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