Ohne Musik und Dancefloor: Wie sieht die kleinste Bar der Welt aus?

profsouzbars; Victoria Ryabikova
Wie fühlt es sich an, in einem 3 m² großen Raum zu trinken? Wir sehen uns die kleinste Bar der Welt an, die am 7. August in Moskau eröffnet wurde – das „Troinichok“

„Tut mir leid, heute Abend ist eine geschlossene Veranstaltung, nur mit Gästeliste“, versperrt mir die Einlasskontrolle den Weg. Ich schaue meine Freundin nervös an. Eigentlich sind wir passend für  einen Bar-Court mit Durchschnittspreisen von 500 Rubel (5,70 Euro) pro Cocktail – der Ort, an dem sich die kleinste Bar der Welt befindet – angezogen…

Wir setzen unsere ultimative Waffe ein – den Presseausweise. Eine Minute später stehen wir vor der Tür. Über den beiden Fenstern steht „Troinichók“ (dt.: Dreier) und an der Tür ist ein Schild „Geschlossen“ angebracht, was darauf hinweist, dass bereits Besucher im Inneren sind.  

Nach den Regeln des Etablissements dürfen sich gleichzeitig nur zwei Gäste und der Barkeeper im Raum aufhalten, die Besuchszeit ist offiziell auf 30 Minuten begrenzt. Reservieren im Voraus ist nicht möglich – Sie können nur freitags oder samstags kommen (den Öffnungszeiten der Bar) und entweder warten, bis Sie an der Reihe sind, oder zwischendurch woanders hingehen und hoffen, dass die Bar frei sein wird, wenn Sie zurückkommen.

Wir warten etwa 40 Minuten. Währenddessen kommen ständig neue Besucher zur Bar, schauen sogar durch die Fenster, stellen sich aber nicht in die Schlange, sondern bevorzugen günstigere Lokale. Schließlich öffnete sich die Tür und zwei lachende Mädchen kommen aus der Bar. In der Hoffnung, den gleichen Spaß zu haben, gehen wir hinein.

„Ich bin (k)ein Zauberer“

Beim Eintreten sehen wir Glasmosaiks an den Wänden des „Troinichok“, unzählige Flaschen, Vintage-Kronleuchter und den strahlend lächelnden Barmann Anton. Wir bestellen Sangria, aber Pustekuchen! „Ich bin kein Zauberer, wir mixen die Cocktails im Rahmen der Möglichkeiten. Ich kann etwas Ähnliches aus Rotwein zubereiten“, schlägt uns der Barkeeper vor und beginnt, nachdem er unsere Zustimmung eingeholt hat, mit Flaschen und Gläsern zu hantieren.

Es herrscht eisiges Schweigen, lediglich unterbrochen vom Geräusch des Shakers. Es ist uns unangenehm, über persönliche Themen zu sprechen, wissend, dass ein Dritter sich in unser Gespräch einmischen wird. Andererseits weiß der Barkeeper offensichtlich nicht, wie er Smalltalk führen soll, wenn keiner etwas sagt. Dann beginnt er jedoch zu erzählen, dass bereits in der zweiten Woche die Besucher vor der Bar viele Stunden Schlangen stehen und dass wir uns glücklich schätzen können, nur so kurz gewartet zu haben.

Um die allgemeine Anspannung irgendwie zu lockern, erinnere ich mich daran, wie ich zum ersten Mal Wodka probiert habe. Als ich die Geschichte gerade beende, stellt Anton den Weinaroma-Cocktail auf die Theke, wir nehmen einen Schluck und...

„Warum zum Teufel sollte ich hier einen Baukredit aufnehmen, wenn ich in Amerika leben will? Und Russen mag ich sowieso nicht – ich will einen Ami!“, echauffiert sich meine Freundin und trinkt den letzten Schluck ihres Cocktails. War das Glas nicht gerade eben noch voll??

„Nun, dann musst du halt einen Amerikaner heiraten“, nörgele ich.

„Aber nur aus Liebe – ich werde mit niemanden für Geld schlafen!“

„Alles nur aus Liebe! Mädels, ich werde überhaupt keinen Baukredit bekommen – mein Gehalt beträgt gerade einmal 20.000 [Rubel im Monat – umgerechnet 230 Euro]“, mischt sich in das Gespräch Anton ein, der Wasser statt eines Cocktails trinkt.

Ich schaue auf meine Uhr und stelle fest, dass bereits fast eine Stunde vergangen ist. Und dass ich mich absolut nicht daran erinnere, wie unser Gespräch sich in typischen Weiber-Tratsch verwandelt hat. Das Fehlen von Musik und Außengeräuschen stört uns inzwischen auch nicht mehr – unser Gespräch hat unsere gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.

Nachdem wir die Cocktails bezahlt haben (700 Rubel bzw. 8,00 Euro für jeden), ziehen meine Freundin und ich langsam zu einer anderen, ebenfalls ruhigen Bar. Auf dem Weg diskutieren wir darüber, dass das Abhängen auf einem Dancefloor heute und vielleicht auch in den nächsten Wochen keine Option ist – zu gemütlich war unser Besuch im „Troinichok“.

>>> Survival Guide: So trinkt man mit Russen

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