Der Fotograf Alexander Chimuschin wurde in Jakutien geboren und verbrachte lange Zeit in Australien. Er fotografiert seit über zwölf Jahren Angehörige indigener Völker auf der ganzen Welt. In seinem Fotoprojekt „World in Faces“ (zu Deutsch „Gesichter der Welt“) zeigt er ihre Porträts. Alexander lebt inzwischen in Moskau und war auch in der russischen Heimat auf Fotoexpedition. Sein Weg führte ihn vor allem abseits der traditionellen Touristenziele.
„2014 habe ich bei der Durchsicht meiner Fotos viele Porträtaufnahmen entdeckt und fand, dass die Begegnungen mit diesen Menschen der interessanteste Teil meiner Reisen waren“, sagt Alexander, der sich selbst als Nomadenfotograf bezeichnet. „Wenn Sie die Grenze überqueren, ist das erste, was Sie erleben, nicht eine andere Natur, sondern eine andere Kultur und Mentalität.“
Alexander veröffentlichte die ersten 200 Porträts im Internet unter dem Titel „Gesichter der Welt“. Er schrieb einen beliebten Reiseblog, bevor er sich entschied, sich zukünftig ganz diesem Projekt zu widmen.
Alexander reist seit 2016 durch Russland. Seine ersten Expeditionen führten ihn nach Sibirien und in den Fernen Osten. Er wählt seine Modelle spontan aus. Einige der Fotos warten jahrelang auf ihre Veröffentlichung, während andere viral gehen oder sogar auf den Titelseiten von Zeitungen wie „Daily Mail“, „Daily Mirror“ und „Daily Telegraph“ erscheinen.
Der Fotograf ist meist ein paar Wochen unterwegs, denn viele der indigenen Völker leben in abgelegenen Gegenden. Es braucht Zeit, dorthin zu gelangen. Die Kleidung wird erst vor Ort ausgewählt. Die Einheimischen wählen gerne Tracht und traditionellen Schmuck der Vorfahren.
Bisher hat Alexander Angehörige von etwa 30 indigenen Völkern Russlands und Dutzenden anderer ethnischer Gruppen aus der ganzen Welt fotografiert. Viele dieser Völker gelten offiziell als gefährdet.
„Ich war an Orten, an denen noch weniger als ein Dutzend Angehörige der indigenen Völker leben“, sagt Alexander. „Dies sind Punkte auf der Karte, die schwer zu erreichen sind. Wenn Sie dort ankommen, stellen Sie fest, dass dort tatsächlich keine kulturellen Artefakte mehr vorhanden sind. Es gab Situationen, in denen Trachten auf der Grundlage alter Skizzen speziell für das Shooting angefertigt werden mussten.“
Tschuwaschien war das erste Gebiet im europäischen Teil Russlands, in dem Alexander ein Fotoshooting machte. „Ich habe alte Babuschkas in den Dörfern und junge Frauen in traditioneller Kleidung fotografiert. Ein örtliches Museum versorgte uns mit echten silbernen Kopfbedeckungen aus dem 18. Jahrhundert, die absolut großartig waren! Es stellte sich auch heraus, dass viele Tschuwaschen noch Trachten ihrer Urgroßmütter besaßen, die mit alten Münzen verziert waren.“
>>> Zwischen den Weltreligionen: Die letzten Heiden der Tschuwaschen
„Das, was mir an meiner Arbeit am meisten Spaß macht, ist die Begegnung mit den Menschen“, sagt Alexander. „Ich verzichte meist darauf, vorher einen Reiseführer zu lesen, um völlig unvoreingenommen zu sein.“
„Jetzt kennt mich jeder und begrüßt mich wie einen Verwandten“, erzählt Alexander. „Als ich eine Reise nach Kamtschatka plante, habe ich einige meiner virtuellen Kontakte in sozialen Medien angeschrieben. Nur einen Tag später hatte ich schon Menschen, die mit der lokalen Kultur vertraut waren, kennengelernt, die meine Reise organisiert haben.“
Alexander hat jetzt Tausende von Porträts in seiner Sammlung und er hat nicht die Absicht, aufzuhören. „Es gibt viele indigene Völker in Russland, und ich möchte sie alle zeigen, aber ich verstehe, dass dies eine große Aufgabe ist, vielleicht eine Lebensaufgabe.“
„Einige der Menschen auf meinen Fotos, wie zum Beispiel diese Babuschka, sind bereits verstorben“, sagt Alexander. „Mit ihnen stirbt auch die Kultur dieser Völker. Eines der grundlegenden Ziele meines Projekts ist es, junge Menschen für die Bewahrung der Traditionen und der Sprache ihrer Völker zu sensibilisieren, insbesondere derjenigen, die weit entfernt von der Zivilisation liegen.“
Alexander organisiert Ausstellungen in verschiedenen Teilen der Welt, zum Beispiel 2019 im UN-Hauptquartier in New York, um möglichst viele Menschen in die Kultur der indigenen Völker einzuführen. Derzeit zeigt er seine Aufnahmen im Ethno-Zentrum in der Nähe von Ulan-Ude, der Hauptstadt Burjatiens. Sogar Schauspieler Steven Seagal war schon zu Gast. Eine große Ausstellung wird nächstes Jahr bei der UNESCO in Paris vorbereitet und ist dem bevorstehenden Jahrzehnt der indigenen Sprachen gewidmet.