Gastronomie in der Krise: Auf diese Ideen setzten russische Restaurants in der Pandemie

Michail Woskresenski/Sputnik
Die Einrichtung von Abhol- und Lieferservices, Dark Kitchens, Kochboxen: Die russische Gastrobranche setzte während des Lockdowns auf neue Angebote, um zu überleben. Insider berichten, wie sie die Krise gemeistert haben.

Am 28. März schlossen wegen der Ausbreitung des Coronavirus zunächst in Moskau und der Region Moskau die Restaurants. Andere Regionen folgten nach. Seit dem 16. Juni dürfen in der Hauptstadt und den angrenzenden Regionen die Gastronomiebetriebe teilweise wieder öffnen. Doch auch nach dem Ende der Beschränkungen blieben 20 Prozent der Moskauer Restaurants geschlossen. Zum Teil ist die Schließung dauerhaft. Überlebt haben vor allem diejenigen, die über das Internet einen Lieferdienst für ihre Speisen oder Kochboxen angeboten haben. Wir haben verschiedene Restaurantketten gefragt, wie sie mit der Coronakrise umgehen und was sie für die Zukunft geplant haben. 

Status quo

Henrik Winther, Mitbegründer von Tigrus Hospitality Services (bietet 5 Konzepte für Restaurants, über 30 Restaurants in Russland)

„Meiner Meinung nach kommen wir in Russland schneller und unbeschadeter aus der Krise als die Kollegen im Ausland. Bisher haben wir uns dank des schnellen und strengen Lockdowns im Land in die richtige Richtung bewegt. In Regionen, in denen bereits wieder Lockerungen eingeführt wurden, geht es den Restaurants sehr gut.

In unseren Restaurants Osteria Mario und Schwili in Kasan und Toljatti beispielsweise ist der Umsatz gerade wesentlich höher als im Vorjahreszeitraum. Das haben wir nicht erwartet.

Georgisches Bistro „Schwili“

In Moskau boomen die Restaurants in der Nähe von Einkaufszentren und Wohngebieten. Trotz eines Gewinnrückgangs von 20 Prozent während der Krise kommt jetzt eine neue Dynamik. Die Leute, die noch im Homeoffice arbeiten, gehen gerne in fußläufig erreichbare Restaurants. Aktuell liegt unser Umsatz bei 90 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert.

Sicher, der Markt ist immer noch angespannt. Nach unseren Daten blieben rund 20 bis 30 Prozent der Restaurants geschlossen. Die Mieten in Moskau sinken jetzt. Einige erstklassige Standorte sind freigeworden und können nun neu genutzt werden.“  

McDonald’s: Fast Food hält die Stellung 

Natalia Merkuschowa, Senior PR-Manager, McDonald’s Russland

„Schon vor der Pandemie waren unsere internen Hygienevorschriften viel strenger als die von außen auferlegten, sodass wir kaum Restaurants komplett schließen mussten. Wir haben schnell auf Abhol- und Lieferservice umstellen können. Die meisten unserer Filialen blieben während des gesamten Lockdowns geöffnet (70 Prozent wurden auf Abholung und Lieferung umgestellt, nur die Filialen in Einkaufszentren wurden geschlossen). Wir haben alle Sicherheitsstandards erfüllt. Anfang Juni haben wir unser Konzept für besonders sichere Restaurants präsentiert. 

Während der Pandemie verzeichneten McDrive und McDelivery ein beispielloses Umsatzwachstum. Die Lieferungen haben sich im Vergleich zur Zeit vor dem Lockdown vervierfacht. In einigen McDrives wurden mehr als 200 Fahrzeuge pro Stunde bedient. Obwohl unsere Restaurants vor einiger Zeit wiedereröffnet wurden, bestellen Kunden weiterhin weitaus mehr Gerichte zum Mitnehmen als vor dem Lockdown.“ 

Kochboxen, Discount-Lieferdienst und digitales Marketing 

Ilona Fedotowa, Gastronomin, Gründerin von IF Studio Production, Restaurant- & Gastronomieprojekte

„Glücklicherweise haben viele Projekte die Pandemie überdauert. Wir haben sie angepasst und neue Dienste entwickelt. In unserem Unternehmen haben beispielsweise Drinks@Dinners und Uchwat einen Online-Lieferdienst eingerichtet und ihre Webseiten entsprechend überarbeitet. 

Drinks@Dinners bietet auch Kochboxen an (Fleischgerichte, Fischspezialitäten, Quarkpfannkuchen, Pelmeni, Knödel, gedünstetes Fleisch) und Imbissgerichte zu günstigen Preisen ebenso wie hochwertigere Online-Menüs oder ganze Bankette.  

Während der Pandemie haben wir unsere digitalen Marketingaktivitäten verstärkt. Unser Küchenchef bei Uchwat hat einen YouTube-Blog gestartet, in dem er russische Rezepte und Lifehacks teilt.“ 

Dessertboxen und Cafés ohne Kellner

Jewgenija Golowkowa, geschäftsführende Gesellschafterin der Süßwarenkette Kuzina (Moskau, Nowosibirsk, Tomsk, Barnaul)

„Durch die Pandemie wird das Kochen aus vorkonfektionierten Boxen, die alle Zutaten eines Rezepts enthalten, immer beliebter. Wir versuchen, diese Nische im Süßwarensegment zu besetzten. Wir liefern unseren Kunden die Zutaten und unsere Rezepte, damit sie unsere Produkte selbst nachkochen können. 

In Nowosibirsk planen wir eine Konditorei ohne Servicepersonal. Die Kunden bestellen von der digitalen Speisekarte, kochen sich ihren Kaffee selbst und wählen ein Dessert. Sie bezahlen bequem mit Karte.“  

Restauranteröffnung ohne Restaurant 

Goscha Karpenko, Mitbegründer von Rusalotschka Sushi und CEO der HURMA Gruppe

„Unser japanisches Restaurant Rusalotschka (zu Deutsch „kleine Meerjungfrau“) Sushi wurde letzten Sommer in Moskau eröffnet. Die Abholung war damals nur eine Idee, aber als Lockdown und Homeoffice kamen, wurde uns klar, dass wir diese schnell umsetzen mussten.  

Der nächste Schritt ist der Übergang zu lokalen sogenannten Dark Kitchens, Küchen ohne Sitzplätze und Service. Anfang August haben wir unsere erste Dark Kitchen eröffnet. Im kommenden Jahr planen wir die Eröffnung von zehn Filialen in verschiedenen Bezirken Moskaus. Die Vorteile dieses Formats sind die geringeren Miet- und Startkosten. Wenn es schief geht, sind die Verluste überschaubar.“ 

Wie sieht es in den Regionen aus? 

Maria Tjumenewa, Gründerin von Appetizing Marketing (eine der größten Agenturen für Restaurantwerbung in Russland)

„Wir arbeiten derzeit mit 40 Restaurants im ganzen Land zusammen und haben viele Anfragen, die die Eröffnung neuer Standorte betreffen, sowohl von großen Restaurantgruppen als auch von neuen Marktteilnehmern. 

Cococo Bistro in St. Petersburg

In den Regionen blieben im Gegensatz zu Moskau alle unsere Verträge intakt. In St. Petersburg haben wir das Bio My Bio-Projekt gestartet - das einzige Restaurant in Russland, das während der Pandemie eröffnet wurde und als Lieferdienst startete. Und als die Außenterrassen wieder geöffnet werden durften, haben wir ein weiteres Projekt umgesetzt: das Cococo Bistro.“  

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