Ende einer Ära: Moskau schickt seine Trolleybusse in Rente (FOTOS)

Sergei Fadeitschew/TASS
Seit 1933 prägten Oberleitungsbusse das Moskauer Stadtbild. Sie waren ein sehr beliebtes Transportmittel. In diesem Jahr stellen sie ihre Dienste endgültig ein.

In den 1930er Jahren stieg die Bevölkerungszahl in Moskau stark an und damit wuchs auch der Bedarf an neuen Transportmitteln. Damals nutzten die Bewohner der Hauptstadt vor allem die Straßenbahn. Über 90 Prozent der Einwohner waren täglich damit unterwegs. 

Einer von Stalins engsten Vertrauten, Lasar Kaganowitsch, der für einen allgemeinen Plan zum Wiederaufbau Moskaus verantwortlich war, arbeitete hart daran, die erste U-Bahnlinie zu implementieren und die Anzahl der Busse in der Stadt zu erhöhen.

Überraschenderweise hatte der Oberleitungsbus, kurz O-Bus, als Transportmittel für den Vordenker des neuen Moskauer Verkehrsplans keine Priorität.

Nikita Chruschtschow hingegen gefiel die Idee von Trolleybuslinien in Moskau sehr. Doch der spätere mächtige sowjetische Führer hatte in den 1930er noch viel weniger Einfluss als Kaganowitsch. 

Um die Zukunft des Oberleitungsbusses in Moskau zu sichern, schlug Chruschtschow vor, das erste Modell der Moskauer O-Busse nach Lazar Kaganowitsch „LK“ zu nennen. 

Die erste O-Bus-Strecke in Moskau wurde am 15. November 1933 im Bereich der Autobahn Leningradski eröffnet.

Bis Ende 1934 waren in Moskau bereits insgesamt 50 Trolleybusse im Einsatz. Andere Städte der UdSSR wie Kiew, Rostow am Don, Tiflis und Leningrad (heute St. Petersburg), übernahmen dieses Transportmittel.  

Die Geschichte des Oberleitungsbusses in Leningrad ist jedoch von einem tragischen Vorfall geprägt. Am 26. Dezember 1937 stürzte ein LK-5-O-Bus in den Fluss Fontanka. Bei der Tragödie sind alle elf Passagiere an Bord ums Leben gekommen. Inmitten des Stalin-Terrors wurden der Leiter des städtischen Oberleitungsbusdienstes, der Chefingenieur des Fuhrparks und weitere Personen in Zusammenhang mit dem Unglück verhaftet und hingerichtet. Alle O-Busse vom Typ „LK“ wurden in Leningrad außer Dienst gestellt. 

Das erste „LK“-Modell hatte viele Schwachstellen. Wichtige Teile der Oberleitungsbusse bestanden aus Holz. Dieses Material war nicht zuverlässig und wetterbeständig genug. Das Image der Trolleybusse war daher nicht gut. Den ersten Modellen fehlten zudem eine Heizung und Scheiben, was den Betrieb unter den rauen Bedingungen des russischen Winters sehr erschwerte.

Dennoch wurde das neue Transportmittel unter den Russen schnell beliebt. Es wurde mehr als Attraktion und Unterhaltung betrachtet. 

Ein neueres und fortschrittlicheres Modell des sowjetischen Oberleitungsbusses erschien 1936. Es wurde nach einer Fabrik in Jaroslawl „JATB-1“ genannt. Ein in Großbritannien hergestellter O-Bus war die Grundlage des Prototyps. Ein leitender Ingenieur hatte zwei Modelle des britischen O-Busses 1935 während einer Geschäftsreise nach Großbritannien gekauft.  

Obwohl die Karosserie des „YATB-1“ ebenfalls aus Holz bestand und nur mit einer dünnen Stahlschicht ummantelt war, war sie dennoch besser als ihre Vorgängerin. Es gab ein Heizsystem und gepolsterte Sitze. Das Hauptproblem dieses Modells bestand darin, dass die elektrischen Komponenten nicht ausreichend vor Feuchtigkeit und Staub geschützt waren, was zu häufigen Fehlfunktionen führte.

Ein neues Modell namens „MTB-82“ kam 1946 auf die Straße. Es wurde in der „Fabrik Nr. 82“ des Volkskommissariats der Luftfahrtindustrie der UdSSR hergestellt und von einem Luftfahrtingenieur namens Naum Tschernijakow entworfen. In den 1950er Jahren war der „MTB-82“ das häufigste Trolleybusmodell in der Sowjetunion. Insgesamt wurden 5.000 Stück hergestellt.

Bevor das nächste neue O-Bus-Modell veröffentlicht wurde, unternahmen die sowjetischen Ingenieure einen erfolglosen Versuch, den „MTB-82“ durch den „TBU-1“-Trolleybus zu ersetzen. Es wurden davon nur ein Prototyp und eine experimentelle Reihe von zehn Bussen hergestellt. Ingenieure entdeckten schwerwiegende Konstruktionsmängel und die Produktion wurde wieder eingestellt.

Das erfolglose Experiment ermöglichte es den sowjetischen Ingenieuren jedoch, ein viel besseres Trolleybusmodell namens „ZiU-5“ zu entwickeln. Dieses wurde 1959 vorgestellt und in vier verschiedenen Modifikationen gebaut. Die geräumigste Variante bietet Platz für bis zu 120 Passagiere. Dieser O-Bus war zudem viel schneller als alle seine Vorgänger.

1972 kam erneut ein neues Modell auf den Markt, der Trolleybus „ZiU-9“. Er wurde auch international sehr bekannt und die Sowjetunion exportierte dieses Modell schließlich nach Ungarn, Griechenland, Deutschland, Bulgarien und sogar nach Argentinien. Der neue O-Bus war sehr geräumig und hatte eine dritte Tür in der Mitte. Insgesamt 42.000 Oberleitungsbusse dieses Modells wurden in der UdSSR und später in Russland von 1972 bis 2013 hergestellt. Es war das meistproduzierte O-Bus-Modell der Welt.  

Nach und nach ersetzte die Stadtregierung die Oberleitungsbusse in Moskau durch Elektrobusse. Die meisten alten Stromleitungen der O-Busse wurden bis 2019 abgebaut. In der Nacht vom 24. auf den 25. August beendete der letzte Moskauer Trolleybus seine Tour. 

Eine Oberleitungsbuslinie in Moskau gibt es jedoch noch. Am 4. September 2020 wurde eine Strecke vom U-Bahnhof Komsomolskaja zum Jelochowskaja-Platz in Betrieb genommen, als Hommage an das langjährige Haupttransportmittel der Stadt. 

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