„Meine Freunde und ich haben Gymnastik gemacht, während einige Schulkinder auf der Eisbahn Schlittschuh liefen. Sie waren mit so viel Begeisterung dabei, dass wir ein wenig neidisch wurden. Als wir Kinder waren, gab es noch keine Eisbahnen. Eine von uns fragte plötzlich, warum wir nicht auch Schlittschuh laufen.“ Das war die Geburtsstunde der ersten russischen Rentnerinnen-Eishockeymannschaft, berichtet (rus) Walentina Fjodorowa aus dem Dorf Beresnik im Bezirk Ustjanski in der Region Archangelsk. Die 80-jährige war früher Schulleiterin.
Walentina Fjodorowa
Alexander Demiantschuk/TASSWalentina, die auch die Ortsvorsteherin war, rief Wladimir Butorin an, den CEO eines örtlichen Holzunternehmens und fragte ihn, ob er Schlittschuhe für ein Rentnerinnenteam sponsern wolle. Butorin tat noch mehr: Er engagierte eine Trainerin, Maria Onolbajewa, die ehemalige Torhüterin der russischen Frauen-Eishockeynationalmannschaft, die zahlreiche russische Meisterschaften gewann und an den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver teilnahm.
Maria Onolbajewa
Alexander Demiantschuk/TASSIm Januar 2019 nahmen die Babuschkas ihr Training auf. Zuerst mussten sie Schlittschuhlaufen lernen. Sie verwendeten zunächst Laufhilfen für Kinder, in Form von Pinguinen oder Eichhörnchen.
„Keine von uns hatte jemals zu vor auf Schlittschuhen gestanden. Aber wir waren alle bereit. Ich hatte manchmal Probleme, auf normalem Boden zu laufen und nun bewegte ich mich mit meinen 79 Jahren auf dem Eis fort. Wir liefen also Schlittschuh und plötzlich sagte unsere Trainerin Mascha frech: ‚Meine Damen, versuchen wir es mal mit Stöcken!‘ Sie warf noch ein paar Pucks auf das Eis und wir spielten damit. Wir kamen immer besser zurecht“, erzählt Fjodorowa in einem Interview mit der Zeitschrift „Nation“. Als ältestes Teammitglied wurde sie zur Kapitänin gewählt.
Nach mehreren Trainingseinheiten erhielt das Team professionelle Ausrüstung und Trikots. Walentina Fjodorowa erinnert sich, dass alle Trainer auf der Eisbahn eingespannt wurden, den Damen zu helfen. Inzwischen brauchen sie keine zehn Minuten mehr, um sich umzuziehen.
Die Babuschkas absolvierten ihr erstes Spiel am 22. Februar 2020. Zunächst gab es keine passenden Gegner für die Mannschaft von Ustjanotschka. Also wurde von der Trainerin eine weitere Frauenmannschaft aufgebaut, die aus Beschäftigten des Holzunternehmens Ustjanski (UTC) bestand. Die Spielerinnen von Ustjanotschka waren mehr als doppelt so alt wie sie, doch den jüngeren fehlte es dafür an Erfahrung und Training. Am Ende siegte Ustjanotschka mit 2:1.
„Es war brechend voll. Es gab nicht einmal genug Platz für alle Zuschauer. Meine ganze Familie war dort: drei Kinder, drei Enkel und drei Urenkel - aus verschiedenen Städten. Ich kannte viele Besucher noch aus der Schule und sie alle drückten uns die Daumen. Als wir den ersten Treffer erzielten, tobte das Publikum. Wir dachten, die Eishalle würde einstürzen“, sagt die Mannschaftskapitänin.
Während des Spiels gegen UTC gab es sogar eine Rangelei zwischen den Teams, da es einer der Babuschkas nicht gefallen hatte, dass eine der jüngeren Eishockeyspielerinnen versucht hatte, sie zu Fall zu bringen, verriet Maria Onolbajewa, die Trainerin von Ustjanotschka.
„Ich sagte ihnen: Meine Damen, wenn Sie Hockey spielen, vergessen Sie, dass irgendjemand Rücksicht auf Ihr Alter nimmt. Und eine sagte daraufhin, dass sie dann das nächste Mal mit ihrem Stock zuschlagen würde“, erinnert sich Onolbajewa an ein Gespräch nach einem Spiel.
Alle weiteren Spiele mussten wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt werden, aber die Babuschkas trainieren weiter: dreimal pro Woche auf der Eisbahn und zweimal pro Woche im Fitnessstudio. Außerdem absolviert Ustjanotschka weiterhin kleine Trainingsspiele und bereitet sich auf das nächste offizielle Turnier vor.
Spielführerin Walentina Fjodorowa hat noch große Pläne für diesen Winter. Am 29. Dezember findet vor Neujahr traditionell auf dem Roten Platz ein Freundschaftsspiel unter Beteiligung von Wladimir Putin statt, erklärte (rus) Jelena Wtorigina, Vorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder am 19. November. Fjodorowa freut sich jetzt schon sehr auf dieses Match.
„Natürlich haben wir alle unsere Beschwerden. Wenn wir zur Eisbahn gehen, knackt und schmerzt immer irgendetwas. Aber wenn wir die Schlittschuhe anhaben, sind alle Wehwehchen nach fünf Minuten vergessen. Nach einer Trainingseinheit sind wir immer sehr zufrieden <...>. Und wenn wir es zu einem Spiel im Kreml schaffen, treten wir dort nicht an, um zu verlieren“, macht Fjodorowa eine Ansage.
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