Tradition: Warum legen Russen frische Blumen an Denkmälern ab?

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ANNA SOROKINA
Denkmäler für Schriftsteller, Wissenschaftler, Dichter und viele andere historische Persönlichkeiten in Russland sind oft von einem Blumenteppich umgeben. Wer legt sie dort ab und warum?

Das Denkmal für einen der beliebtesten Dichter Russlands, Alexander Puschkin, steht in der Innenstadt von Moskau. Offiziell werden dort nur an Staatsfeiertagen Blumen abgelegt, tatsächlich sieht man dort aber das ganze Jahr über hübsche Blumengebinde und Kränze. Dabei ist es ein ganz gewöhnliches Denkmal, wie man es tausendfach auf städtischen Plätzen in Russland sieht.

Die Blumen sind unter anderem an Denkmälern für berühmte Dichter, Musiker und an Kriegsdenkmälern zu beobachten. Aber woher kommt dieser Brauch?  

Frisch oder künstlich? 

Tatsächlich gibt es in vielen Ländern die Tradition, frische Blumen an Gräbern und Denkmälern niederzulegen. In der christlichen Vorstellung symbolisieren Blumen die Hoffnung auf ewiges Leben und eine lebendige Erinnerung an diejenigen, die von uns gegangen sind. Künstliche Blumen sind nur auf Gräbern zu sehen, die nicht sehr oft besucht werden, da sie nicht gepflegt werden müssen.

Es ist auch ein russischer Brauch, nur eine gerade Anzahl von Blumen an Gräbern zu legen, was die Endgültigkeit des Lebens symbolisiert. Auch das Aussehen der Blumen ist wichtig. Zum Beispiel werden im Fall einer jungen Frau blasse Lilien gewählt, für Freunde Chrysanthemen, diejenigen, die einen tragischen Tod gefunden haben, bekommen Burgunderrosen und Angehörige des Militärs Nelken. Auch Zweige von Nadelbäumen wie Fichte, Wacholder oder Kiefer schmücken Grabstätten. 

Sowjetische Tradition 

Erst in der Sowjetzeit begannen die Menschen, Blumen an Denkmälern niederzulegen, die nicht als Gräber dienen. Zum Beispiel als Zeichen nationaler Dankbarkeit für das Versprechen einer besseren Zukunft - wie im Fall des Vaters der russischen Revolution von 1917, Wladimir Lenin. Solche Denkmäler gibt es bis heute praktisch in jeder russischen Stadt.

Nach dem Großen Vaterländischen Krieg legte die UdSSR sehr viele Kriegsdenkmäler an. Traditionell legen Russen Kränze und Nelken auf die Gräber der Soldaten, die für das Vaterland kämpften.

Kränze enthalten oft rote oder burgunderrote Rosen, die vergossenes Blut symbolisieren. Rosa oder orangefarbene Blüten werden in Bestattungsgebinden normalerweise vermieden. Es werden jedoch häufig weiße und rote Nelken verwendet.

Interessanterweise gilt dieses sowjetische Ritual, an Denkmälern Blumen abzulegen, nicht nur an Staatsfeiertagen, sondern wird auch während offizieller Zeremonien durchgeführt. Zum Beispiel bei Besuchen ausländischer Delegationen. 

Darüber hinaus praktizieren sogar einige Jungvermählten diesen Brauch. Nachdem sie auf dem Standesamt die erforderlichen Unterschriften geleistet haben, begeben sich die frisch verheirateten Eheleute noch vor Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten zu einem Kriegsdenkmal in ihrer Stadt und legen dort Blumen ab, um den Gefallenen ihre Ehre zu erweisen. 

In Moskau sieht man oft Leute, die mit Blumen nach Poklonnaja Gora oder zum Puschkin-Denkmal in Alexandrowski Sad sowie zur Stari Arbat Straße fahren.

Die Regionen haben inzwischen ihre eigenen Bräuche: Abgesehen von Kriegsdenkmälern besuchen die Menschen dort häufig Denkmäler berühmter Bewohner - Dichter, Schriftsteller und dergleichen.

Tradition auch im Kaukasus 

In überwiegend muslimischen Regionen Russlands sind Blumen - ebenso wie der Bau von Denkmälern zum Gedenken an Menschen - nicht angemessen. Dennoch werden auch im Kaukasus sowie in Tatarstan und Baschkortostan zu besonderen Anlässen häufig Blumen an Erinnerungsstätten abgelegt.

Die Traditionen entstanden in der Sowjetzeit und sind bis heute erhalten. Michail Roschin, Senior Research Fellow an der Russischen Akademie der Wissenschaften, erklärt (rus), warum.

„In der Sowjetzeit hatte sich viel geändert, und der Islam war Ende der 1920er Jahre an den Rand gedrängt worden. Daher haben Denkmäler und der Brauch, Blumen dort zu hinterlassen, auch im Nordkaukasus zunehmend an Bedeutung gewonnen“, sagt Roschin und fügt hinzu, dass es praktisch unmöglich geworden ist, diese sowjetische Tradition von der regionalen Kultur zu trennen.