Sowjetische Kühlschranklogos als Spiegel der Zeitgeschichte (FOTOS)

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JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Der Kühlschrank war im sowjetischen Haushalt immer ein sehr begehrter Gegenstand und Spiegel der historischen Entwicklungen der Sowjetunion. Ein russischer Designer hat eine beeindruckende Sammlung alter Kühlschranklogos zusammengestellt.

Alexander Wasin ist ein in Moskau ansässiger Designer mit einer ungewöhnlichen Sammelleidenschaft. Er hat ein virtuelles Museum für Kühlgeräte-Logos geschaffen. Zu jedem einzelnen Objekt gibt es dort mehr zu erfahren. 

Auf die Frage, wie er zu diesem seltsamen Hobby kam, antwortet er: „Der Kühlschrank ist ein heiliges Objekt für jede sowjetische Familie. Sobald Sie Familie hatten, war das erste, was Sie gekauft haben, kein Bett - es war ein Kühlschrank. In Gemeinschaftsschlafräumen hatte jeder sein eigenes Fach darin. Es war wie ein Schrein. Wir erinnern uns noch alle gut an die Beschriftung außen: ЗИЛ (Zil), Минск (Minsk), Днепр (Dnepr) und so weiter.“ 

Er begann 2010 mit dem Sammeln dieser Kühlschranklogos. Damals war er bei Besuchen auf der Datscha oft mit seiner Frau auf dem Fahrrad unterwegs und die beiden stießen auf ausrangierte Kühlschränke. „Irgendwann konnten wir an keinem mehr vorbei, ohne das Logo zu entfernen“, so Wasin. 

Die Sammlung wuchs. Die Familie stöberte auf lokalen Müllhalden, in verlassenen Häusern und suchte manchmal auf der Webseite „Awito“, einem An- und Verkaufsportal. Ein großer Teil der Kühlschränke stammte aus allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion. Sie sahen sich sehr ähnlich, doch ihr Logo machte den Unterschied. 

Ihre Schöpfer bleiben namenlos. „Man sagt, die Sowjetunion hatte keinen Sex, keine Freiheit und keinen Rock'n'Roll - aber es gab auch keine Designer. Oder besser gesagt, sie existierten im Untergrund oder blieben anonym. Sie hatten keinen Namen. Doch ihre Logos kannten Millionen. Sie gehörten zum sowjetischen Haushalt dazu.“ 

Wasin kann sich für kein anderes Elektrogerät so begeistern wie für den Kühlschrank. Dieser ist für ihn ein Denkmal sowjetischer Kultur. „Die Menschen haben mit Magneten alles daran aufgehangen: Rechnungen, Telegramme, Postkarten. Gutes, aber auch Unangenehmes. Aber mehr noch: Wir haben entdeckt, dass das Design der Logos und ihre technische Ausführung oft eine Reaktion auf einen historischen oder gesellschaftlichen Wandel waren“, erklärt Wasin. 

Zum Beispiel hatten die Kühlschränke der Stalinzeit große, brachiale Logos aus Metall, die zur stalinistischen Architektur und dem Gigantismus-Stil passten:

Unter Nikita Chruschtschow und dem Versuch, gegen architektonische Exzesse anzukämpfen, kamen Plastik-Logos auf:

„Und dann wurde aus allen ein langweiliges Rechteck aus Plastik. Das war einerseits der Übergang zu einem modernistischen Designparadigma und andererseits ein Zeichen für den Untergang des ‚Sowok‘ (angestaubter Sowjetstil) und der Kultur der Grafik“, meint Wasin. 

In der Zwischenzeit war ein solcher Trend nicht nur in der UdSSR zu beobachten. Im Jahr 2013 fand Wasin einen Gleichgesinnten, den niederländischen Logo-Sammler Richard Protzman. Es gelang ihnen, eine gemeinsame Ausstellung in Moskau aufzubauen. Ihre Sammlung ist weltweit einzigartig. 

„Zu jedem Logo gehört eine Geschichte. Das ungewöhnlichste für mich ist das von ‚Kawkas‘. Ein Kühlgerät dieser Marke wurde in einem traurigen Zustand mitten auf einem verlassenen Hubschrauberflugplatz in der Nähe von Bunkowo, außerhalb von Moskau entdeckt. Das Stahllogo war das Einzige, was den Lauf der Zeit überstanden hat.“

Wasin fand einen ähnlichen Kühlschrank am Ufer des Flusses Oka in einem Gemüsebeet im Dorf. Die Eigentümer weigerten sich jedoch, die Sammler das Fundstück genauer untersuchen zu lassen. „Wir wollten das Logo mithilfe eines Schraubenziehers entfernen. Doch wir wurden weggejagt“, erklärt er. „Seltsam, im Kaukasus lauern immer Kämpfe, Schwierigkeiten und Gefahren“, lacht Wasin. 

„Eine interessante Tatsache ist es, dass ein ‚Kawkas‘ wahrscheinlich gar nicht im Kaukasus verkauft wurde, sondern nur in der Region Chabarowsk. ‚Sewer‘ (Norden) wurden dagegen vor allem im Süden, in der Region Krasnodar, verkauft.“ 

Wasin glaubt, dass dieses merkwürdige Phänomen mit der sowjetischen Planwirtschaft zusammenhängt. „Damit das Verkehrssystem ordnungsgemäß funktioniert, musste es immer in Gang gehalten werden. Auch Menschen waren in der UdSSR immerzu unterwegs. So wurde meist ein Viertel der Gefängnisinsassen immer in Zügen durch die Gegend transportiert. Es ist möglich, dass es mit der Produktion ähnlich lief. Etwas wurde an einem Ort hergestellt und dann an einen anderen Ort auf der anderen Seite des Landes gebracht.“ 

Wasin zählt rund 100 einzigartige Stücke zu seiner Sammlung – das sind fast alle sowjetischen Logos. „Heute bewahren wir unsere Kollektion in einem Schuhkarton zu Hause auf. Einige mögen denken, dass die Suche nach diesen Markenzeichen in Müllhalden eine schmutzige, unhygienische Angelegenheit ist. Während andere von einem Gefühl der Nostalgie erfüllt sind, wenn sie sie nur ansehen. Ich gehöre wahrscheinlich zur letzteren Kategorie.“