Für die 17-jährige Schtscherbakowa war der große Saisonauftakt – die Weltmeisterschaft – das Debüt und die bisher härteste sportliche Prüfung in ihrem Leben. Ende Dezember letzten Jahres wurde sie zum dritten Mal russische Meisterin und sollte nach Stockholm reisen, aber hatte nicht nur mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen (sie konnte nur unregelmäßig trainieren), sondern auch mit ihrer eigenen Gesundheit.
Im Herbst erkrankte Schtscherbakowa an einer schweren Lungenentzündung und es gab Zweifel, ob sie ihr Programm überhaupt absolvieren könne. Sie verbrachte zwei Monate ohne Eis, nur mit Heimtraining. Sie filmte ihre Übungen, schnitt die Aufnahmen und postete sie auf Instagram. Trainer und Eltern hatten sie bei der letzten Meisterschaft gebeten, auf das Kurzprogramm zu verzichten – nach ihrem Auftritt hatte sie Schwierigkeiten beim Atmen – aber Schtscherbakowa bestand darauf und absolvierte das Programm mit Brillanz.
„Wirklich, es hat mich niemand gezwungen. Meine Eltern haben immer gesagt: ,Wenn es dir nicht gefällt, hörst du auf, gehst zur Schule oder machst etwas anderes.’ Das war, als ich jünger war, aber jetzt verstehen sie natürlich, dass das für mich sehr wichtig ist. Und es heißt jetzt bei der kleinsten Schwierigkeit nicht mehr ,Lass uns damit aufhören!‘“, sagte Schtscherbakowa in einem Interview.
Die Sportlerin steht auf dem Eis, seit sie dreieinhalb Jahre alt ist. Da sie außergewöhnliche Erfolge zu verzeichnen hatte, wurde sie von dem legendären Trainer Eteri Tutberidse betreut. Schtscherbakowa hat bereits eine Silbermedaille bei der Junioren-WM und der EM gewonnen sowie das Finale im Grand Prix erreicht.
Dieses Jahr schließt die Sportlerin die Oberschule ab, was ihre Arbeitsbelastung nur noch erhöht. Aber die Lehrer, sagt sie, machen sich die Mühe, ihr zu helfen und schicken ihr Aufgaben und Materialien per E-Mail. In ihrer Freizeit schafft sie es, Fernsehserien zu schauen (ihr Favorit ist Sherlock) und etwas außerhalb des Schullehrplans zu lesen. „Zu den letzten Büchern, die mir gefielen, gehörte Picknick am Wegesrand von den Brüdern Strugatski.“ Aber der Sport und die Fahrten zu den Turnieren nehmen immer noch den größten Teil ihres Lebens ein. Das ist es auch, was Schtscherbakowa am besten gefällt.
„Ich kann mir nicht vorstellen, ein normales Leben zu führen. Jeden Tag das Gleiche: Zur Schule gehen, nach Hause kommen, Hausaufgaben erledigen und dann alles wieder von vorne. Das bringt mir keine Erfüllung – ich brauche immer Bewegung“, erklärt sie.
Auf die aktuelle Weltmeisterschaft bereitete sich die 24-jährige Tuktamyschewa aus Glasow (Udmurtien) ganze sechs Jahr vor: Nach ihrem Karrieretriumph (Welt- und Europameisterin 2015) verpasste sie zwei Olympische Spiele und Meisterschaften und viele glaubten schon nicht mehr an das „große Comeback“ der Eiskunstläuferin. Es hieß, dass Tuktamyschewa ihren Höhepunkt bereits überschritten habe.
Die junge Sportlerin war bei den russischen Meisterschaften Ende der Zweitausender eine echte Sensation, vor allem im Dameneinzel. Man nannte sie ein Eiskunstlauf-Wunderkind, da sie erst im Alter von neun Jahren mit dem Eiskunstlauf begonnen hatte und schon mit zwölf Jahren sehr schwierige Elemente zeigte – sie beherrschte das ganze Arsenal der Dreifachsprünge. Das brachte ihr auch den Ruf der „sprungfreudigsten“ Eiskunstläuferin ein.
„Ich habe noch nach der ,alten Schule’ gelernt. Ich habe schon sehr früh angefangen, im großen Sport zu laufen und zu gewinnen, das war 2009 - 2010, als es einen Tiefpunkt im russischen Damen-Einzellauf gab und man einfach springen musste. Wenn du springst, gewinnst du. So war es schon in meiner Kindheit: Ich bin gesprungen und habe gewonnen. Das war normal, das war im System“, sagte sie.
In der Saison 2018 - 2019 war sie fast die meistdiskutierte Eiskunstläuferin der Welt – nach ihrem extravaganten Auftritt in einem Flugbegleiter-Kostüm zu Britney Spears‘ Song Toxic bei der Grand-Prix-Serie. Ihr wurde vorgeworfen, sie habe „die Grenze überschritten“, worauf Tuktamyschewa antwortete: „Ich bringe den Glamour zurück zum Eiskunstlauf.“
Beim Grand Prix 2020 in Moskau feierte sie ein fulminantes Comeback, das die Kräfteverhältnisse in der laufenden Saison deutlich veränderte. Dass ihr Erfolg kein Zufall war, stellte sie beim Cup of Russia unter Beweis, was ihr die Fahrkarte nach Stockholm einbrachte. „Weiß der Geier“, antwortete sie auf die Frage, wie sie es schaffe, nach so vielen Jahren wieder ganz oben dabei zu sein. „Jedes Mal [nach Olympischen Spielen] ist es, als ob ich von vorne anfange. <...> Wenn du ein paar Jahre lang nichts erreichst, lebst du immer noch ein normales, stabiles Leben, aber du hast keinen Ansporn, weil du nicht glaubst, dass du es tatsächlich kannst. Aber wenn du [die Einstellung] hast, dass du von ganz vorne anfängst, denkst du, dass du alles schaffen kannst.“
Trusowa ist die jüngste Finalistin – sie ist erst 16 Jahre alt. Das Eis betrat sie im Alter von vier Jahren und wurde seit 2016 als vielversprechende Juniorin ebenfalls von Eteri Tutberidse betreut.
Bislang konnte sie in den wichtigsten Wettbewerben Silber und Bronze holen, doch Trusowa wird eine große Zukunft vorausgesagt – dank ihrer sauberen Technik.
Sie wird als größte Rekordhalterin des russischen Eiskunstlaufs bezeichnet. Trusowa ist die erste Eiskunstläuferin in der Geschichte, die drei Vierfachsprünge in einem Programm zeigt. Mit ihrer Technik hat sie alle älteren Champions geschlagen. Kürzlich wurde ein Video von ihrer Kür von Sharon Stone weitergepostet.
Das Mädchen bekennt, dass nur zwei Dinge im Leben ihre Augen zum Leuchten bringen – das Eiskunstlaufen und ihre Hunde (Chihuahua Tina, Pudel Lana und Husky Jack). Seit 2020 trainiert sie unter der Leitung des zweifachen Olympia- und mehrfachen EM- und WM-Siegers Jewgeni Pljuschtschenko. Sie wohnt in einem Cottage bei seiner Eiskunstlauf-Akademie, damit sie möglichst viel Zeit für das Training hat.
Einen typischen Tag beschreibt sie wie folgt: „Ich wache gegen 7:30 Uhr auf, frühstücke und gehe zum Training. Begonnen wird mit einer Aufwärmung, einem Aufbautraining oder der Choreographie. Dann geht’s aufs Eis. Am Mittag ein kleines Abkühltraining, danach gehe ich nach Hause, esse etwas und ruhe mich aus. Dann geht es zurück in die Eishalle. Wieder entweder Aufwärmen oder Aufbautraining oder Tanzen. Dann wieder aufs Eis, zum Abschluss Abkühltraining. Am Abend gehe ich nach Hause. Ich übe fast jeden Tag mit den Lehrern über Skype und manchmal gehe ich abends um 21 Uhr noch einmal in die Eishalle, um das Gleiten zu üben.“
Die Olympischen Spiele seien jetzt ihr Hauptziel, sagt Trusowa und bemerkt, dass sie sich einen Misserfolg nicht anmerken lasse: „Ich rege mich darüber [über Niederlagen] auf, aber ich zeige es nie, weil die Leute sich so etwas nicht ansehen müssen. Sie kommen, um mich glücklich und fröhlich zu sehen.“
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!