Schauen Sie sich diese Fotos an. Eines wurde in Murmansk aufgenommen, die anderen in Moskau und Wladiwostok. Obwohl zwischen den Städten Tausende von Kilometern liegen, sehen diese in der Sowjetzeit erbauten Wohngebiete wie Zwillinge aus. Und Sie können sie in jeder Stadt in Russland und in der gesamten ehemaligen Sowjetunion finden. Warum gibt es in Russland so viele dieser düsteren Plattenbauten?
Kein Protz!
Im letzten Jahrhundert haben sich die russischen Städte kolossal verändert. Über Hunderte von Jahren lebten die meisten Bürger in Dörfern. Durch die Industrialisierung in den 1930er Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die städtische Bevölkerung des Landes enorm. 1917 lebten nur 17 Prozent der Menschen in Städten, 1950 waren es bereits fast 50 Prozent. Dieses rasante Wachstum der Städte bedeutete, dass so schnell wie möglich neue Wohnungen gebaut werden mussten. Die Sowjetunion begann mit Massenbautechniken zu experimentieren, die zu standardisierten Plattenbauten führten, die fast identisch aussehen und die Wohngebiete von Kaliningrad bis Wladiwostok prägen.
Die Plattenbaukonstruktion war eigentlich keine sowjetische Erfindung und wurde vor dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich eingesetzt. Es waren jedoch die Sowjets, die Plattenbauten perfektionierten.
1954 kritisierte der neue Führer der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, scharf den Bau neuer Wohnungen und nannte sie zu teuer, insbesondere Stalins berühmter pompöser „Empire-Stil“ war ihm ein Dorn im Auge. Auf dem nächsten Kongress der Kommunistischen Partei wurde ein Ende der Wohnungsnot innerhalb von 20 Jahren beschlossen. Jede Familie sollte eine eigene Wohnung bekommen und das natürlich kostenlos.
Alle Ressourcen wurden in den Bau neuer Wohngebäude gesteckt, die Chruschtschowkas genannt wurden. Architekten unterscheiden ungefähr zehn verschiedene Versionen solcher Gebäude, aber meist hatten sie fünf Stockwerke, keine Aufzüge (da diese teuer waren) und Wohnungen mit kleinen Küchen. Einige wurden aus Ziegeln gebaut, aber die am weitesten verbreiteten Materialien waren Stahlbetonplatten. In vielen Städten wurden Fabriken eröffnet, um solche Paneele herzustellen, was die Logistikkosten erheblich senkte. Der Bau eines Gebäudes dauerte nur zwei Wochen, und in weniger als zehn Jahren erhielt jede vierte sowjetische Familie eine eigene Wohnung. Stellen Sie sich vor, wie aufgeregt die Menschen waren, nachdem sie ihr ganzes Leben in Gemeinschaftsunterkünften oder Kasernen verbracht hatten!
Experimentelle Plattenbauten
Unter den typischen Plattenbauten befanden sich einige Versuchsgebäude, die aus verschiedenen Gründen nie in Massenproduktion gingen. In St. Petersburg ist noch eine Proto-Chruschtschowka aus dem Jahr 1955 erhalten. Sie verfügt über große Küchen und hohe Decken und sollte eines der weit verbreiteten Modelle sein, aber Chruschtschow fand sie zu teuer und forderte mehr Bescheidenheit beim Bau.
In Ulan-Ude, der Hauptstadt Burjatiens, finden Sie Plattenbauten, die mit nationalen Ornamenten verziert sind.
In Städten in Permafrostgebieten sind alle Häuser auf Stelzen gebaut, damit die Wärme, die das Gebäude ausstrahlt, den gefrorenen Boden nicht zum Schmelzen bringt. In nördlichen Städten werden Häuser in hellen Farben gestrichen, um das Erscheinungsbild der Stadt zu beleben.
Bessere Versionen der „Chruschtschowkas“
Ende der 1960er Jahre wurden die Chruschtschowkas durch sogenannte Breschnewkas ersetzt, benannt nach Chruschtschows Nachfolger Leonid Breschnew. Zu diesem Zeitpunkt hatte der technologische Fortschritt den günstigen Bau von neun-, zwölf- und 16-stöckigen Wohnhäusern möglich gemacht. Es entstanden Plattenbauten mit Aufzügen, Müllschluckern und größeren Wohnungen.
Diese Technologie war zwar günstig, aber dennoch sicher und garantierte Langlebigkeit. Es dauerte nicht lange, bis solche moderneren Plattenbauten in den Neubaugebieten von Moskau, St. Petersburg und anderen Städten auftauchten. Die Wohngebiete sahen alle sehr ähnlich aus. 1986 versprach Michail Gorbatschow, dass bis zum Jahr 2000 jede Familie ihre eigene Wohnung haben würde, aber nach dem Fall der UdSSR ging die Ära des staatlichen Wohnungsbaus zu Ende.
Drei Viertel der russischen Stadtbewohner leben in Hochhäusern, von denen die meisten immer noch aus der Zeit der Sowjetunion stammen. Stadtforscher der heutigen Zeit sagen, dass diese typischen düsteren Wohnblöcke deprimierend sind und sich negativ auf die Psyche auswirken.
Welche Art Häuser werden in Russland gebaut?
Heutzutage gibt es in den großen Städten viele interessante Wohnmöglichkeiten, darunter schöne Gebäude mit Tiefgarage und lebendig gestaltete Fassaden. Die meisten dieser Wohnungen haben jedoch einen exorbitant hohen Preis, den eine durchschnittliche russische Familie sich kaum leisten kann.
Günstigere Immobilien werden weiterhin meist als Plattenbauten oder in Platten-Monolith-Technologie gebaut. Diese typischen Wohnblöcke sind für den Staat nach wie vor die günstigste Möglichkeit, Wohnungsprobleme für Millionen von Familien zu lösen. Der Nachteil ist, dass die städtischen Außenbezirke im ganzen Land deprimierend wirken. Die heutigen Vororte bestehen aus riesigen Blöcken von Mikro-Apartments, die in Russland „Tscheloweyniks“ genannt werden, weil dort so viele Menschen leben. Sie sehen modern aus und beherbergen teils mehrere Tausend Wohneinheiten. In den Chruschtschowkas gab es dagegen weniger als hundert.