Warum tritt nicht Russland, sondern das ROC bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio an?

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Aufgrund der jüngsten Dopingskandale wurde es russischen Athleten verboten, Russland offiziell bei internationalen Sportveranstaltungen zu vertreten. Also mussten die russischen Behörden einen Weg finden, das Verbot zu umgehen, um die Sportler an den XXXII. Sommerspielen teilnehmen zu lassen.

Die Welt ist neugierig, warum das Team Russland nicht bei den Spielen in Tokio 2020 antritt. Stattdessen gibt es ein Team namens Russisches Olympisches Komitee (ROC). Nun, kurz gesagt, wurde dies als Folge des Dopingskandals und des Verbots für russische Athleten, an internationalen Wettkämpfen unter russischer Flagge teilzunehmen, getan.

Trotz des offiziellen Verbots für Team Russland fanden die Athleten und das Komitee einen Weg, dass russische Sportler an den Spielen in Tokio 2020 (die wegen der Covid-19-Pandemie auf Juli 2021 verschoben wurden) teilnehmen können. Sie baten das Internationale Olympische Komitee (IOC), ihnen zu erlauben, unter dem Namen Russisches Olympisches Komitee(ROC) aufzutreten, der technisch gesehen nicht das Wort Russland enthält, das derzeit verboten ist.

Auf diese Weise bekamen sie auch die Möglichkeit, die Symbole des ROC zu verwenden... deren Farben sich auf die verbotene russische Nationalflagge beziehen. Und statt der russischen Nationalhymne (die ebenfalls verboten ist) erlaubte das IOC, dass stattdessen ein Fragment des Klavierkonzerts Nr. 1 von Pjotr Tschaikowski gespielt wird.

In der Tat hat das ROC seine eigene lange Geschichte... und verdient es, separat zu agieren. Und hier ist der Grund:

Wann wurde das Russische Olympische Komitee gegründet?

Es wurde 1911 gegründet und feierte 2011 sein 100-jähriges Bestehen.

Athleten des Russischen Reiches nahmen an den ersten drei Spielen der Neuzeit nicht teil. Bei den Olympischen Spielen 1908 in London gab es acht russische Sportler, die sogar mehrere Medaillen gewannen. 1912 delegierte das neu gegründete Russische Olympische Komitee 178 Athleten zu den 5. Olympischen Spielen nach Stockholm. Diese traten zwar in allen Disziplinen an, konnten letztendlich aber  keine Goldmedaillen gewinnen.

Gab es ein Olympisches Komitee in der Sowjetunion?

Die nächsten Olympischen Spiele nach der Aussetzung der Veranstaltung während des Ersten Weltkriegs wurden 1920 abgehalten. Russland hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Revolution hinter sich, aber das Internationale Olympische Komitee (IOC) erkannte die neuen  Machthaber nicht an. Also schickte es keine Einladung an das Land für die Teilnahme an den Spielen 1920.

Nach Gründung der Sowjetunion im Jahre 1922 wurden die nächsten „kapitalistischen“ Spiele  durch die neuen Machthaber boykottiert und die Einladung ignoriert. Die sowjetischen Athleten nahmen an alternativen Wettbewerben teil, die international von Komitees der Arbeiter und Kommunisten organisiert wurden.

Auch die ersten Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 in London ließ die Sowjetunion ausfallen, da sich das Land nach dem Krieg erst einmal erholen musste. Aber auch der sowjetische Staat warb bei den Massen für Sport und gesunde Lebensweise und hatte starke Athleten, so dass die Sowjets bald einen Kurs zur Integration in den internationalen Sport einschlugen. Im Jahr 1951 wurde das sowjetische Olympische Komitee gegründet und sofort vom IOC anerkannt. Für die sowjetischen Athleten war ihre erste Teilnahme bei Olympischen Spielen, 1952 in Helsinki, ein überwältigender Triumph. Sie gewannen 22 Goldmedaillen und erreichten die gleiche Punktzahl wie die Vereinigten Staaten.

1980 richtete die Sowjetunion die Olympischen Sommerspiele in Moskau aus, die von den USA aufgrund des Einmarschs sowjetischer Militär-Truppen in Afghanistan boykottiert wurden. Als Reaktion darauf nahm die UdSSR nicht an den nächsten Spielen 1984 in Los Angeles teil – es waren die einzigen Olympischen Spiele, die die Sowjets nach der Gründung ihres Olympischen Komitees ausließen.

Was geschah, nachdem die UdSSR zusammengebrochen war?

1989, noch vor der Auflösung der Sowjetunion, gründete Russland sein eigenes Komitee und nach dem Zusammenbruch des Sowjetstaates, 1992, erkannte das IOC das Russische Olympische Komitee als Nachfolger des sowjetischen an.

Im Jahr 2014 veranstaltete Russland seine ersten Olympischen Spiele in der modernen Geschichte. Die Vorbereitung auf die Winterspiele 2014 in Sotschi wurde kontrovers wahrgenommen und die internationalen Medien waren sehr skeptisch, vor allem die Tatsache, dass Wintersport in einer subtropischen Stadt am Meer ausgetragen werden sollte. Aber trotz alledem waren die Spiele ein riesiger Erfolg.

Wann haben die Probleme für das Russische Olympische Komitee begonnen?

2017 sah sich Russland mit einem riesigen Dopingskandal konfrontiert. Es wurde verdächtigt, ein staatlich gefördertes Dopingprogramm zu haben und internationale olympische Regeln zu ignorieren. Die russische Mitgliedschaft im IOC wurde ausgesetzt, aber 2018 wiederhergestellt, da fast alle Athleten die letzten Dopingtests bestanden hatten.

Im Jahr 2019 kam es zu einem weiteren Skandal und die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) verurteilte Russland zu einer vierjährigen Sperre für alle internationalen Sportveranstaltungen, einschließlich der Olympischen Spiele. Später, im Jahr 2020, erlaubte der Court of Arbitration for Sport russischen Athleten, an Wettkämpfen teilzunehmen, aber unter der Bedingung, dass sie für den Rest der Sperre nicht unter dem Namen oder der Flagge Russlands  auftreten oder dessen Nationalhymne verwenden und als „neutrale Athleten“ teilnehmen.

Das ist also der Grund, warum Zuschauer auf der ganzen Welt russische Athleten bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio unter dem mysteriösen Titel ROC auftreten sehen werden!