Wer ist Dmitri Muratow, der gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat?

Vladimir Astapkovich / Sputnik
Wir erzählen Ihnen, was wir über die dritte Person in der russischen Geschichte wissen, die den Friedensnobelpreis erhalten hat.

„Ich finde das lustig. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet. Hier ist alles in heller Aufregung. Ich habe den Anruf aus Norwegen gesehen, aber ich dachte, da hat sich jemand verwählt“, kommentierte Dmitri Muratow, Mitbegründer der Nowaja Gaseta, die Nachricht, dass er den Friedensnobelpreis 2021 erhalten habe, in einem Interview mit dem News-Portal Podjom.

Am 8. Oktober 2021 gab das norwegische Nobelpreiskomitee in Oslo bekannt, dass Muratow einer der Laureaten des Friedenspreises geworden sei. Zuvor hatten bereits mit Menschenrechtsverteidiger Andrej Sacharow und dem ersten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, zwei Russen den Preis erhalten.

Muratow wurde am 30. Oktober 1961 in Kuibyschew (dem heutigen Samara) geboren. Er schloss 1983 sein Studium an der philologischen Fakultät der Staatlichen Universität Kuibyschew ab. Nach seinem Militärdienst arbeitete er zunächst bei der Zeitung Wolschskij Komsomoljez, dann bei der Komsomolskaja Prawda.  

Im November 1992 trat er aus der Kommunistischen Partei aus und wurde Mitbegründer der Journalistenvereinigung 6. Etage. Diese setzte sich aus Journalisten zusammen, die mit der redaktionellen Politik der Zeitung nicht einverstanden waren. Die Vereinigung gründete die Nowaja Dnewnaja Gaseta, die später in Nowaja Gaseta umbenannt wurde.  

Eine Ausgabe der Nowaja Gaseta vom 6. Oktober 1993

1993 hatte Muratow in der Zeitung eine Kolumne mit dem Titel Rangliste der Lügner, in der er über aufsehenerregende Fälle berichtete, in denen Regierungsbeamte offen gelogen hatten. Am Ende eines jeden Monats ermittelte die Zeitung den „Größten Lügner“. Zur gleichen Zeit trat Muratow in die Redaktion ein und wurde stellvertretender Chefredakteur.

Von Dezember 1994 bis Januar 1995 war Muratow während des ersten Tschetschenienkriegs als Sonderkorrespondent für die Nowaja Gaseta im Kriegsgebiet in Tschetschenien tätig. Im Februar 1993 wurde Muratow Chefredakteur der Nowaja Gaseta, eine Position, die er bis heute innehat.

Unter seiner Leitung hat die Zeitung über viele Jahre hinweg kritische Artikel über Korruption, illegale Verhaftungen, Wahlbetrug, Polizeigewalt und andere wichtige politische und soziale Themen im Land veröffentlicht.  

Anna Politkowskaja arbeitete für die Nowaja Gaseta, schrieb über den Krieg in Tschetschenien und übte häufig Kritik an den Behörden. Sie wurde am 7. Oktober 2006 in einem Fahrstuhl in ihrem Haus erschossen. Im Rahmen der Ermittlungen wurden der Organisator und die Täter des Mordes identifiziert und verurteilt, aber die Auftraggeber blieben unbekannt. Die Ermordung Politkowskajas stand im Zusammenhang mit ihrer journalistischen und Menschenrechtsarbeit. Die Journalisten der Nowaja Gaseta führten unter der Leitung von Muratow ihre eigenen Ermittlungen durch, um herauszufinden, wer den Mord in Auftrag gegeben hatte.

„Wir haben keine einheitliche Meinung über den Drahtzieher dieses Mordes. Mehrere Mitglieder der Redaktion haben sich ausführlich mit der Politkowskaja-Tragödie befasst. <...> Wir haben mehrfach gefordert, dass das Verfahren fortgesetzt wird, um festzustellen, wer den Mord angeordnet hat. Am 7. Oktober [2021] sind 15 Jahre seit dem Mord vergangen und dann ist er verjährt. Das heißt, der Auftraggeber wird vielleicht eines Tages gefunden werden, aber er wird dann nicht mehr hinter Gitter müssen. Wir wollen eine Verlängerung der Verjährungsfrist in diesem Fall erreichen, damit wir die Suche nach den Tätern fortsetzen können“, erklärte Muratow in einem Interview mit der Komsomolskaja Prawda  über die Ermittlungen im Mordfall Politkowskaja.  

Neben Politkowskaja wurden fünf weitere Journalisten der Nowaja Gaseta ermordet, mehrere Mitarbeiter überlebten Attentatsversuche. Nach der Verleihung des Nobelpreises schrieb Muratow in einer Kolumne, dass nicht er, sondern sie den Preis verdient hätten.  

Inzwischen haben die Journalisten der Zeitung mehr als 60 Auszeichnungen erhalten, darunter den Pulitzer-Preis.  

„Trotz der Morde und Drohungen hat Chefredakteur Muratow das Prinzip der Unabhängigkeit nicht aufgegeben und das Recht von Journalisten, über Themen ihrer Wahl zu schreiben, konsequent verteidigt, solange dies den professionellen und ethischen Standards des Journalismus entspräche, erklärte Berit Reiss-Andersen, Leiterin des norwegischen Komitees.

Muratow wird einen Teil seines Preisgeldes (das umgerechnet ca. 980.000 Euro beträgt) an die Stiftung Krug Dobrá (Kreis des Guten) spenden, die Kindern mit schweren und seltenen Krankheiten hilft.

Auch der Kreml beglückwünschte Muratow zu seiner Auszeichnung. „Wir gratulieren Dmitri Muratow. Er arbeitet konsequent entsprechend seinen Idealen, er setzt sich für seine Ideale ein. Er ist talentiert, er ist mutig", erklärte Präsidentensprecher Dmitri Peskow bei einem Briefing.

Muratow selbst wies in seinem Kommentar zur Verleihung des Preises darauf hin, dass heute in Russland eine Reihe von Verlagserzeugnissen und einzelne Journalisten als ausländische Agenten eingestuft seien und aufgrund dieses Status Anzeigenkunden verloren und einige schließen müssen. „Ich kann Folgendes sagen: Wir werden mit diesem Preis für den russischen Journalismus, den sie jetzt zu unterdrücken versuchen, kämpfen. Das ist alles. Wir werden versuchen, den Menschen zu helfen, die jetzt als Agenten anerkannt sind, die jetzt verfolgt und die aus dem Land ausgewiesen werden“, erklärte Muratow.

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