Preisgekrönte Worte: Wie viele Russen haben den Literaturnobelpreis gewonnen?

Der im Exil lebende sowjetische Schriftsteller Alexander Solschenizyn, Gewinner des Literaturnobelpreises in Literatur von 1970.

Der im Exil lebende sowjetische Schriftsteller Alexander Solschenizyn, Gewinner des Literaturnobelpreises in Literatur von 1970.

AFP
Zuletzt erschien die Auswahl des Literaturnobelpreis-Komitees häufig politisch motiviert. Die Werke dieser fünf russischen Preisträger sind dagegen in jedem Falle auch lesenswert. Wir stellen Ihnen diese ausgezeichneten Schriftsteller vor.

  1. Ivan Bunin (1933)

Bunin war der erste Russe, der den Nobelpreis für Literatur erhielt. Er setzte sich gegen Maxim Gorki durch, den proletarischen Schriftsteller und Schützling Stalins. 

Während der russischen Kaiserzeit lebte ein Teil der Familie Nobel in Russland. Bis 1916 kontrollierte sie ein Drittel der russischen Erdölproduktion. Nach der Revolution war Emanuel Nobel, ein Neffe Alfred Nobels, gezwungen, das Land zu verlassen. Seine Familie musste ihr Wirtschaftsimperium aufgeben. 

Später in den 1920er Jahren, lebte Emanuel Nobel in Paris, wo er gute Beziehungen zu antisowjetisch eingestellten russischen Emigranten pflegte. Darunter war auch Iwan Bunin. Obwohl Nobel offiziell keinen Einfluss auf die Entscheidung des Komitees hatte, war klar, wem seine Sympathien gehörten.

Bunin erhielt die Auszeichnung für das „präzise Künstlertum, mit dem er die klassische russische Linie in der Prosadichtung vertritt“. Die schwedische Akademie erklärte, man habe sich auch für Bunin entschieden, um „unser schlechtes Gewissen zu beruhigen, dass wir Tschechow und Tolstoi übergangen haben.

Die sowjetischen Medien hielten die Wahl Bunins dagegen für politisch motiviert. Der Literaturnobelpreis sei schließlich an einen „Feind der Revolution verliehen worden. Jahrzehntelang wurde der Literaturnobelpreis deshalb in Russland geächtet. 

  1. Boris Pasternak (1958)

Pasternak gewann den Preis „für seine bedeutende Leistung sowohl in der zeitgenössischen Lyrik als auch auf dem Gebiet der großen russischen Erzähltradition“. Sein „Doktor Schiwago war im Vorjahr erstmals veröffentlicht worden. Da die Sowjetunion die Veröffentlichung verboten hatte, fand diese in Italien statt. 

Ein Jahr später verlieh das schwedische Komitee Pasternak den Literaturnobelpreis. Staatliche sowjetische Medien und Bürokraten starteten daraufhin eine beispiellose Schmutzkampagne gegen Pasternak. Er wurde als „Vaterlandsverräter verunglimpft, weil er im Ausland veröffentlicht und zudem den Literaturnobelpreis erhalten hatte, der in der UdSSR als verräterisch und antisowjetisch galt. 

Pasternak verzichtete schließlich schweren Herzens auf die Annahme des Preises. Dennoch wurde er in der Sowjetunion zur Persona non grata erklärt. Ein Zitat aus einer kommunistischen Schriftstellerversammlung ist bezeichnend: „Ich habe Pasternak nicht gelesen, aber ich verurteile ihn.“ Diese Worte wurden zu einem Aphorismus, der den Idiotismus der Zensur im Sowjetstaat symbolisierte. 

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  1. Michail Scholochow (1965)

Scholochow ist der Autor des mehrteiligen Epos „Der stille Don, in dem es um die russischen Kosaken während der Revolution und des Bürgerkriegs geht. Dieser Roman wird auch als „Krieg und Frieden des 20. Jahrhunderts bezeichnet, in Anlehnung an Tolstois berühmtes Werk. 

Das Buch war Gegenstand heftiger Kritik und sogar von Verschwörungstheorien. Scholochows Urheberschaft wurde angezweifelt, da andere Werke aus seiner Feder qualitativ nicht ebenbürtig seien und es ihnen an literarischer Finesse und Talent mangele, so der Vorwurf. 

Das Nobelpreis-Komitee zeichnete ihn dennoch aus für „die künstlerische Kraft und Gewissenhaftigkeit, mit der er in seinem Don-Epos eine geschichtliche Phase im Leben des russischen Volks geschildert hat.

Diesmal gab es keine sowjetische Kritik am Preisträger. Die UdSSR hatte Scholochows Schriftstellerei bereits ab 1958 gefördert. Der sowjetische Botschafter in Schweden hatte den Auftrag, zum Ausdruck zu bringen, dass die UdSSR die Preisverleihung an Scholochow begrüßen würde. 

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  1. Alexander Solschenizyn (1970)

Alexander Solschenizyn war der erste sowjetische Schriftsteller, der in seinen Romanen offen über den Gulag sprach. Sein „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch, der den Alltag eines Lagerinsassen beschreibt, erschien 1962. Die Veröffentlichung war eine Sensation in der Sowjetunion. Solschenizyn hatte selbst acht Jahre im Gulag verbracht. Nach seiner Freilassung wurde er zum Dissidenten und setzte sich für Menschenrechte ein. 

Dies und die Verleihung des Literaturnobelpreises an ihn führten dazu, dass seine Werke in der UdSSR nun nicht mehr veröffentlicht wurden. Das Komitee verlieh ihm den Preis für „für die ethische Kraft, mit der er die unveräußerliche Tradition der russischen Literatur weitergeführt hat“.

Die Sowjetbehörden standen dem Literaturnobelpreisträger Solschenizyn nun noch ablehnender gegenüber. Vier Jahre später wurde er ausgewiesen. Erst dann nahm er den Preis auch persönlich entgegen.

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  1. Joseph Brodsky (1987)

Joseph Brodsky hatte schon in jungen Jahren vom Nobelpreis geträumt. Er wollte international als Dichter anerkannt werden. In St. Petersburg wie in der ganzen Sowjetunion empfand er ein klaustrophobisches Gefühl. Seine Gedichte fielen der Zensur zum Opfer. Sie wurden nur über Samisdat illegal verbreitet.

Brodsky suchte nach Möglichkeiten, das Land zu verlassen. Er war sogar bereit, eine Scheinehe mit einer US-Amerikanerin einzugehen, doch dazu kam es nie. Der KGB forderte ihn schon vorher zur Ausreise auf. 

Brodsky ging in die USA. Er wollte auf Englisch schreiben, doch er veröffentlichte in der fremden Sprache nur wenige Gedichte. Er machte sich in der neuen Heimat einen Namen als Professor für Slawistik und als Essayist.

1987 ging sein Traum in Erfüllung. Er erhielt den Literaturnobelpreis für „ein literarisches Schaffen von umfassender Breite, geprägt von gedanklicher Schärfe und dichterischer Ausdrucksstärke

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