Warum wird diese Stadt die „Hauptstadt Sibiriens“ genannt? (FOTOS)

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BORIS JEGOROW
Vor etwas mehr als einem Jahrhundert war Nowosibirsk ein kleines Dorf mit nur ein paar tausend Einwohnern. Heute ist es, gemessen an der Einwohnerzahl, die drittgrößte Stadt Russlands.

Im Südwesten Sibiriens gelegen, ist Nowosibirsk eine einzigartige Stadt der Rekorde. Sie verfügt über das größte Planetarium, den größten Zoo, das größte Theater und den größten Flughafen im asiatischen Teil des Landes sowie über die längste U-Bahn-Brücke der Welt (2.145 Meter). Die sieben Kilometer lange Rote Allee ist eine der längsten Straßen der Welt, während die 40 Meter lange Sibstrojput-Straße eine der kürzesten ist.

Nowosibirsk (das bis 1926 den Namen Nowonikolajewsk trug) wurde 1893 als kleine Siedlung für die Erbauer der Eisenbahnbrücke über den Fluss Ob gegründet. „Gegenwärtig ist es ein Haufen hässlicher, hastig zusammengezimmerter Gebäude, die von den Arbeitern, die zur Eisenbahn kamen, und verschiedenen Händlern bewohnt werden“, schrieb Julius Schmidt, der Vertreter einer Handelsfirma.

Die glückliche geografische Lage der Siedlung ließ sie jedoch nicht in Vergessenheit geraten. Sie lag nicht nur am Ufer eines großen Flusses, sondern wurde auch von der Großen Sibirischen Straße (wie die Transsibirische Eisenbahn damals hieß) durchquert, die das europäische Russland mit dem Fernen Osten verband.

Angesichts des raschen wirtschaftlichen und demografischen Wachstums der Stadt nannte der sowjetische Volkskommissar für Bildung, Anatolij Lunatscharskij, Nowosibirsk 1928 das „sibirische Chicago“. In weniger als 69 Jahren nach ihrer Gründung hatte sie den Status einer Millionenstadt erreicht, was einen absoluten Weltrekord darstellt. Heute leben hier über 1,6 Millionen Menschen, was Nowosibirsk zur drittgrößten Stadt des Landes nach Moskau und St. Petersburg macht.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Nowosibirsk, das weit vom Kriegsschauplatz entfernt lag, zu einem zuverlässigen Rückzugsort für die Rote Armee. Etwa dreißig große Industrieunternehmen, die aus den westlichen Regionen des Landes evakuiert worden waren, arbeiteten in der Stadt effektiv für den Bedarf der Front. Ein Viertel der gesamten von den sowjetischen Truppen verwendeten Artilleriemunition wurde in Nowosibirsk hergestellt.

Die Stadt entwickelte sich nicht nur industriell, sondern auch wissenschaftlich aktiv. Bereits in den 1930er Jahren wurden Dutzende von wissenschaftlichen Laboratorien, Forschungs- und Konstruktionsinstituten gegründet. Im Jahr 1957 wurde Akademgorodok – eines der wichtigsten Wissenschafts- und Bildungszentren der Sowjetunion – errichtet, das heute weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist.

Als Stolz der UdSSR wurde Nowosibirsk oft hochrangigen Gästen präsentiert. Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme, der französische Präsident Charles de Gaulle und US-Präsident Richard Nixon besuchten die Stadt zu verschiedenen Zeiten. Im Jahr 1970 kochte der Astronaut Neil Armstrong, der erste Mann auf dem Mond, eine Fischsuppe an den Ufern des Nowosibirsker Stausees am Fluss Ob, der allgemein als Obsee bekannt ist.

Wie für den Rest des Landes war auch für Nowosibirsk der Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre ein schwerer Schlag. Infolge der Kürzung der Finanzmittel und des Zusammenbruchs der interregionalen Wirtschaftsbeziehungen ging die Industrieproduktion auf ein Drittel zurück. Erst Anfang der 2000er Jahre gelang es, die Situation zu stabilisieren.

Heute ist Nowosibirsk das größte Wirtschafts-, Kultur-, Verkehrs-, Bildungs- und Wissenschaftszentrum Sibiriens. Als Verwaltungszentrum der Region Nowosibirsk und des Sibirischen Föderationskreises kann die Stadt mit Fug und Recht die inoffizielle Bezeichnung Hauptstadt Sibiriens für sich beanspruchen. Und es gibt keinen ernsthaften Konkurrenten für diesen Anspruch.