Der Norden in Russland ist nicht immer ein geografisches Konzept. Oft ist er auch mit der Geschichte oder sogar mit der Wirtschaft verbunden.
Beim Russischen Norden geht es um Kultur und Geschichte
Was stellen Sie sich vor, wenn Sie über den Russischen Norden lesen? Wahrscheinlich große Holzhäuser, alte majestätische Kirchen, dichte Wälder voller Blaubeeren und Moltebeeren und Flüsse mit felsigen Ufern und kaltem Wasser. Im Großen und Ganzen ist das auch so. Aber das Wichtigste sind die Menschen, die dort leben.
Der Begriff Russischer Norden tauchte ursprünglich im späten 19. Jahrhundert in den Schriften des Gouverneurs von Archangelsk auf und bezeichnete die allgemeine Kultur der im Nordwesten Russlands lebenden Menschen. Er wurde dann sowohl in der Literatur als auch in der wissenschaftlichen Forschung verwendet. Es stimmt, dass die Bewohner des Russischen Nordens durch eine gemeinsame Kultur und Lebensweise verbunden sind, alte Traditionen pflegen und einen ähnlichen Dialekt sprechen (ohne die im Russischen übliche Lautverschiebung von o nach a). Sie haben auch eine ähnliche Küche (basierend auf einfachen und nahrhaften Fischgerichten) und ein ähnliches Handwerk. Viele der russischen „Nordländer“ sind Nachkommen der Pomoren (oder auch moderne Pomoren).
Territorial leben sie an den Ufern der Barentssee und des Weißen Meeres sowie an der Nördlichen Dwina. Die Grenzen des Russischen Nordens stimmen nicht immer mit den administrativen Grenzen der Regionen Russlands überein. Die Regionen Archangelsk, Murmansk, Jaroslawl, Kirow und Leningrad (nicht St. Petersburg!) gehören teilweise dazu, wie auch die Republiken Karelien und Komi sowie der Autonome Kreis der Nenzen. Die Region Wologda ist vollständig Bestandteil des Russischen Nordens und die Stadt Wologda gilt als dessen Seele.
Der Ferne Norden bedeutet harte Lebensbedingungen
Der Begriff Ferner Norden tauchte in den 1930er Jahren in der UdSSR auf, um die Gebiete mit harten Lebensbedingungen zu bezeichnen. Die Hauptkriterien waren, dass sie schwer zu erreichen waren und dass es keine ganzjährige Kommunikation mit anderen Gebieten gab. Außerdem ist dort Permafrost, die Böden sind karge und die Winter lang.
Zum Ferner Norden gehören die Gebiete jenseits des Polarkreises, der Ferne Osten, ein Teil des Urals und einige Teile Südsibiriens (abgelegene Siedlungen in Tywa und Altai). Und obwohl sie geografisch nicht im Norden liegen, werden sie per Gesetz mit den Gebieten des Ferner Nordens gleichgesetzt. Somit nimmt der Ferne Norden einschließlich dieser Teile Südsibiriens etwa 70 % der Fläche des Landes ein!
Ungeachtet seiner riesigen Größe leben weniger als 12 Millionen Russen, d.h. nur 7 % der Gesamtbevölkerung, im Fernen Norden. Es gibt jedoch spezielle Programme, um diese Menschen zu unterstützen. Dazu gehören der so genannte Nordfaktor (eine Zulage für die abgeleistete Dienstzeit), zusätzlicher Urlaub, die Bezahlung der Anreise in den Urlaubsort alle zwei Jahre und eine Zulage für den Umzug zur Arbeit in den Fernen Norden zieht.
Darüber hinaus organisiert die Regierung jedes Jahr vor der Wintersaison, die bereits Mitte des Herbstes oder sogar noch früher beginnt, eine Nordlieferung. Dabei werden Treibstoff, Medikamente, Lebensmittel und Haushaltswaren in die entlegenen Gebiete geliefert. Natürlich gibt es auch private Anbieter.
Die Polarregion sind Gebiete jenseits des Polarkreises
Die Polarregion wird jedoch ausdrücklich als die Gebiete nördlich des Polarkreises definiert. Dazu gehören die Gebiete der Oblast Murmansk, des Autonomen Kreises der Nenzen, des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen, der Norden der Region Krasnojarsk (Norilsk), die Stadt Workuta in der Republik Komi und andere. Im Arktischen Ozean gibt es sowohl Festlandgebiete als auch viele Inseln, darunter einige unbewohnte.
Durch die Polarregion verläuft die Nördliche Seeroute, die nördlichste Route zwischen Europa und Asien durch das Nordpolarmeer. Außerdem gibt es dort reichlich Süßwasser und Mineralien. Neben Russland haben auch die USA, Norwegen, Kanada und Dänemark ihre eigenen polaren Besitzungen. Die äußerste Grenze liegt am Nordpol. Internationale Übereinkommen regeln die Größe der Sektoren und die Wasserrechte.
Darüber hinaus führte Russland Anfang der 2000er Jahre das Konzept der Arktischen Zone ein, einer Sonderwirtschaftszone mit bestimmten Privilegien für Investoren. Sie umfasst nicht nur die Polarregion selbst, sondern auch die Gebiete südlich des Polarkreises, wie z. B. die Stadt Archangelsk.
Gibt es Gebiete, die zu all diesen Konzepten gleichzeitig gehören?
Natürlich gibt es einige Orte in Russland, die jenseits des Polarkreises in abgelegenen Gebieten liegen und in denen alte russische Traditionen bewahrt werden. Das sind zum Beispiel die alten Dörfer Osino und Welíkowisótschnoje im Rajon Sapoljárny des Autonomen Kreises der Nenzen, die im 16. Jahrhundert gegründet wurden. In der Oblast Murmansk sind dies die Dörfer Umba und Warsuga, die Mitte des 15. Jahrhunderts gegründet wurden.