Die Bundeskanzlerin ist zweifelsfrei die mächtigste Frau der Welt. Und spricht fließend Russisch.
ReutersKlar: Die meisten Politiker, die Russisch sprechen, kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Oder aus Ländern, die ehemals mit der UdSSR befreundet waren. Nicht nur, dass die russische Sprache in diesen Ländern einst die Lingua franca gewesen war. Verhandlungssicheres Russisch galt dort für eine erfolgreiche Karriere als unabdingbar.
Wohlbemerkt: Nicht alle Führungspersönlichkeiten aus Litauen, Lettland, Estland, Georgien oder der Ukraine kommunizieren auf Russisch. Geht es aber darum, bei offiziellen Treffen miteinander ins Gespräch zu kommen, kommen sie in dieser Sprache auf einen gemeinsamen Nenner.
Weitverbreitet sind Russischkenntnisse bei der älteren Generation osteuropäischer Politiker wie auch bei der Bevölkerung – sei es in Polen, Tschechien, Slowenien, der Slowakei oder Ungarn. Bis heute sprechen hochkarätige Persönlichkeiten der Weltpolitik Russisch. RBTH hat recherchiert, wie es dazu kam.
Die Bundeskanzlerin ist zweifelsfrei die mächtigste Frau der Welt. Und spricht fließend Russisch.
Geboren ist Angela Merkel in Hamburg. Ihr Vater aber – ein evangelischer Priester – zog nur wenige Wochen nach ihrer Geburt mit der gesamten Familie über die Grenze gen Osten. Aufgewachsen im Osten Deutschlands, wo Sowjettruppen stationiert waren, hatte Angela Merkel ausreichend Gelegenheit, das Russische zu erlernen – es war die erste Fremdsprache an ostdeutschen Schulen. Doch Merkel lernte die Sprache nicht nur: Sie gewann einen Russisch-Wettbewerb nach dem anderen, vom Schullevel bis zur landesweiten Ebene, und wurde dreifacher Russisch-Champion.
In der Öffentlichkeit spricht sie eigentlich kein Russisch. Der russische Menschenrechtler Arsenij Roginskij sagt allerdings, bei ihrem Moskau-Besuch im Jahr 2005 habe die Bundeskanzlerin keinen Dolmetscher gebraucht und Russisch langsam und sorgfältig gesprochen, wie ein fleißiger Schüler.
Ebenfalls bekannt ist, dass Angela Merkel im August 2008 in Sotschi mit Dmitrij Medwedjew eine Unterhaltung in russischer Sprache führte. Sie zeigte auf das Schwarze Meer hinaus und sagte: „Präsident Putin sagte mir, er schwimme jeden Morgen 1 000 Meter zum Meer hinaus. Machen Sie sowas auch?“ Medwedjew: „Ich schwimme 1 500 Meter.“
Michael McFaul. Bild: Reuters
Es dürfte keine Überraschung sein, dass der ehemalige US-Botschafter in Russland das Russische gut beherrscht. Der Architekt der russischen Reset-Politik Obamas reiste 1983 erstmalig in die Sowjetunion, blieb dort ein Jahrzehnt und studierte in Leningrad und Moskau.
McFaul kommunizierte rege mit der Öffentlichkeit des Landes und erschien sogar im russischen Fernsehen: Am 7. Oktober 2012, nach dem zweiten Wahlsieg Barack Obamas, wurde er in die Late-Night-Show Iwan Urgants, eines berühmten russischen Entertainers, eingeladen. Das Gespräch lief auf Russisch, McFaul verstand mit Leichtigkeit russischen Humor und machte selbst ein paar Witze.
McFaul in der Late-Night-Show Iwan Urgants. Quelle: Youtube
Und auf seinem Twitter-Account gesteht der Botschafter übrigens hin und wieder seine Liebe zu russischem Bier:
хотел купить Балтика 7 сегодня но не получилось. уже нету, где раньше продувалось.
— Michael McFaul (@McFaul) 19 ноября 2015
.@foroforf@kulik_vrn@n_barmaleykina@rykov это слово тоже не забыл. Скучаю по Балтику7
— Michael McFaul (@McFaul) 11 сентября 2014
Bild: Reuters
Madeleine Albright war die erste Frau im Amt des US-Außenministers. Sie trat in die Fußstapfen ihres Vaters und studierte Politikwissenschaften. Ihren Abschluss machte sie an der Columbia University, wo sie ein Zertifikat in russischer Sprache erlangte und in Rechts- und Staatswissenschaften promovierte.
In Russland war sie mehrmals. Im Februar 2011 etwa besuchte Albright das Moskauer Institut für Internationale Beziehungen und grüßte dort die russischen Studenten in deren Muttersprache.
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Die ehemalige US-Außenministerin und eine der einflussreichsten Politikerinnen während der Amtszeit George W. Bushs studierte Russistik auf dem College.
Quelle: Youtube
In der Öffentlichkeit zeigt Rice ihre Russischkompetenz nur selten. Sie gibt zu: Es mangele ihr an Praxis, und die Sprache selbst sei „mit all diesen schrecklichen Fällen“ sehr schwer. In einem Interview mit dem Moskauer Radiosender Echo Moskwy vom April 2005 ist Rice auf Russisch zu hören.
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Von 1997 bis zu seinem Tod 2011 war Kim Jong-il der Oberste Führer der Demokratischen Volksrepublik Korea. Die Sowjetunion war der große Bruder Nordkoreas. Kim Jong-ils Vater – Kim Il-sung – erachtete es für die Beziehungen beider Länder daher als grundlegend, dass sein Sohn Russisch lernt.
Der Privatlehrer des damals 17-Jährigen erinnert sich: „Er wirkte bei seiner mündlichen Prüfung sichtlich nervös. Der schüchterne Junge mit roten Pausbacken antwortete demütig auf alle Fragen, die ich ihm stellte. Danach las er Passagen aus einem Buch vor und übersetzte sie ins Koreanische. Herausragend waren seine Übersetzungen zwar nicht, aber er las und übersetzte fehlerfrei. Ich fragte ihn alltägliche Dinge – nach seinem Namen, Geburtstag, nach dem Wochentag und dem Wetter. Die Antworten fielen ihm schwer. Am Ende der Prüfung errötete er und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Ohne auch nur einmal damit zu prahlen, dass er der Sohn des Großen Führers ist, ließ Kim Jong-il geduldig die Prüfung über sich ergehen.“
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Der finnische Präsident gab zu, dass er genauso oft anfing, Russisch zu lernen, wie er versuchte, das Rauchen aufzugeben.
Russischunterricht nehme Niinistö wöchentlich, betrachte er doch das Erlernen dieser Sprache als eine Frage des Anstands, berichtete Finnlands größte Zeitung „Helsingin Sanomat“ 2012. Letzte Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin zeigten, dass die Bemühungen des finnischen Präsidenten erste Früchte tragen: Inzwischen kann er „Danke“ sagen und „Ich freue mich ebenfalls, Sie zu sehen“.
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Im Juli 2001 gab Frankreichs Präsident, der sein Amt von 1995 bis 2007 bekleidete, im Vorfeld russisch-französischer Verhandlungen der russischen Nachrichtenagentur Tass ein Interview, in dem er sagte, wie viel Russland in seinem Leben bedeutet habe. In seiner Jugend hatte Chirac einen russischen Lehrer, der aus Sankt Petersburg emigriert war. Er begeisterte den zukünftigen Staatspräsidenten derart für die russische Sprache, dass dieser eigenhändig Alexander Puschkins „Eugen Onegin“ ins Französische übersetzte. Chirac erinnert sich: „Ich habe versucht es zu veröffentlichten, schickte es mehreren Verlagshäusern, keines aber antwortete mir. Die Übersetzung war wohl nicht die beste …“
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